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Kopieen aus andern Schlössern und Häusern, hauptsächlich
aus Tirol, umfassen; die dritte Serie endlich die übrigen
Denkmäler dieser Art aus jener Zeit, wie sie noch an weni-
gen Orten hier und dort zerstreut sein mögen. Diese Arbeiten
sind nicht blos ausserordentlich gewissenhafte Nachbildungen,
sondern Neuschöpfungen, die mit feinem Verständnis in den
Geist der Originale eindringen und zugleich eine grosse
Empfindlichkeit bekunden für den Farbenreiz dieser anmu-
thigen "Werke, der zum Theil wohl erst entstanden ist durch
das Alter und die Verwitterung. Sie sollen in der nächsten
Zeit zuerst auf der Glaspalastausstellung in München, später
auch an andern Orten der Betrachtung zugänglich gemacht
werden. Herr Max von Mann hat sich die Aufgabe gestellt,
ein Origmalsammelwerk für gothische Wandmalereien des
Profanstils zu schaffen. Hermann Eichfeld

C Nordwest. ]) Der preussische Gesandte bei den Hansa-
städten und den Höfen Mecklenburg und Oldenburg hat
seinen Sitz in Hamburg, was zugleich die centrale Lage und
die wirthschaftliche und sociale Bedeutung der jüngst ent-
wickelten unter den drei letzten Hansastädten beleuchtet. In
der That bildet Hamburg noch heute in mancher Beziehung
den Kulturmittelpunkt für das ganze Gebiet, den es im ver-
gangenen Jahrhundert für einen noch weiteren Umkreis
ausmacht. Es liegt deshalb nahe, für den localen Theil der
Rundschau Hamburg als Beobachtungsposten zu erwählen.

Trotz grosser Selbständigkeit der einzelnen Provinzen hat
dieser diplomatisch zusammengelegte Nordwest doch einen
einheitlichen Charakter sowohl durch die Gleichartigkeit
des Volksstammes wie durch die verwandten socialen
Charakterzüge.

Ueberall liegt das niedersächsische Volksthum zu Grunde.
Doch wird es an den drei äussern Enden im Osten, Westen
und Norden durch fremde Einflüsse deutlich gefärbt. Im
Osten, in Mecklenburg, das durch die Niedersachsen cultivirt
und dem plattdeutschen Sprachgebiet gewonnen wurde, spürt
man die Beimischung westslavischen Blutes. Der Mecklen-
burger ist lebhaft und von allen Plattdeutschen der sprach-
gewandteste, er ist namentlich ein hochbegabter Erzähler und
Schilderer. Fritz Reuter stellt den Idealtypus dieses scharf-
charakterisirten Volksschlags dar. Der Schleswig-Holsteiner
vermittelt uns skandinavisches Wesen, obwohl er bis auf die
Grenzbewohner ein guter Niedersachse ist. Im Westen
spricht das friesische und holländische Element bereits sehr
stark mit. Schon in Bremen lassen sich holländische Züge
wahrnehmen.

Hamburg nimmt eine Stellung für sich ein. Der früher
mächtige englische Einfluss hat sehr abgenommen. In vielen
einflussreichen hamburger Familien macht sich in neuerer Zeit
durch die Beziehungen zu Südamerika die Beimischung
spanischen Blutes und spanischen Wesens sehr fühlbar, und
und hier allein im ganzen Nordwest giebt es altansässige
Judenfamilien, die, in Leben und Anschauung Hanseaten ge-
worden, auf das öffentliche Leben erheblichen Einfluss ausüben.

Das sind die natürlichen Grundlagen. Die alte ein-
heimische Kultur stammt aus niederländischer Wurzel und
hat hie und da eigenartige, locale Schösslinge getrieben, deren
Zusammenhang mit dem Mutterstock aber immer fühlbar
bleibt. Niedersächsisch ist das überall durch die Fürstenzeit
des siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert gerettete frei-

heitliche Wesen des Bauern und Bürgers, in Mecklenburg
wenigstens der Städte und des Adels. Nirgend hat in Stadt
und Land der Fürst jemals alle Kräfte sich dienstbar machen
können. Es ist die Schweiz Norddeutschlands.

Derselbe Umstand hat auch verhindert, dass dies nieder-
sächsische Gebiet zu irgend einer Zeit für eine gemeinsame
Kulturarbeit zusammengefasst worden wäre. Auch die Hansa
hatte wesentlich eine politische Function. In Kunst und
Literatur hat sich der Nordwest noch nicht ausgegeben.

Diese bäuerische und städtische Atomisirung der Volks-
kraft äussert sich am deutlichsten im Verhältniss zur höheren
Bildung. Es giebt auf dem ganzen Gebiet keine Maler-
akademien und polytechnischen Hochschulen; Universitäten
nur in Kiel und Rostock.

Auch die ökonomischen Verhältnisse sind sehr gleich-
artig. Zahlreiche Seestädte mit .reichentwickelten Handels-
beziehungen sitzen in einer ackerbauenden Bevölkerung des
Landes und der Landstädte. Residenzen von beherrschender
Stellung giebt es nicht, und die Fabrikthätigkeit ist sehr jung.
Hier kommt ausser Hamburg, das mit Altona und Harburg
in der letzten Generation, ehe es sich dessen recht versehen,
eine sehr bedeutende Fabrikstadt geworden ist, kein Platz in Be-
tracht. Städte wie Neumünster mit seiner grossen Tuch-
industrie bilden eine seltene Ausnahme. Der Landmann, der
Kaufmann, der Seefahrer, der Fischer, das sind die Berufstypen
des Volkes.

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Da die Fürsten keine übermächtige Stellung besessen
haben, sind andere historische Bauten als Kirchen und Rath-
häuser auf dem ganzen Gebiet sehr selten. Charakteristischer
Weise wirken diese Gebäude und die Bauernhöfe monumen-
taler als selbst die Schlösser und Patrizierhäuser. Alten
Kunstbesitz hat ausser der Kirche und dem Bauernstand nur
der Schweriner Hof in unser Jahrhundert gerettet. Kirchen
und Bauernhäuser waren die wesentlichen Quellen, aus denen
die an allen Orten errichteten historischen Sammlungen und
Gewerbemuseen, die man wohl schon unter einer Rubrik
aufzählen darf, Denkmäler einheimischer Kunst und Kultur
schöpfen könnten. Was der Adel, was die Patrizier bewahrt
hatten, war meist nur ein kostbares Einzelstück. Ihr einst
sehr reicher Besitz an Gemälden, Kunstsachen und Hausrath
ist zerstreut.

In Schwerin bildet denn auch die Grossherzogliche Samm-
lung die Grundlage der Staatsmuseen. Vor Allem die wich-
tige Gemäldegalerie, an alten Meistern die hervorragendste
im Nordwest. Die Oldenburger Galerie alter Meister ist
jung, erst seit Anfang dieses Jahrhunderts ausgebildet, aber
sie enthält eine Anzahl ausgezeichneter Gemälde. Noch
jünger ist die Galerie alter Meister in der Hamburger Kunst-
halle. Sie ist aus den letzten Resten des einst unermesslichen
Privatbesitzes an alten, namentlich holländischen Meistern
zusammen geflossen. Die ansehnliche Sammlung Ham-
burgischer Meister seit dem fünfzehnten Jahrhundert ist erst
vor einigen Jahren gegründet worden. Kleinere Sammlungen
alter Meister werden noch in den Museen von Bremen und
Lübeck und in der Universität zu Kiel aufbewahrt. Lübeck
besitzt in seinen alten Kirchen eine hochbedeutende Samm-
lung von Bildern des fünfzehnten und sechzehnten Jahr-

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