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Panofsky, Erwin <Prof. Dr.>
Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst — Leipzig, Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.29796#0173
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Die Tugendsymbolik dev Hesperiden-Äpfel

147

es jetzt kurz und klar: „Quarta fortitudo Herculis scribitur, quia dicitur
Hesperides spoliasse, que fuerunt Athlantis regis Affrice filie. Hee orturn
habebant, in quo erant mala aurea Veneri consecrata. Ad quorum
custodiam draco nunquam dormiens positus erat. Oue poma Hercules
abstulit occiso dracone. Nam virtus animi non ftotest fructum car-pere

ohne Stolz 31. Demgegenüber hatte aber Boethius in einem berühmten Gedicht seines
oft kommentierten Hauptwerks (Consol. Philos. IV, Metrum 7) einen Zwölftatenzyklus
verherrlicht, der sowohl in der Reihenfolge als in der Auswahl der Taten von dem kanoni-
schen abweicht. Und dieser, dem Bedürfnis nach zahlenmäßiger Abrundung entgegen-
kommende ,,Boethius-Zyklus“ hat nun im späteren Mittelalter große Bedeutung ge-
wonnen. Einerseits hat er zwei selbständigen, ausdrücklich auf Boethius bezugnehmenden
Herculestraktaten als Grundlage gedient, die von den andern Mythographen ziemlich
unabhängig sind, nämlich der sehr merkwürdigen, den Stoff vielfach moralisierenden
Schrift des Enrique de Villena „Los trabajos de Hercules“ (Zamora 1483 und Burgos
1499, zu den Holzschnitten vgl. Lyell a. a. O., S. 7ff.; die spätere Ausgabe auch in biblio-
philem Neudruck s. a.) und einer „Adicion du Compileur“, die den französischen Drucken
des Ovide moralise eingefügt worden ist, und die der Moralisation entraten konnte, weil
diese ohnedies im Haupttext stand (fol. N 2 v des Drucks von 1499, fol. 225 v des Drucks
von 1484). Andererseits aber ist der „Boethius-Zyklus“, vermutlich unter Heranziehung
des Trivethschen Kommentars (den wir in clm. 348, fol. 77 r ff. benutzen konnten), mit
dem Berchoriustext, dem Mythographus III und möglicherweise noch mit einem andern,
selbständigen Traktat in der Art der „Trabajos“ zu einem Mischprodukt verschmolzen
worden. Dieses Mischprodukt ist das Herculeskapitel des „Libellus de Ima-
ginibus Deorum“, dessen vermittelnde Stellung schon in der Reihenfolge der Taten
zum Ausdruck kommt.

Mythograph. III

Boethius

(sowie Villena und
„Adicion du Com-
pileur“)

Libellus

Kanonischer Dode-
kathlos (nach Anthol.
lat. 627 und Anthol.
graec. XVI, 92)

1. Cacus

Zentauren

Zentauren

Löwe

2. Antaeus

Löwe

Löwe

Hydra

3. Alceste-Cerberus

Harpyien

Alceste-Cerberus

Eber

4. Löwe

Hesperiden

Hesperiden

Hirschkuh

5. Eber

Cerberus

Hydra

Harpyien

6. Atlas

Diomedes-Rosse

Achelous

Amazonen

7. Hydra

Hydra

Cacus

Augias

8. Achelous

Achelous

Diomedes-Rosse

Stier

9. Hesperiden

Antaeus

Antaeus

Diomedes-Rosse

10. Geryones

Cacus

Eber

Geryones

11. —

Eber

Geryones

Cerberus

12. —

Atlas

Atlas

Hesperiden

Die — durchweg kurzen — Moralisationen des „Libellus“ sind teils dem Berchorius
entnommen, teils aber (nämlich in den Fällen 1, 3, 4, 8, 10) aus Eigenem hinzugefügt. Und
diese Eigenprodukte basieren allemal auf dem einfachen Begriff der „Virtus" („In quo
similiter notatur animi virtus, que omnia superat et devincit“ oder ähnlich). Da die Taten
7 und 9 schon in den älteren Quellen nur als Bewährung der', .Virtus" gedeutet worden
waren, hat sich das ganze Moralisierungs-System im „Libellus" in sehr weitgehendem
Maße auf eine einfache Tugend-Symbolik eingeschränkt.

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