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daran soll forrlaufend über den Stand der Dinge
in den einzelnen Centren berichtet werden.

Stoff für die Leitartikel giebt es wie Sand am
Meer, und dazu solchen, der im Ernst noch kaum
behandelt ist.

Es ist Zeit, dass einmal gefragt wird, mit welchem
Erfolg das deutsche Volk die ungeheuren Summen
ausgiebt, die ihm seine Kunst kostet. In der That
steht es durch den Gesammtaufwand der Einzel-
staaten allen europäischen Völkern voran, denn
der Apparat von Schulen und Museen, der bei den
Nachbarn im besten Falle einmal da ist, wiederholt
sich bei uns bis in die Herzogthümer und sogar
bis in das Budget einzelner Städte wie Frankfurt
und Leipzig. Wie kommt es, dass uns der Auf-
wand nicht vor der Niederlage rettet? Was leisten
unsere Akademien, unsere Kunstschulen, unsere
Gewerbeschulen? Wie wäre das Stipendienwesen
zu reorganisiren? Wie werden unsere Architekten
erzogen, was lernen sie, wie bilden sie sich weiter?
Und was leisten unsere öffentlichen Sammlungen?
Wie steht es in Deutschland mit den Privatsamm-
lungen? Ueberhaupt, wie steht es mit der künstle-
rischen Erziehung und Bildung des Publikums, wo
Hesse sich ansetzen, wenn der Sinn für das Sammeln
von Kunstwerken geweckt werden soll, was leistet
der Dilettantismus? Tausend Fragen ähnlicher Art
werfen sich dem Beobachter auf, namentlich, wenn
der Blick auch auf die Erscheinungen im Ausland
gerichtet wird.

Die locale Abtheilung wird für die einzelnen
Gebiete alle diese Fragen zur Besprechung bringen.

Es ist dabei als praktisch erschienen, die Dinge
von einer Reihe von Beobachtungsposten aus ver-
folgen zu lassen, die nach der natürlichen Gliederung
der Wirthschaftsgebiete zu bestimmen sind. Vorerst
kommt es auf die wichtigsten Punkte an, vielleicht
wird später eine weitere Theilung folgen können.

Berlin darf als Warte für Preussen mit Aus-
nahme der Rheinlande und vielleicht Hannovers
gelten, da Alles von Berlin abhängt. Von Dresden
aus lassen sich ganz Sachsen und die thüringischen
Herzogthümer überschauen,für Baiern steht München
ein. Der Nordwest von Mecklenburg über Schles-
wigholstein nach Oldenburg schliesst sich als natür-
liches Gebiet mit den Hansastädten zusammen

und findet seinen Mittelpunkt in Hamburg.
Die Rheinlande mit Frankfurt, Köln und Düssel-
dorf lassen sich vorerst vereinigen, vielleicht dass
sich Frankfurt und seine Nachbarstädte in kürzerer
Zeit herauslösen. Im Südwesten könnten Stutt-
gart, Karlsruhe und Strassburg einen Stützpunkt
abgeben.

Aus jedem dieser Gebiete wäre zunächst ein-
mal klar zu legen, wo die Bewegung steht. Welche
Kräfte sind an der Arbeit, was wollen sie, was
erreichen sie? Was thun Staat und Stadt? Was
für Schulen und Museen giebt es, wie sind sie
organisirt, was erstreben und was erreichen sie,
wie steht es mit der Bildung der Bevölkerung,
wird gesammelt und nach welcher Richtung, was
schaffen die Künstler; was für Vereine beschäftigen
sich mit der Kunst, und was wollen und leisten
sie, die Kunstvereine, die Gewerbevereine, die
Architekten- und Dilettantenvereine. Was leistet
das Kunstgewerbe, was die Architektur.

Es ist keine Frage, dass dies Alles Dinge sind, an
die man nur mit Vorsicht rühren wird, denn nicht
in allen Fällen können die Antworten erfreulich
ausfallen, und Vieles wird man überhaupt öffentlich
nicht sagen wollen. Aber wir wollen ja auch keine
Satiren und Strafpredigten schreiben. Die Haupt-
sache ist, dass die Leser des Pan angeregt werden,
sich daheim und draussen umzuschauen, und vor
allem, dass sie mit den localen Kräften zu rechnen
lernen.

Denn das wird in Deutschland die Basis aller
gesunden Bestrebungen sein müssen, dass wir an
jedem Ort, wo Kunst möglich ist, und das ist es
bis in die Mittelstädte hinab, alle lebendigen Kräfte
zu entwickeln suchen. Wir können darin nicht
den Engländern folgen oder den Franzosen, dass
wir uns von einer Kapitale die Gedanken holen.

Wenn wir Kunst wollen, muss es deutsche
Kunst, in Deutschland mögliche Kunst sein, nicht
englische, französische oder in England und Frank-
reich mögliche. Und deutsche Kunst ist abhängig
von den Bedingungen, unter denen wir leben.
Vorläufig kann es bei uns eine einheitliche haupt-
städtische Kunst nicht geben, gesund kann in
Deutschland die Kunst nur gedeihen, wenn sie eine
Heimath in den alten Stammeshauptstädten findet.

Alfred Lichtwark

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