genommen, daß er auch an seinem alten Platz verharrt habe,
oder vielmehr nach kurzer Verbannung dahin zurückgekehrt
sei1. Erst neuerdings ist die Frage aufgeworfen worden, ob
die Schwartauer Siechenhauskapelle wirklich der ursprüngliche
Aufstellungsort unseres Kunstwerks gewesen sei2.
Das Schwartauer Siechenhaus, eine lübeckische milde
Stiftung zur Verpflegung armer aussätziger Frauen, beherbergte
in jener Zeit höchstens zwölf Kranke. Ob schon damals eine
Kapelle vorhanden war, ist unbekannt, die jetzige stammt erst
aus dem Jahre 1508. Jedenfalls aber ist nicht einzusehen, was
die Mitglieder der vornehmen Zirkelgesellschaft bewogen haben
könnte, dem abgelegenen Asyl jener wenigen Unglücklichen ein
so kostbares Kunstwerk, wie dieser Altar es war, zum Ge-
schenk zu machen. Wahrscheinlichkeitsgründe sprechen von
vornherein dafür, daß es anfänglich als Zierde für einen Altar
der Zirkelbruderschaft selbst in einer der Stadtkirchen bestimmt,
erst später der Kapelle des kleinen Siechenhauses in Schwartau
überwiesen wurde3. Für die Untersuchung, welche der Stadt-
kirchen oder -kapellen für die ursprüngliche Aufstellung in Be-
tracht kommen könnte, ist der Vertrag wichtig, den die Zirkel-
gesellschaft bei ihrer Gründung im Jahre 1379 mit den Fran-
ziskanern des Katharinenklosters um Aufnahme in ihre Bruder-
schaft und Ueberlassung einer Kapelle einging. Bis zur Refor-
1 Bei Gelegenheit der Reparatur der Kapelle i. J. 1839 wurde der
Altarschrein nach dem Amtshause, zwei Jahre später nach dem Gerichts-
hause gebracht. Auf der Diele dort sah ihn Th. Gaedertz, der schon da-
mals, 1886, lebhaft dafür eintrat, daß das «altertümliche Kunstwerk . . .
von seinem profanen Platz entfernt würde und seiner Bestimmung gemäß
wieder als Kirchenbild zur Geltung gelange».
2 R. Struck a. a. 0.
3 R. Struck führt als Parallelbeispiel den Altar der Aegidienkirche
an, jetzt im Museum für Kunst» und Kulturgeschichte zu Lübeck aufge-
stellt, der im Beginne des 18. Jahrh. ebenfalls in eine Siechenhauskapelle,
die zu Gronau unweit des Ratzeburger Sees, weitergegeben wurde.
Die Beispiele solcher Ueberführungen ließen sich leicht vermehren.
Vgl. den Neustädter und Grabower Altar u. a.
p.
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oder vielmehr nach kurzer Verbannung dahin zurückgekehrt
sei1. Erst neuerdings ist die Frage aufgeworfen worden, ob
die Schwartauer Siechenhauskapelle wirklich der ursprüngliche
Aufstellungsort unseres Kunstwerks gewesen sei2.
Das Schwartauer Siechenhaus, eine lübeckische milde
Stiftung zur Verpflegung armer aussätziger Frauen, beherbergte
in jener Zeit höchstens zwölf Kranke. Ob schon damals eine
Kapelle vorhanden war, ist unbekannt, die jetzige stammt erst
aus dem Jahre 1508. Jedenfalls aber ist nicht einzusehen, was
die Mitglieder der vornehmen Zirkelgesellschaft bewogen haben
könnte, dem abgelegenen Asyl jener wenigen Unglücklichen ein
so kostbares Kunstwerk, wie dieser Altar es war, zum Ge-
schenk zu machen. Wahrscheinlichkeitsgründe sprechen von
vornherein dafür, daß es anfänglich als Zierde für einen Altar
der Zirkelbruderschaft selbst in einer der Stadtkirchen bestimmt,
erst später der Kapelle des kleinen Siechenhauses in Schwartau
überwiesen wurde3. Für die Untersuchung, welche der Stadt-
kirchen oder -kapellen für die ursprüngliche Aufstellung in Be-
tracht kommen könnte, ist der Vertrag wichtig, den die Zirkel-
gesellschaft bei ihrer Gründung im Jahre 1379 mit den Fran-
ziskanern des Katharinenklosters um Aufnahme in ihre Bruder-
schaft und Ueberlassung einer Kapelle einging. Bis zur Refor-
1 Bei Gelegenheit der Reparatur der Kapelle i. J. 1839 wurde der
Altarschrein nach dem Amtshause, zwei Jahre später nach dem Gerichts-
hause gebracht. Auf der Diele dort sah ihn Th. Gaedertz, der schon da-
mals, 1886, lebhaft dafür eintrat, daß das «altertümliche Kunstwerk . . .
von seinem profanen Platz entfernt würde und seiner Bestimmung gemäß
wieder als Kirchenbild zur Geltung gelange».
2 R. Struck a. a. 0.
3 R. Struck führt als Parallelbeispiel den Altar der Aegidienkirche
an, jetzt im Museum für Kunst» und Kulturgeschichte zu Lübeck aufge-
stellt, der im Beginne des 18. Jahrh. ebenfalls in eine Siechenhauskapelle,
die zu Gronau unweit des Ratzeburger Sees, weitergegeben wurde.
Die Beispiele solcher Ueberführungen ließen sich leicht vermehren.
Vgl. den Neustädter und Grabower Altar u. a.
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