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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 3.1914-1919

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Drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2777#0353
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Beitrag zur Psychopathologie und Psychologie des Zeitsinns. 347

gewichtigen Ergebnissen der psychischen Analyse auch viele experi-
mentelle Resultate; diese sollen aber später besprochen werden;
hier ist zunächst die Frage aufzuwerfen, ob denn überhaupt der
Aufmerksamkeitsakt als solcher die Grundlage der Zeitgrößenvor-
stellung abgeben kann. Achten wir eine längere Zeit auf ein an-
haltendes Geräusch und vergleichen den psychischen Inhalt in zwei
auseinanderliegenden Momenten dieser Tätigkeit, so ist zunächst
festzustellen, daß der eigentliche Apperzeptionsakt, das Hervorheben
der Geräuschempfindung zu größerer Klarheit und Deutlichkeit und
die Hemmung anderer andrängender Inhalte in beiden Momenten
derselbe ist, daß er sich mit der Dauer des Apperzipierens nicht in
charakteristischer Weise ändert. Es ist daher Dicht ersichtlich, wie
der Vorgang des Apperzipierens allein die Zeitgrößenvorstellung
vermitteln könnte. Wohl aber geht mit jedem Aufmerksamkeitsakt
ein Moment einher, das in der Tat mit der Dauer des Aufmerksam-
keitsaktes in charakteristischer Weise an Intensität zunimmt: Je
länger wir die Aufmerksamkeit anhaltend in einer Richtung gespannt
halten, um so schwerer fällt uns dies, und nach einiger Zeit ist es
uns nicht mehr möglich, die wenigstens vorübergehende Einstellung
der Aufmerksamkeit auf andere andrängende Inhalte zu hemmen.
Die anhaltende und mit der Dauer schwerer fallende Aufmerksam-
keitsspannung wird uns unmittelbar als psychische Arbeitsleistung
bewußt. Dieses Bewußtwerden der psychischen Energie-
entfaltung, das wir früher schon als Tätigkeitsbewußtsein
oder Tätigkeitsgefühl eingehend besprochen haben, ist nun in
der Tat ein Faktor, der sich mit der Dauer der Aufmerk-
samkeitsspannung intensiv ändert und hierdurch in hervor-
ragendem Maße geeignet erscheint, Zeitgrößenvorstellungen zu ver-
mitteln. Und da wir unter den verschiedenen Bedingungen der
Zeitgrößenwahrnehmung keinen anderen allen diesen Bedingungen
gemeinsamen und mit der Dauer der Aufmerksamkeitsspannung sich
m charakteristischer Weise ändernden Faktor finden, so dürfen wir
wohl in ihm die Grundlage der Zeitgrößenwahrnehmung er-
blicken. Wir können dann von einem >psychoenergetischen
remporalzeichen« reden.

Wie schon besprochen, enthalten die Theorien Machs, Schümanns,
&BHARDT8, Külpes im Grunde dieselbe Auffaesung; es wurde nach-
 
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