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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Erstes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0094
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90 Kuno Mittenzwey

wird, Achol statt Alcohol schreibt, so ist diese Verkürzung durch
die infolge der Störung bewirkte Ablenkung der Aufmerksamkeit
vollständig erklärt, und es liegt durchaus keine Notwendigkeit vor,
eine Herleitung über den inhaltlichen Sinn >Achol = keine Galle«
zu versuchen. Überhaupt fehlt bei Freud ganz allgemein jegliche
Berücksichtigung der mechanisierten Abläufe, und gerade diese sind
für die Determination der Fehlleistungen so überaus wichtig.

Diese zu geringe Berücksichtigung der psychologischen Be-
dingungen wird insbesondere auch in der unbekümmerten Art fühl-
bar, wie die Beispiele angeführt werden. Tatsächlich ist das wohl
der erste Eindruck, den der psychologisch geschulte Leser bei der
Lektüre empfangen muß, daß hier ganz himmelweit verschiedene
Dinge nebeneinandergestellt sind. So berichtet Feeüd, um ein
Beispiel für viele zu geben, unter den Zufallshandlungen in einer
Beihe mit dem Verlieren des Eherings den Fall einer später ge-
schiedenen Dame, die schon Jahre vor der Scheidung bei der Ver-
waltung ihres Vermögens Dokumente häufig mit ihrem Mädchen-
namen unterzeichnete. Selbstverständlich ist es nicht Freuds Mei-
nung, daß die Unterzeichnung von Dokumenten zu den Handlungen
gehört, die man >ohne sich etwas bei ihnen zu denken, nur wie
um die Hände zu beschäftigen« vornimmt. So ist es aber eingangs
des Kapitels über die Zufallshandlungen als Definition aufgestellt.
Woran soll man sich da halten?

Wir wollen aber alle diese Einwendungen nicht urgieren. Wir
bringen sie nur zur Sprache, um auszudrücken, daß wir uns dieser
Unzulänglichkeiten bewußt sind, wir wissen aber auch, daß das
Wesen der Sache damit nicht getroffen ist. Mehr zum Kern der
Sache rücken wir bereits vor, wenn wir darauf aufmerksam machen,
welche eigentümlich spezialisierte und weitreichende Funktion die
»Verdrängung« jetzt zugeteilt erhält. Bisher war es doch so, daß
die Verdrängung sich auf ein einheitliches »Thema« (psychisches
Trauma bzw. infantiles sexuelles Erlebnis) und eventuell gewisse
akzidentell determinierte Symbolismen erstreckte. Jetzt wirkt die
Verdrängung über ganz komplizierte Mechanismen hinweg, deren
Determinierung nicht einzusehen ist, und entfaltet an den uner-
wartetsten Stellen ihre Wirkung. So zieht die Abweisung der mit
»Herr« beginnenden Sprichwörter sexuellen Inhalts über die Über-
 
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