Vom Traumbewaßtsein. 409
Wässern, beim nacktfüßigen Wandeln auf weichem Rasenteppich,
beim Niedersinken des Körpers in ein schwellendes Pfühl, beim
Gleitenlassen der Hand über die glatten Flächen geschliffener Steine,
beim Streicheln schwerer Pelze, eines dichten Gefieders und nicht
zuletzt der menschlichen Körperformen. Man blicke auf das sicher-
lich ganz ungeistige Wohlbehagen, welches kleinste Kinder beim
Krahlen im Sand oder beim Kühren und Formen nasser Erde zeigen,
und man wird an der Empfunden he it des Erlebten nicht länger
zu zweifeln wagen1. — Es hilft nichts, sich gegen die Empfindungs-
qualität zu verschanzen mit dem übrigens durchaus bestreitbaren
Glauben an die Macht sog. Assoziationen oder mit dem freilich un-
bestreitbaren an die seelische Wirkung des Empfundenen, weil die
Möglichkeit der bald schmerzlichen, bald wohligen Steigerung aller
Eindrucksmomente die Annahme einer Mitbeteiligung somatischer
Erregungen an der Erzeugung des Bildes auch für dessen übrigens
unempfundene Daseinsform erforderlich macht. Riefe man auch die
ganze Poesie der Jahreszeiten zu Hilfe, um die anschauernde Ge-
walt z. B. der Blumendüfte zu deuten, so fände man doch für das
Gewebe der Gefühle und Phantasmen keinen Befestigungspunkt ohne
die Voraussetzung, daß in ein steigerbares Wohlempfinden trans-
figuriert worden sei, was wir einigermaßen auszumalen allerdings
nur an der seelischen Stimmung imstande sind, die eB bei unbe-
hinderter Entfaltung aufkommen läßt: der Rosengeruch etwa milde
Fülle, der des Jasmins heiße Betäubung, Lindenblüte Vorgeschmack
der Seligkeit, Veilchen glückversprechende Erinnerung, Flieder
Jugendüberschwang der Schwärmerei, Wald- und Harzgeruch die
Märchenstimmung, Heu die sinnende Versunkenheit, feuchtes Laub
lirkräftiges Sichsammeln. Und dieses alles kann sich steigern bis
1 »Man erinnere eich der Wirkung, die das Wetzen eines Metalletückes
auf Wiesel und Iltisse, die Pfeife auf die Kamele, die Flöte anf den Elefanten,
die Trompete auf Pferde und Hnnde hat, und an die Locktöne der Vögel.«
(Bruno Schindler, Magisches Geistesleben, 8. 66.) Wenn Schindler dergleichen
als Beispiele der Wirkung anf den >magischen Seelenpol« anfuhrt, so hat er in
seinem Sinne recht. Allein er vergißt, daß sie dann jedenfalls vermittelt wäre
durch den somatischen Prozeß des Empfindens, wohingegen ein bloß wahr-
nehmendes Bemerken sicher weder diese Wirkungen hervorbrächte noch etwa
zn erklären vermöchte den überraschenden Effekt des Flötenspiels der »Schlan-
genbeschwörer« anf die Cobra de Capello.
Wässern, beim nacktfüßigen Wandeln auf weichem Rasenteppich,
beim Niedersinken des Körpers in ein schwellendes Pfühl, beim
Gleitenlassen der Hand über die glatten Flächen geschliffener Steine,
beim Streicheln schwerer Pelze, eines dichten Gefieders und nicht
zuletzt der menschlichen Körperformen. Man blicke auf das sicher-
lich ganz ungeistige Wohlbehagen, welches kleinste Kinder beim
Krahlen im Sand oder beim Kühren und Formen nasser Erde zeigen,
und man wird an der Empfunden he it des Erlebten nicht länger
zu zweifeln wagen1. — Es hilft nichts, sich gegen die Empfindungs-
qualität zu verschanzen mit dem übrigens durchaus bestreitbaren
Glauben an die Macht sog. Assoziationen oder mit dem freilich un-
bestreitbaren an die seelische Wirkung des Empfundenen, weil die
Möglichkeit der bald schmerzlichen, bald wohligen Steigerung aller
Eindrucksmomente die Annahme einer Mitbeteiligung somatischer
Erregungen an der Erzeugung des Bildes auch für dessen übrigens
unempfundene Daseinsform erforderlich macht. Riefe man auch die
ganze Poesie der Jahreszeiten zu Hilfe, um die anschauernde Ge-
walt z. B. der Blumendüfte zu deuten, so fände man doch für das
Gewebe der Gefühle und Phantasmen keinen Befestigungspunkt ohne
die Voraussetzung, daß in ein steigerbares Wohlempfinden trans-
figuriert worden sei, was wir einigermaßen auszumalen allerdings
nur an der seelischen Stimmung imstande sind, die eB bei unbe-
hinderter Entfaltung aufkommen läßt: der Rosengeruch etwa milde
Fülle, der des Jasmins heiße Betäubung, Lindenblüte Vorgeschmack
der Seligkeit, Veilchen glückversprechende Erinnerung, Flieder
Jugendüberschwang der Schwärmerei, Wald- und Harzgeruch die
Märchenstimmung, Heu die sinnende Versunkenheit, feuchtes Laub
lirkräftiges Sichsammeln. Und dieses alles kann sich steigern bis
1 »Man erinnere eich der Wirkung, die das Wetzen eines Metalletückes
auf Wiesel und Iltisse, die Pfeife auf die Kamele, die Flöte anf den Elefanten,
die Trompete auf Pferde und Hnnde hat, und an die Locktöne der Vögel.«
(Bruno Schindler, Magisches Geistesleben, 8. 66.) Wenn Schindler dergleichen
als Beispiele der Wirkung anf den >magischen Seelenpol« anfuhrt, so hat er in
seinem Sinne recht. Allein er vergißt, daß sie dann jedenfalls vermittelt wäre
durch den somatischen Prozeß des Empfindens, wohingegen ein bloß wahr-
nehmendes Bemerken sicher weder diese Wirkungen hervorbrächte noch etwa
zn erklären vermöchte den überraschenden Effekt des Flötenspiels der »Schlan-
genbeschwörer« anf die Cobra de Capello.