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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Erstes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0093
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Versuch zu einer Darstellung u. Kritik der FiŒUDschen Neurosenlehre. 89

seiner Aussage oktroyiert wird ', überrascht uns schon gar nicht mehr,
denn nach der Lehre vom Widerstand ist ja immer das Gegenteil
von dem richtig, was der Analysand wahr haben will. Aber es
werden auch Anekdoten, Versprechen des Fürsten Bülow u. dgl. mit-
geteilt, also Fälle, wo niemals eine Analyse stattgefunden haben
kann, und diese nicht etwa als scherzhafte Illustrationen, sondern
ganz ernsthaft als Beweismaterial. Wenn man sieht, wie Freud
diese Fälle, die nur Kombinationen sein können, in eine Reihe
stellt mit den Beispielen, die nach den Regeln seiner diffizilen
Methodik gesichert sein sollen, so muß man allerdings bedenklich
werden. Ist es denn da zu verwundern, daß Gelehrte, die an ernste
Disziplin der Materialbearbeitung gewöhnt sind, von einem Mißtrauen
gegen die ganze Feeüd sehe Art der Tatsachenbeschaffung überhaupt
erfüllt werden? Wir wollen aber hieraus gewiß keine Einwände
gegen die Theorie als solche herleiten, sondern wollen fingieren, daß
das Beweismaterial mit der größten Sorgfalt methodisch sicherge-
stellt sei.

Auch dies angenommen, müßte man rügen, daß die psychologi-
schen Bedingungen, soweit sie die heutige Psychologie zu erfassen
gestattet, nicht hinreichend berücksichtigt sind. Wenn man einer
Wissenschaft im Gegensatz zu ihrem Wissensbestand etwas neues
bringen will, so müßte man doch einmal zunächst alles wissen, was
sie weiß. Bei Feeüd findet man fortwährend die bekanntesten Dinge
der Psychologie vernachlässigt. So ist beispielsweise bei jenem Fall
von Verlesen, als die ganze Redaktion eines Blattes in einem Recht-
fertigungsartikel den Druckfehler »in eigennützigster Weise« statt
»uneigennützigster« überlesen hatte, nicht in Rechnung gezogen,
daß dieses Verlesen durch die Ähnlichkeit des Druckbildes der Wort-
folge »in eigennützigster« mit »uneigennützigster« besonders nahe
gelegt war. Es besteht durchaus kein Anlaß zu folgern, in diesem
Verlesen seien »die wahren Gedanken mit elementarer Gewalt« durch-
gebrochen. Wenn ein Arzt bei der Niederschrift eines Rezeptes,
währenddem er »mit törichten und überflüssigen Fragen belästigt«

1 Z. B. in dem Fall von dem versehentlichen Schuß: »Trotz all dieser Ver-
dachtsmomente beharrte der Patient dabei, daß der Schuß ein .Unfall' war. Ich

aber bin fest überzeugt, daß___die Selbstbeschädigung psychisch bestimmt war.«

A. a. 0., S. 103.
 
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