A. BEARDSLEY, SALO.ME
AUBREY BEARDSLEY
SEINE Schönheit erschreckt mich ins Innerste und thut
■weh, seine Häfslichkeit verfolgt in Träumen — ich
liebe ihn, dafs ich ihn fast schon hasse, ich hasse ihn, dafs
er mich so zu thörichter Liebe zwingt' — solchen Worten
übergab dieMarquise den Eindruck, den ihr das Werk Aubrey
Beardsley's schaffte. Und sie äufserte keine Trauer als sie von
seinem frühen Tode hörte, denn sie meinte, er sei als er starb
vollendet gewesen, ein längeres Leben hätte nicht mehr aus
ihm machen können. Und dafs uns ein menschliches Mitleid-
nicht verführen möge, uns so ganz an ihn zu verlieren, dafs
wir keine Wege mehr zu den Künsten anderer rinden. So
grausam sind Frauen, die vor Liebe hassen. Ein junger Mann,
der Blätter von Beardsley sah, lachte sehr stark und suchte
seine Ueberlegenheit in einen Witz zu fassen; er rühmte sich,
„gesunde Instinkte" zu haben. Ein Freund — er ist ein
Künstler — zeigte Besuchern den ,Savoyc mit Beardsleys
Bildern; er sprach nichts, er frug nichts, nur seine Augen
leuchteten: Das ist grofs! —
Eine Vignette Beardsley's ist nicht zu übersehen. Da
reitet die traurig-ausgelassene Gottheit unserer Decadence ge-
scholtenen Renaissance, Pierrot, auf dem Pegasus, der sich
anschickt, auf den Parnafs zu galoppieren. Darunter schreibt
der Künstler: Ne Jupiter quidem omnibus placet. Nach
allem, was Freunde uns von Beardsley berichten, was wir.
von seinem Leben erfahren, was seine Kunst erlebt hat ■—
der Mensch, der Künstler, seine Kunst und ihr Schicksal hat
Beardsley in dieses stolze Wort gefafst. Selbst Jupiter gefällt
nicht Allen: Er selbst war sein gröfster Bewunderer, unein-
geschränkte Bewunderung verlangte er von seinen Zeitge-
nossen, alle ungünstige Kritik seines Werkes war ihm wie
eine Beleidigung. Beardsley konnte als er zwanzig alt war
und seine Künstlerschaft begann, die Jahre, die ihm zuge-
messen waren, an den Fingern einer Hand zählen, er wufste,
dafs er keine Zeit hätte, sich den Ruhm zu holen, den die
Welt den Grofsen zu spenden anfängt, wenn diese, fast Greise,
zum Sterben kommen. So berühmt zu -werden war nicht
sein Ehrgeiz — dieser war, in Ruf zu kommen, in Mode zu
kommen wie die Guilbert, die Chimay oder die Cleo de
Merode. Er stellte vieles an, um dies zu erreichen. Aergerte
sich ein Kritiker über die Kühnheit eines Blattes, so überbot
er diese durch ein noch kühneres; er meinte, sich Alles, auch
Schlechtes erlauben zu dürfen. Er mystifizierte seine „Feinde",
wie er die übelwollenden Kritiker nannte, indem er Dinge
zeichnete in einem andern Stil mit fingierten Namen, und
der Gamin Beardsley war glücklich, als die Kritiker ihm
sagten, er könne an diesen Blättern lernen, wie es zu machen
sei. Wie allen, die so heftig die Aufregungen des Beifalls
suchen, war auch ihm eine mächtige Verachtung des
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AUBREY BEARDSLEY
SEINE Schönheit erschreckt mich ins Innerste und thut
■weh, seine Häfslichkeit verfolgt in Träumen — ich
liebe ihn, dafs ich ihn fast schon hasse, ich hasse ihn, dafs
er mich so zu thörichter Liebe zwingt' — solchen Worten
übergab dieMarquise den Eindruck, den ihr das Werk Aubrey
Beardsley's schaffte. Und sie äufserte keine Trauer als sie von
seinem frühen Tode hörte, denn sie meinte, er sei als er starb
vollendet gewesen, ein längeres Leben hätte nicht mehr aus
ihm machen können. Und dafs uns ein menschliches Mitleid-
nicht verführen möge, uns so ganz an ihn zu verlieren, dafs
wir keine Wege mehr zu den Künsten anderer rinden. So
grausam sind Frauen, die vor Liebe hassen. Ein junger Mann,
der Blätter von Beardsley sah, lachte sehr stark und suchte
seine Ueberlegenheit in einen Witz zu fassen; er rühmte sich,
„gesunde Instinkte" zu haben. Ein Freund — er ist ein
Künstler — zeigte Besuchern den ,Savoyc mit Beardsleys
Bildern; er sprach nichts, er frug nichts, nur seine Augen
leuchteten: Das ist grofs! —
Eine Vignette Beardsley's ist nicht zu übersehen. Da
reitet die traurig-ausgelassene Gottheit unserer Decadence ge-
scholtenen Renaissance, Pierrot, auf dem Pegasus, der sich
anschickt, auf den Parnafs zu galoppieren. Darunter schreibt
der Künstler: Ne Jupiter quidem omnibus placet. Nach
allem, was Freunde uns von Beardsley berichten, was wir.
von seinem Leben erfahren, was seine Kunst erlebt hat ■—
der Mensch, der Künstler, seine Kunst und ihr Schicksal hat
Beardsley in dieses stolze Wort gefafst. Selbst Jupiter gefällt
nicht Allen: Er selbst war sein gröfster Bewunderer, unein-
geschränkte Bewunderung verlangte er von seinen Zeitge-
nossen, alle ungünstige Kritik seines Werkes war ihm wie
eine Beleidigung. Beardsley konnte als er zwanzig alt war
und seine Künstlerschaft begann, die Jahre, die ihm zuge-
messen waren, an den Fingern einer Hand zählen, er wufste,
dafs er keine Zeit hätte, sich den Ruhm zu holen, den die
Welt den Grofsen zu spenden anfängt, wenn diese, fast Greise,
zum Sterben kommen. So berühmt zu -werden war nicht
sein Ehrgeiz — dieser war, in Ruf zu kommen, in Mode zu
kommen wie die Guilbert, die Chimay oder die Cleo de
Merode. Er stellte vieles an, um dies zu erreichen. Aergerte
sich ein Kritiker über die Kühnheit eines Blattes, so überbot
er diese durch ein noch kühneres; er meinte, sich Alles, auch
Schlechtes erlauben zu dürfen. Er mystifizierte seine „Feinde",
wie er die übelwollenden Kritiker nannte, indem er Dinge
zeichnete in einem andern Stil mit fingierten Namen, und
der Gamin Beardsley war glücklich, als die Kritiker ihm
sagten, er könne an diesen Blättern lernen, wie es zu machen
sei. Wie allen, die so heftig die Aufregungen des Beifalls
suchen, war auch ihm eine mächtige Verachtung des
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