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Deutschland, wo schon die Hungerjnhre von 1816 und 1817 die letzten Reste des
Wohlstandes verzehrt hatten, unter dem unvernünstigsten und engherzigsten Znnft- und
Zollsystem die Armut fortwährend noch zu, nmsomehr als jeder der achtunddreißig
Bundesstaaten sich vom anderen aufs eifersüchtigste abschloß und es noch zwanzig
Jahre brauchte, bis der vom genialen List schon 1815 projektierte Zollverein unter
dem wütendsten Widersprnch gerade der liberalen Parteien zu stande kam, die von
Nationalokonomie noch weniger verstanden, als die Regierungen. Ja die Armut
war, dank der totalen Unvernunft dieser Einrichtungen, ums Jahr 1828 aufs höchste
gestiegen und der Bauernstand, der für seine Produkte gar keinen Absatz fand, fast
ruiniert. Es gnb selbst in dem gesegneten Baden hunderte von Dörfern, wo kein
einziger Bürger von der Gant verschont geblieben war. Eine Jndustrie, welche die
Erzeugnisse des Landbaues hätte verbrauchen können, gab es wenigstens in Süd-
deutschland absolut nicht. Die wohlhabenden Klassen, wenn man von solchen über-
haupt reden konnte, verbrauchten nur englische und französische Waaren, die Höfe
natürlich an der Spitze, nachdem in deren Taschen vielfach die Kriegsentschädigung
verschwunden war, welche man zur Hebung des Kredits, zur Verbessernng der elenden
Straßen, zu öffentlichen Banten und zur Belebung der Jndustrie zu verwenden die
Pflicht gehabt hätte. Während in Frankreich gleich nach der Restanration zwanzig
Millionen zu Bestellungen für Künstler und Errichtung von Monumenten und Kunst-
bauten aller Art ausgesetzt wurden, „um der Nation die Qnelle ihres Reichtnms,
ihr Kunstvermögen zu erhalten", warf man in Berlin, wo man doch einen guten
Teil jener Millionen der Kriegsentschädigung bekommen, 600 Thlr. aus, um in Rom
einige Gipsabgüsse für den Unterricht ankaufen zu lasfen. Erst nach des als Narren
verlachten Kronprinzen Lndwig Glyptothekbau verstieg man sich endlich zum Bau
einer — Hauptwache! Selbst wohlwollende und gewissenhafte Regierungen also,
glaubten durch das engherzigste Sparsystem dem Nationalwohlstand aufhelfen zu
können! Freilich das riesigste Anwachsen der Bureaukratie konnte es nicht verhindern,
da man mit gewohnter Pedanterie alles selbst regeln wollte, jeder freien Thätigkeit
und besonders jeder Assoziation mit dem thörichtsten Mißtranen gegenüberstand, ja
selbst die Stiftnng eines unschuldigen Kunstvereins, wie wir gesehen, mit Argwohn
betrachtete. Die Art, wie Deutschland nach 1815 unter dem Metternichschen Ein-
fluß bis zur Julirevolution regiert worden ist, wird darum ein ewiges Denkmal der
kurzsichtigsten Verblendung bleiben.

Wenn diese engherzige Knauserei bei allen wirklich prodnktiven Ausgaben
ebenso sehr im Charakter der durch langes Elend aufs tiefste herabgekommenen
Völker, nls in dem der Regiernngen lag, so erregte das vollkommen umgekehrte
System, das der neue Herrscher nun in Bayern sofort einführte, überall den erbittertsten
Widerspruch. Denn König Lndwig war anßerordentlich sparsam gegen die Personen,
beschnitt aller Welt, die bisher in München von der Verschwendung des Hofes oder
Staates gelebt, die Einnahmen aufs rücksichtsloseste, führte da die strengste Ordnung
ein und gab gleichzeitig der Knnst durch Ausführnng einer heute noch unbegreif-
lichen Menge von lange vorbereiteten monumentalen Unternehmungen einen uner-
meßlichen Aufschwung. Die Möglichkeit dazu fand er aber in der Kargheit, mit der
er die Künstler und seinen eigenen Haushalt nicht weniger behandelre. So ging er
auch da überall mit gutem Beispiel voran, erntete aber, wie alle die, welche über
der Sache die Jnteressen der Personen verletzen, zunächst sehr wenig Dankbarkeit.

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