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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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Zweites und drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0554
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550 Theodor Hoepfner

Aufmerksamkeit, die Gefühls- und die Vorstellungsassoziationen ver-
binden beide Komponenten.

In dieser Feststellung ist die Frage nach der etwaigen Einheit
des Selbstbewußtseins enthalten. Das Selbstbewußtsein spaltet sich,
»setzt ein Störungsbewußtsein an«. Es gibt Fälle, in denen der
ursprüngliche Mensch erhalten ist und unter seinem Zustand osten-
tativ leidet; in anderen Fällen ist ein einheitlicher Charakter ver-
loren gegangen, und bei mehrmaliger Untersuchung fällt entweder
der leidende Teil des ursprünglichen Menschen oder der natürlich
eine positivere Außerungsweise, z. B. einen galligen Humor zeigende
>Stotterer« ins Auge. Endlich gibt es Fälle, wo eben das Störungs-
bewußtsein mit seinem reichlich imbezill redigierten Abwehr- und
Angriffssystem, seiner Pseudologik und seinem »Abnormsein-Wollen«
den ursprünglichen Charakter des Menschen völlig verwischt hat und
selbst Charakter, eine soziale Person, geworden ist.

Entsprechend sind die Ausfallserscheinungen. Es ist klar,
daß, wenn ein Mensch, der den ganzen »Sprechtag« über an seine
Sprache denkt, nicht zugleich an andere berufliche oder seine soziale
oder ethische Aktivität betreffende Dinge denken kann. Eine gewisse
Einengung der Persönlichkeit (im Vergleich zu demjenigen Zu-
stande gemeint, den ein solcher Mensch einnehmen könnte) ist wohl
nie zu verkennen. Eine Erschwerung der Worte- und Begriffs-
findung habe ich nur in sehr wenigen Fällen vermißt; dies Sym-
ptom bezieht sich nicht auf schriftliche, sondern nur auf mündliche
Äußerungen und tritt besonders beim freien Erzählen hervor. Alles,
was sich hier vorfindet, deutet auf einen Mangel an Übung [und
folglich auf eine entsprechende rein psychische Schwäche der
höchsten Vorstellungskoordination hin, die dem abnormen Ver-
halten des Selbstbewußtseins wie auch einer als sicher anzunehmen-
den Bevorzugung eines irgendwie nichtsprachlichen Denkens und
Vorstellens entspringt (»Apperzeptionsenge«). Diese Erscheinungen
sind auch als Ursache einer großen Anzahl von Fällen von funktio-
neller Stimmschwäche (Überwiegen hemmender Vorstellungen!/
zu betrachten; leider ist hier nicht der Ort, ausführlicher auf dies
auch von Gützmann einer eingehenden Darstellung gewürdigte Thema
einzugehen. Es genüge hier die Erwähnung, daß nach meiner Er-
fahrung bei den betreffenden Stotterern, die diese Erscheinung zeig-
 
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