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Schraudolph hat auch ziemlich viel und mit demselbeu Geschmack und malerischeu
Taleut illustrierh die alle seiue Arbeiten charakterisieren. Um 1883 ward dann der
Künstler zur Leituug der Kunstschule nach Stuttgart berufen.

Unstreitig setzt diese ganze, vorzugsweise an deu Aufgabeu des Natioual-
museums znr Historienmalcrei erzogene Gruppe zum Teil doch hochbefühigter Künstler
durch uichts so sehr in Verwunderung, als daß sie es trotz allen Taleutes so selten
zu cigeutlich durchgedachten und gefühlten Schöpfungen bringt, daß sie vielinehr
sich bei ihren Arbeiten meist nur mit deren dekorativer Wirkuug beruhigt. Lag das
gar oft in der Natur ihrer Aufgabeip so war es doch auch der Fluch des Kaul-
bachschen Klassizismus nicht weniger als der thentralisch leeren Foltzschen Romantik,
die als ein böses Vermächtuis alle Anstrengungen dieser Künstler lühmten. Denn
fast immer handelt es sich ihnen nur nm die Situation, selten um die Charaktere.
Die Verwandtschaft mit dem voransgehenden „jnngen Deutschland" in der Litteratur,
das es bei aller geschickten Mache doch anch nie zu wahrhaft lebendigeip natur-
wüchsigen Figuren brachte, liegt deshalb ebenso auf der Hand, als die des Foltz,
mit den Spindler, Van der Velde u. a.

Die Bessernng konnte daher schließlich nnr von der sich enger an die Natur
uud die Heimat anschließenden Sittenbildmalerei kommeip wie sie Ramberg, Piloth
und Lindenschmit bereits betrieben.

>^s war schon ein charakteristisches Zeichen dieser Epoche, daß sich die unter
der Herrschaft der Cornelianischen Schule streng getrennten Richtungen der Histo-
rien- nnd Sittenbildmalerei, von denen die erstere mit souveräner Verachtung auf
die andere herabsah, nunmehr wieder einander zu nühern anfingen, allerdings
mehr der Not gehorchend, als dem inneren Trieb. Denn noch bestand das klassi-
zistische Vornrteil, daß der Geschichtsmaler den „Stil" der Darstellnng schlecht-
weg der ilalienischen Renaissance, vorab Raffael zu entlehnen habe, wohl gnr
auch der Antike, statt ihn aus der Architektur, die man verzierte, dem Material, ia
dem man arbeitete, und dem Gegenstande, den man darstellte, herzuleiten, ihn über-
dies zum Ansdrnck der eigenen Persönlichkeit zu machen. Der Stil war den Klassi-
zisten vielmehr eine festgestellte Sprnche, an deren ganz vom rhythmischen Gesetz be-
herrschten Bau der Einzelne nichts ündern sollte. Dazu konnte sich natürlich die
realistische Kunst uicht bequemen. Noch viel zuwiderer aber war deu Akademikern
diese realistische Betrachtnng überhaupt, die aus den Wolken des Olymps herab-
steigend, sich statt mit Göttern und Heiligen, oder doch wenigstens Königssöhnen und
fremden Prinzessinnen lediglich mit den Frenden und Leiden des eigenen Volkes
beschäftigte, die statt italienischer Banditen deutsche Zecher, statt der Grazien der
spanischen Treppe Miesbacher und Münchener Riegelhäubchen oder gar die entsetz-
lichsten Dachauerinnen gab. Daß das dentsche Volk jemals Hauptperson sein
konnte, das hatte ja erst das Jahr 48 ermöglicht, welches dessen Eristenzberechtignng
eben erst ein wenig derb nachgewiesen. Solcher Demokratisierung der Kunst setzte
selbst der nationalste aller Klassizisten, Schwind, die entschiedenste Abneigung ent-
gegen, vermochte sich nie mit ihr zu versöhnen. Freilich half das herzlich wenig,
denn gleichzeitig tauchten ja in der Litteratur auch die spezifisch nationalen Dichter,

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