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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 3.1914-1919

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2777#0387
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Vom Tranmbewußtsein. 381

konnte. Sagt man uns, Empfindungen seien »die Elemente des ob-
jektiven Erfahrungsinhaltes« (Wundt) oder »objektive Bewußtseins-
erlebnisse (Lipps) oder »Träger sog. Objektivitätsfunktionen« (Ebbing -
haus), so ist zunächst zu bemerken, daß dergleichen Sätze etwas
völlig anderes meinen, als was sie verlautbaren. »Objektivieren«
heißt »denken«; das Denken aber, wie von niemandem bestritten
wird, bezieht sich nicht bloß auf Bewußtseinstranszendentes,
sondern auch auf Bewußtseinsimmanentes. »Objekt« ist das Ding,
aber auch das denkende Ich und endlich das Denken dieses Ichs.
Was soeben noch Beziehendes war, kann durch den nächsten Denk-
schritt zum Bezogenen werden. Niemand indessen wird behaupten
wollen, daß Empfindungen ein »Element« unseres Begriffes etwa der
»Tugend« seien. Nicht also auf die Verknüpfung des Empfindens
mit dem Objekt zielen die fraglichen Definitionen ab, sondern aus-
schließlich mit dem bewußtseinstranszendenten Objekt, und keines-
wegs das wollen sie zum Ausdruck bringen, daß die Empfindung
uns zum Denken befähige, sondern daß sie es sei, die den Gegen-
stand mit dem Merkmal der Bewußtseins fremdheit bekleide. Würde
man nun aber, dieser Forderung Rechnung tragend, die Empfindung
ein entfremdendes Erleben heißen, so wäre sofort zu entgegnen,
daß sie dadurch nicht determiniert werden könne, weil die Bewußt-
seinsfremdheit ja auch dem Traumbild anhafte, d. h. einer Realität,
die uns begegnet bei völligem Ausschluß der Sinnlichkeit! Will man
indessen den empfindenden Zustand vielmehr dahin bestimmen, daß
nur er uns ermächtige, eine bewußtseinsfremde Wirklichkeit auch
zu denken, so hätte man freilich etwas tatsächlich Richtiges kund-
getan, nur aber eben die Frage offengelassen, auf die eine Antwort
zu finden die einzige Aufgabe der Definition gewesen wäre: zufolge
welcher Beschaffenheit nämlich allein die Empfindung das veran-
lassen könne! Das ist es ja, was wir mit der Frage nach dem Wesen
des Empfindens zu wissen wünschen: wie der Sinnenvorgang unter-
schiedlich müsse beschaffen sein — in Vergleichung z. B. mit dem
Traumvorgang —, damit er uns nötige, nicht sowohl eine Wirklich-
keit zu erleben als vielmehr existierende Dinge zu denken. In-
zwischen wird derjenige nicht einmal das Problem entdecken, ge-
schweige denn dessen Lösung, der das Empfinden mit dem Schauen
verwechselt und sich zum Überfluß dazu verurteilt hat, jenes in eine
 
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