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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 3.1914-1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.2777#0108
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102 A. Heverooh

sein. Auch enthält es die notwendigen Beziehungen zu jenem Ag-
gregat der seelischen Erscheinungen, welches das persönliche Bewußt-
sein, die individuelle Persönlichkeit bildet.

Sind diese Beziehungen beschränkt, so kann sich das Subjekt
ihres pathologischen Charakters bewußt werden, ihnen keinen Glauben
schenken; sind aber diese Beziehungen so stark, daß der Kranke sie
nicht durch seine früheren Erfahrungen zu korrigieren vermag, dann
verfällt er ihnen.

Seglas erwähnt in seiner Erklärung wenigstens mit einem Worte
die Überzeugungskraft der Urteile, die er aber mit Unrecht vom
Urteile selbst ableitet.

Bei jedem Urteil ist es nötig, zwischen seinem objektiven Inhalte
und seiner subjektive^ Seite, das ist der Beziehung zum Subjekte,
die sich in der Sicherheit, Überzeugung und dem Glauben zeigt, zu
unterscheiden.

Es ist nicht wahr, wie Seglas schreibt, daß es nötig ist, daß
wir das Faktum, an das wir glauben, begreifen. Der Glaube ist
nicht bedingt durch das verständnisvolle Auffassen des Inhaltes des
Geglaubten, im Gegenteile, wir glauben oft, was wir mit dem Ver-
stände nicht begreifen können, »Credo, quia absurdum« (Tertullian).

In meiner Studie: »Beitrag zur psychologischen Analyse der Hal-
luzinationen, Wahnvorstellungen und Obszessionen« habe ich darüber
gesagt: »Die Überzeugungskraft qualifiziert uns subjektiv
die Wahrheit zur Wahrheit. Die Bedingung der Wahrheit ist
die Überzeugung, der Glaube«.

Wahr erscheint uns derjenige Ausspruch, welcher nach unserer
Bewertung der Wirklichkeit entspricht, der sich nach unserer
Abschätzung mit der Wirklichkeit deckt. Die Wahrheit ist uns
nicht durch den Inhalt des Gedankens gegeben, sondern der Inhalt
wird von uns als wahr erkannt. Je nach dem Inhalt der Wahrheit
und wer der Richter der Wahrhaftigkeit, der Richtigkeit ist, unter-
scheiden wir eine subjektive und eine objektive Wahrheit.

Subjektiv ist eine Wahrheit, deren Inhalt sich auf mein Subjekt
bezieht, und die ich, das Subjekt, als Wahrheit anerkenne und von
der ich überzeugt bin. Objektiv ist eine Wahrheit, deren Inhalt
sich nicht auf die abschätzenden Subjekte bezieht und die mehrere
andere Subjekte, gegebenen Falls alle Menschen der ganzen Welt
 
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