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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 3.1914-1919

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2777#0500
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494 W. Schwechten

deutlich genug hat zeigen lassen. Es sei nicht verschwiegen, daß
sich in einem, wahrscheinlich der Hebephrenic zugehörigen Falle, wo
es durchaus nicht gelang, exploratorisch die Gründe eines Suizid-
versuches zu ermitteln, auch der Assoziations ver such als ergebnislos
erwies.

Meine Ausruhrangen scheinen mir die Annahme von Markus
widerlegt zu haben, zu der ihn die Ergebnisse der Komplexforschung
eines Falles von paranoider Demenz veranlaßt haben. Markus sieht
einen Unterschied zwischen Hysterie und parnoider Demenz darin,
daß sich der Komplex bei ersterer im Zustande der Verdrängung be-
fände, bei letzterer »offen zutage« läge. Die vorliegende Arbeit
scheint mir für den letzteren Funkt durchaus das Gegenteil zu be-
weisen. Markus selbst sagt bei einer Bea., die er aber doch als
Komplexreaktion auffaßt: »Diese Bea. wird mit einer Leichtigkeit ge-
äußert, daß man fast zweifeln möchte, ob sie eine gefühlsbetonte ge-
nannt werden kann. « Dieser Zweifel dürfte in der Tat das Bichtige
treffen. Markus verwechselt, wie mir scheint, zweierlei: das Er-
löschen des Schamgefühls, besonders für ihre sexuelle Vergangenheit,
bei seiner Patientin, und eine Aufdeckung ihrer Komplexe. Es ist
meines Erachtens eine leider sehr verbreitete, aber durchaus falsche
Vorstellung, alle erotischen und sexuellen Anklänge müßten Kom-
plexe treffen, und andererseits alle Komplexe letzten Endes auf
Sexualvorstellungen zurückgehen. Jedermann weiß, daß z. B. junge
Mädchen bei Worten wie »lieben«, »küssen«, oder Dingen, die irgend-
wie Anstößiges berühren, zu erröten pflegen oder verlegen werden.
Das ist eine Wahrheit, deren Kenntnis man sich auf bequemerem
Wege, als dem der Assoziationsversuche, verschaffen kann. Den
Psychiater aber interessieren nicht solche normalen Phänomene,
sondern eben die von der Norm abweichenden. Die Komplexforschung
hat sich meines Erachtens streng daran zu halten, gerade die sexu-
ellen Erlebnisse nur nach ihrer Gefühlsbetonung zu verwerten, d. h.
ihnen in intensiverer Weise überhaupt nur dann nachzugehen, wenn
ihre besondere Bolle für das psychische Leben des Patienten irgend-
wie deutlich wird. Meiner Meinung nach liegen die wahren Kom-
plexe Schizophrener nicht nur nicht »offen zutage«, sondern sind
ganz unendlich viel schwerer aufzudecken als bei Gesunden oder
Kranken irgendwelcher anderen Art. Die vorgefaßte Meinung, Korn-
 
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