476 Kuno Mittenzwey
gang aus kommen werden. Freud unternimmt es, den normalen
Status »realistischere Bedürfnisbefriedigung and das normale Ver-
hältnis zur Wirklichkeit vom neurotischen Status aus zu begreifen.
Daraus fließen letzten Endes alle die merkwürdigen Paradoxien, in
denen seine Lehre so oft das Gegenteil aller herkömmlichen Auf-
fassung aussagt, dies ist auch der letzte Grund, weshalb seine Theorie
manchen Neurotikern so viel zu geben hat.
Demgemäß leisten die »zwei Prinzipien« auch nichts zur Er-
klärung der zweiten Tatsachenreihe, die wir als ihre Grundlage auf-
gezeigt hatten, der neurotischen Wirklichkeitsscheu. Es wird ja im
Gegenteil der Versuch gemacht, von ihr aus das normale Verhältnis
zur Eealität zu erklären, die Wirklichkeitsscheu aber wird als Zustand,
der nach möglichster Reizlosigkeit strebt, an den Anfang alles psy-
chischen Geschehens gesetzt. Sowenig nun zu verstehen ist, woher
die Bedürfnisse das »Recht« haben, den psychischen Organismus zur
Aufgabe dieses Anfangszustandes zu veranlassen, ebensowenig ist zu
verstehen, warum die Neurose etwas Pathologisches sein soll. Wenn
die Bedürfnisbefriedigung keine Betätigung des lebendigen Geschehens
selbst ist, sondern nur sekundär durch die »Not« des Lebens der
Urtendenz des Psychischen abgerungen ist, dann hat ja der Neuro-
tiker »recht«, wenn er seine Bedürfnisse weiterhin möglichst hallu-
zinatorisch befriedigen will. (NB. er hat nicht nur so recht, wie
jeder Neurotiker vor den Psychoanalytikern mit seiner Flucht in die
Neurose recht hat, nämlich von seinen persönlichen Komplexen aus,
sondern er hat im höchsten, kosmologischen Sinne recht, viel mehr
als der Normale, der sich an die Not des Lebens verliert.) Ein
intelligenter Neurotiker hätte gegen die Freud sehe Therapie keinen
besseren Einwand als die Freud sehe Theorie, denn auf keine Weise ist
aus den Prinzipien einzusehen, warum er seine Neurose aufgeben und
zur Realität zurückkehren sollte, ist er doch dort bei seiner »Mutter«,
die vor allen Mutterkomplexen war, beim Urzustände des psychischen
Geschehens selbst.
Wir kommen also zu dem Ergebnis, daß die zwei Prinzipien auch
nichts leisten, wenn wir sie ohne allen Gedanken an eine unhaltbare
Psychogonie in Hinblick auf die empirischen Tatsachen betrachten,
die in ihnen verwendet sind. Sie leisten nichts zur Erklärung der
Entwicklung des Sexualtriebes von der autoerotischen zur hetero-
gang aus kommen werden. Freud unternimmt es, den normalen
Status »realistischere Bedürfnisbefriedigung and das normale Ver-
hältnis zur Wirklichkeit vom neurotischen Status aus zu begreifen.
Daraus fließen letzten Endes alle die merkwürdigen Paradoxien, in
denen seine Lehre so oft das Gegenteil aller herkömmlichen Auf-
fassung aussagt, dies ist auch der letzte Grund, weshalb seine Theorie
manchen Neurotikern so viel zu geben hat.
Demgemäß leisten die »zwei Prinzipien« auch nichts zur Er-
klärung der zweiten Tatsachenreihe, die wir als ihre Grundlage auf-
gezeigt hatten, der neurotischen Wirklichkeitsscheu. Es wird ja im
Gegenteil der Versuch gemacht, von ihr aus das normale Verhältnis
zur Eealität zu erklären, die Wirklichkeitsscheu aber wird als Zustand,
der nach möglichster Reizlosigkeit strebt, an den Anfang alles psy-
chischen Geschehens gesetzt. Sowenig nun zu verstehen ist, woher
die Bedürfnisse das »Recht« haben, den psychischen Organismus zur
Aufgabe dieses Anfangszustandes zu veranlassen, ebensowenig ist zu
verstehen, warum die Neurose etwas Pathologisches sein soll. Wenn
die Bedürfnisbefriedigung keine Betätigung des lebendigen Geschehens
selbst ist, sondern nur sekundär durch die »Not« des Lebens der
Urtendenz des Psychischen abgerungen ist, dann hat ja der Neuro-
tiker »recht«, wenn er seine Bedürfnisse weiterhin möglichst hallu-
zinatorisch befriedigen will. (NB. er hat nicht nur so recht, wie
jeder Neurotiker vor den Psychoanalytikern mit seiner Flucht in die
Neurose recht hat, nämlich von seinen persönlichen Komplexen aus,
sondern er hat im höchsten, kosmologischen Sinne recht, viel mehr
als der Normale, der sich an die Not des Lebens verliert.) Ein
intelligenter Neurotiker hätte gegen die Freud sehe Therapie keinen
besseren Einwand als die Freud sehe Theorie, denn auf keine Weise ist
aus den Prinzipien einzusehen, warum er seine Neurose aufgeben und
zur Realität zurückkehren sollte, ist er doch dort bei seiner »Mutter«,
die vor allen Mutterkomplexen war, beim Urzustände des psychischen
Geschehens selbst.
Wir kommen also zu dem Ergebnis, daß die zwei Prinzipien auch
nichts leisten, wenn wir sie ohne allen Gedanken an eine unhaltbare
Psychogonie in Hinblick auf die empirischen Tatsachen betrachten,
die in ihnen verwendet sind. Sie leisten nichts zur Erklärung der
Entwicklung des Sexualtriebes von der autoerotischen zur hetero-