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Wir wären mit Lossow bei der ersten Abteilung der Schule Pilotys an-
gelangt, die, noch in diese Periode fallend, sich nun bald zu einer ganz dominieren-
den Bedeutung im Mnnchener Kunstleben emporschwang. Denn unstreitig lag in
seinen außerordentlichen Verdiensten als Lehrer die Hauptbedeutung dieses Künst-
lers. Er hatte eine Art, die jungen Leute zu den höchsten Anstrengungen an-
zueifern, in der ihm kein anderer Lehrer der Schule jemals gleichgekommen ist;
die Glut und das Pathos seines Wesens machte auf die Schüler, die ihm bald
von allen Seiten, aus allen Lündern zuströmten, umsomehr Eindruck, als er
selber das in ungewöhnlichem Maße konnte, was er andere lehren sollte. — Es
ist denn auch vor und nach ihm nie so streng und gründlich an der Münchener
Akademie studiert worden, als während seiner Lehrthütigkeit als Professor. Denn
sobald er Direktor ward, ließ das sofort nach, da ihn die Repräsentation nun zu
sehr in Anspruch nahm. Überdies hatte er damals den Verstand, keine talentlosen
Menschen als Schüler anzunehmen, und das Glück, eine Anzahl ungewöhnlich hoch-
begabter, junger Lente um sich zu versammeln, von denen mehrere selbst dem Lehrer
an Genialität unstreitig überlegen waren. Daß er seine Schüler in jeder Weise zu
fördern, ihnen ihr Fortkommen zu erleichtern suchte, würde allein schon die Anhäng-
lichkeit erklären, die sie ihm alle bewahrt haben. Die Schule enthielt denn auch
bald eine solche Fülle von Talenten, daß sie sich wenigstens in der zweiten Periode
ziemlich selbständig vom Meister entwickelte. Zunüchst hatte seine mit eiserner Strenge
durchgeführte Art, die Schüler in allem und jedem auf das Studium der Natur
als der einzigen Lehrmeisterin hinzuweisen, die Folge, daß sich ein Stil und'eine
Vortragsweise ausbildeten, die durchaus selbständig und keineswegs so von franzö-
sischen Kunstwerken beeinflußt waren, wie die seinigen. Dabei zeigten sie eine
Strenge der Zeichnung und Modellierung, eine Eleganz der Flächenbehandlung, wie
sie bisher in München noch nicht gesehen worden waren und überaus wohlthütig
von der schlotterigen Zeichnung, bunten und gläsernen, graue Töne nicht kennenden und
darum körperlosen Malart der bisherigen Schule abstachen. Daß diese Modellmalerei
bei den weniger Begabten freilich leicht zum Stillleben, oder doch zur auffallenden Be-
vorzugung des Stofflichen hindrüngte, nahm man erst später wahr. So erregten
denn gleich die ersten Bilder, die aus der Pilotyschen Schule kamen, ein um so
größeres Aufsehen, als sie zufüllig auch sehr talentvollen Künstlern angehörten.
Zunüchst „die Witwe" von Theodor SchüS (geb. 1830 zu Thumlingen bei
Freudenstadt), einem Pfarrersohn, welcher an der Stuttgarter Schule gebildet, diese
1856 mit der Pilotyschen vertauschte. Mit ungewöhnlicher Begabung und Natur-
gefühl ein tief religiöses, ja pietistisch angehauchtes Gemüt verbindend, hat er mit
dieser an sonnigem Spütherbsttage, neben spielenden Kindern vorbei aus dem Kirchhof,
der alle ihre Lieben enthält, heraustretenden alten Frau ein Bild voll der üefsten
Jnnerlichkeit, ohne alle Sentimentalitüt, gegeben. Echt deutsch, wie man es sich nur
denken konnte, war der von hohen Linden umgebene Kirchhof mit gleicher Meister-
schaft geschildert, wie die auf den Grübern spielenden Kinder, oder die alte, verlassene
Frau, die sie wehmütig betrachtet. Schütz ließ diesem Kunstwerk noch eine Reihe
anderer folgen, die, wie der Osterspaziergang der Schuljugend, die Bettler an der
Kirchenthüre, dann das Tischgebet unterm Apfelbaum bei der Ernte, alle das so
arbeitsvolle und mühselige Leben seiner schwäbischen Landsleute in den gesegneten
Thülern am Neckar schildern und sich nicht nur durch ihre treffliche Charakteristik,

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