Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
VI.
DIE NIEDERLÄNDER DES
SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERTS
DAS FIGURENBILD

Zu den vorübergehenden Weisheiten neuerer Kunst*
anschauung gehört die Lehre von der Gleichgültig*
keit des Bildinhalts. Diese Behauptung hat als Abwehr
gegen ein gräßliches Überwuchern fader Literatur in der
nur allzu bürgerlichen Malerei des neunzehnten Jahr#
hunderts ihre Schuldigkeit getan und konnte schon längst
wieder fallen gelassen werden. Denn selbstverständlich
ist der gegenständliche Inhalt des Kunstwerks ganz und
gar nicht gleichgültig, bedeutet vielmehr nicht wenig für
die Gesinnung des Künstlers und wirkt mitbestimmend
auf sein Gestalten. Ein Bildnis und jede Art von Dar#
Stellung tätiger Menschen stellt höhere Anforderungen
an die Einbildungskraft und an das formende Vermögen
als ein Stilleben. Zugleich mit der Aufgabe erheben sich
also auch die geistigen Voraussetzungen für ihre voll*
kommene Lösung. Die Geschichte beweist es uns auf
ihre mannigfaltige Art.Wir wissen, daß es Zeiten gegeben
hat, da alle Kunst symbolhaft feierlich dem Jenseitigen
und Ewigen zugewandt war, während das Alltägliche
nur andeutend in knappen Formeln bezeichnet wurde
und wieder andere Zeiten, die, dem sinnlich greifbaren
Leben verhaftet, auch das Heilige nur aus diesem Leben
heraus zu begreifen und darzustellen vermochten. Eine
solche Zeit war das siebzehnte Jahrhundert, das Jahr*

* 112 *
 
Annotationen