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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0674
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670 Kuno Mittenzwey

sie nun einmal ist, mehr anzuschmiegen, und was wir dabei an
Geschlossenheit eventuell verlieren (wir werden gelegentlich wieder-
holt auf denselben Gegenstand geführt werden), hoffen wir dafür an
Eingängigkeit zu gewinnen.

Noch eins. Wir werden unsere ganze nachfolgende Darstellung
und Diskussion rein psychologisch halten. Wir werden uns weder
auf die »Energiebesetzung« und »Hemmung und Bahnung«, noch
auf den »sexuellen Chemismus«, noch auf die Ähnlichkeiten zwischen
Neurose und Intoxikation im geringsten einlassen. Unser Grund ist,
daß in allen diesen physiologischen Hypothesen und Analogien nicht
der geringste Erkenntnisgewinn enthalten ist. Es ist nicht das
geringste zur Erklärung des Eintritts einer Assoziation oder des
Wirklichkeitscharakter eines Trauminhaltes gesagt, wenn dazu auf
eine »Energieverschiebung« verwiesen wird, es ist nicht das geringste
zur Erklärung des »Vorlustmechanismus« beigebracht, wenn dazu
von einem Prozeß des »sexuellen Chemismus« geredet wird usw.
Alles derartige Abspringen auf ein heterogenes physiologisches oder
chemisches Tatsachengebiet bedeutet nur ein Zurückziehen in ein
asylum ignorantiae, und nur als Signale für das Aufhören der ein-
geschlagenen Erklärungsmöglichkeit sind sie bedeutsam. Gewiß ist
es zulässig und eventuell anregend, von gewissen Erkenntnisgrenzen
aus hinüberzuschauen auf andere Gebiete, wo man auch nichts weiß,
aber derartige Aperçus müßten dann vorgebracht werden als Analogien
zwischen ungelösten Problemen und nicht mit der Geste und in der
Meinung, eine hypothetische Erkenntnis beizubringen, die keine ist1.
Der Leser möge nun nicht etwa besorgen, daß wir alles das,
was wir in der historischen Darstellung besprochen haben, nun noch
einmal in systematischer Aufreihung vorbringen. Es kommt uns

* Wenn jemand, vorwiegend anatomisch-physiologisch eingestellt, im Gegen-
satz hierzu geneigt sein sollte, psychologische Erkenntnisse erst dann recht fixiert
zu glauben, wenn sie in physiologischer Sprache ausgedrückt sind, und speziell
den Freud sehen V-Systemen usw. eine Erkenntnisbedeutung beimessen möchte,
den verweisen hierüber auf die Kritik von Krön FELD. a. a. 0. S. 207 ff., 223 ff.
Kronfeld kommt in die von uns vorhin angedeutete Situation, daß er, eine
deduktive Darstellung gebend, an den prinzipiellen Stellen auf die Rede von der
»Energiebesetzung« usw. stößt, und setzt sich darum mit diesen Dingen ausführ-
lich auseinander. "Wir sind deshalb in der angenehmen Lage, daß wir über alle
diese nichtpsychologischen Fragen auf seine Kritik verweisen können.
 
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