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sein echt bayerischer, derber Soldatenhumor erwarben ihm denn auch schnell eine
große Volkstümlichkeit. Daß sein Minister Montegelas aber immerhin eiir kluger
und einsichtiger Staatsmann war von ganz modern liüeralen Anschauungen, der das
in den Stürmen der Zeit arg geschüttelte Staatsschifflein so glücklich durch alle
Klippen hindurchsteuerte, daß er Bayern bei seinem Abtreten noch einmal so groß
hinterließ, als er es vorgesunden, das war noch ein besonderer Glücksfall. Umso-
mehry als er bald die Macht der Klerisei brach, auch eine Menge sehr nützlicher
Reformen einführte. Daß der König und sein Minister weder bigott noch romantisch
gesinnt waren, sondern durchaus der „Aufklärung" und einem nüchternen Rationa-
lismus huldigten, der sich um Kunst herzlich wenig bekümmerte, und sich damit be-
gnügte, sie wie alles Schöne zu genießen, gerade das verschaffte dieser eine Freiheit
der Bewegung, die sich dem Aufkommen neuer Richtungen außerordentlich günstig
erwies. — Der jetzt in Bayern einziehende völlig neue Geist spiegelt sich daher in
jenem vollständigen Bruch der gesamten Kunst mit der Vergangenheit alsbald wieder,
der uns bei jeder naheren Betrachtung sofort aufsällt.

Zunüchst allerdings wird, entsprechend dem ganzen Charakter der Zeit, die
Nüchternheit, Hürte und Magerkeit der vorherrschende Zug derselben. Nach dem
Rausche des Zopfes war diese kühle Ernüchterung aber ebenso natürlich, als not-
wendig. Der Soldat tritt an die Stelle des Priesters und beherrscht fortan die
Welt, das ist das Erste, was sich in der Kunst widerfpiegelt.

Bis zum Jahre 1810 konnte von größeren künstlerischen Unternehmungen
irgend einer Art allerdings kaum die Rede sein, die Verarmung und Verwüstung
des Landes, seine Ausplündernng durch Frennd und Feind stiegen im Gegenteil auf
eine solche Höhe, daß dieser Zeitraum wohl als die Periode des größten Verfalls
bezeichnet werden muß. Als aber das Kurfürstentum sich notgedrungen mit Napoleon
verband, als fich der Rheinbund bildete, dessen müchtigstes Glied das nunmehr ge-
waltig vergrößerte und zum Königreich erhobene Bayern ward, so machte das wenigstens
eine Menge Bauten notwendig, wie denn drei riesige Kasernen diese erste Periode
bezeichnen, welche freilich mehr die vollständigste Verläugnung der Kunst als irgend
eine Erhebung derselben darthun. Mußten sie doch bei der Armnt der Zeit sogar
zum Teil mit Schindeln gedeckt werden. Der einzige palastartige Bau, der schon
1803 ausgeführt ward, das jetzige Prinz Carl Palais, von Fischer im Palladianischen
Stile gebaut, zeigt in der Roheit seiner Detailaussührung bei sonst edeln und impo-
nierenden Verhältnissen, wie tief das Handwerk bereits herabgekommen war. Der-
selbe Fischer baute dann 1811 das Hoftheater in demselben Stil. Jn den
grandiosen Formen der Fassade spricht sich aber bereits das müchtig gesteigerte
Selbstbewußtsein des Staates aus. Freilich auch die trostlose Jdeenarmut, die von
dem antiken Portikus niemals wegkommen konnte und ihn mit unertrüglicher
Einförmigkeit immer und überall anbrachte. Fischer (geb. in Mannheim 1782,
f 1820 zu München als Oberbaurat und Akademieprofessor), hatte sich erst bei
Verschaffelt Sohn in München gebildet, dann in Wien, wo der Palladianische Stil
ebenso unbeschränkt herrschte, als in Jtalien, das er nachmals besuchte. Da ver-
mochte er denn sich diesen Eindrücken nicht zu entziehen, obwohl er im ganzen ein
talentvoller Mann war, wie seine Privathüuser am Karolinenplatze und der Brienner-,
Karls- und anderen Straßen beweisen, ebenso die Fassade des allgemeinen Kranken-
hauses u. a. m. Neben ihm wirkten O. Herigoyen, der das Jsarthortheater als eine

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