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Arvnprinz Ludwig 1615 1824

Re Erscheimmg des Königs Ludwig ist eine der herzerquickendsten in der
neueren deutschen Geschichte, weil mit ihm doch endlich wieder einmal
ein Mann voll echter Größe, voll Blut, Leben und Leidenschaft, wie ge-
waltiger Thatkraft unter den deutschen Fürsten erscheint neben all den traurigen
Karikaturen, die eine gründlich versnmpfte oder uns und unserem innersten Wesen
völlig fremde Bildung aus so vielen anderen gemacht. —- Weit entfernt eines jener
langweiligen Jdeale zu sein, zu welchen eigennützige Schmeichelei und berechnender
Servilismus die schlechtesten wie die besten Fürsten ganz gleichmäßig herausputzt,
zeigt König Ludwig immer einen so eigenartig ausgeprägten Charakter, wie sie selbst
auf Thronen nnr selten vorkommen. Aber gerade dadurch wird er einem erst lieb,
weil er ein ganzer und voller, ja ein ungewöhnlich wahrer und warmherziger Mensch
ist, dessen Fehler darum aufs engste mit seinen Tugenden zusammenhüngen. Vor
allem mit jener glühenden Lebendigkeit des Temperaments, jener Energie und Leiden-
schaft, die ihn immer und überall seine ganze Persönlichkeit einsetzen, nie halb bei
einer Sache bleiben lassen. Man muß ihn mit seinen fürstlichen Zeitgenossen ver-
gleichen, um seinen Wert erst recht zu erkennen, da überragt er sie turmhoch vor
allem mit seiner gesunden deutschen Empfindung, von der die meisten von ihnen
auch keine Ahnung hatten. Daß er als eine mehr vom Gemüt und besonders der
Phantasie als vom kalten Verstande beherrschte Natur dennoch mit einer geradezu
bewunderungswürdigen Beharrlichkeit die einmal erfaßten Gedanken festhielt, daß er
die Vorsütze, welche er im hellsten Enthusiasmus gesaßt hatte, mit der kältesten Be-
rechnung der Mittel zu verbinden verstand, das war gewiß nicht der kleinste Vorzug
dieser reichbegabten Natur. Wenn er, seiner Regentenpflichten selten vergessend, ja
ein Muster von Arbeitskraft und Lust, doch auch gesund zu genießen wußte, ja
gelegentlich sogar sehr leidenschaftlicher Aufwallungen fühig war, so kann ihn das
uns nur menschlich näher bringen. Nicht minder, daß der Knltus des Schönen, dem
er mit solcher Begeisterung huldigte, sich bei ihm doch mit dem entschiedensten
Herrscherinstinkt verband. Daß er mit der Pflege der Kunst seinem Reich einen
uugeahnten Zuwachs an Macht verschaffen werde, weil sie den natürlichen Anlagen
seines Volkes am meisten entspreche, das hat er früh mit jener Stärke der Jntuition,
die so charakteristisch für ihn ist, empfunden und spüter mit einem Scharfsinn ein-
gesehen, von dem man auf den übrigen deutschen Thronen auch nicht die Spur
wahrnimmt. Nicht minder ist er zu einer Zeit, wo sich diese Kunst ganz vom
nationalen Leben getrennt hatte, der erste, der eine deutliche Empfindung davon
hat, daß sie der höchste Ausdruck desselben sein sollte, obwohl das eine Anschauung
war, für die er selbst bei seinen vornehmsten künstlerischen Werkzeugen, Cornelius

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