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Seine Bildnisse erregten jetzt so großes Aufsehen, daß er die Wiener Welt-
ausstellung mit einem Dutzend derselben, darnnter die Kaiser von Dentschland und
Österreich beschicken konnte und von 1872—74 in der Donaustadt festgehalten ward.
Das geschah, obwohl seine repräsentativen Bilder, wie jene beiden Kaiser, seine ge-
ringsten blieben, da hier in den Figuren die Schwäche der Zeichnung regelmäßig
unangenehm hervortritt, nachdem er eigentlich bloß den Kopf vortrefflich malt, schon
die Hünde oft abschenlich vernachlässigt, die Figur gewöhnlich ganz im Helldunkel
verschwinden läßt. Dafür entstanden jetzt eine Reihe historischer Personen, Künstler
und Dichter, wie Richard Wagner, Liszt, Lachner, Piloty, Paul Heyse, Gelehrte
und Staatsmänner, wie Döllinger, Liphart, Helmholtz, Gladstone, endlich Moltke,
wie sie in unserer Zeit nie verstündnisvoller gemalt worden sind. Dem letzteren
folgte im Auftrag der Nationalgalerie endlich 1879 auch Bismarck mit so glücklichem
Gelingen, daß er seither den Fürsten noch sehr oft in allen möglichen Stellungen,
anf der Tribüne, spazierengehend, in der Unterhaltung, lesend, dargestellt hat. Er
ist somit für den großen deutschen Staatsmann ganz das geworden, was Van Dyck
dem Karl I., Hvlbein Heinrich VIII., Kranach dem Lnther, le Brnn Ludwig XIV.
war, hat den eigenen Namen unvergünglich an jenen großen geknüpft.

Offenbar war die derbe, mannhafte, dabei doch kluge nnd geistvolle Persön-
lichkeit des sein eigenes Wesen nie mit hösischer Geschmeidigkeit verlängnenden Alt-
bayers dem Fürsten sympathisch, sonst würde er ihn nicht so lange um sich gelitten
haben, da er seine Bilder meist im Zimmer des Arbeitenden malen mußte, der be-
kanntlich zum eigentlichen Sitzen weder Zeit noch Lnst hat. Lenbachs Bilder sind
darum alle der Natur mehr gestohlen als nachgemacht und wollen auch ans diesem
Gesichtspunkte benrteilt sein. Von der vornehmen Zurückhaltnng der Alten, die,
wie ein Rafsael, den Dargestellten sich immer in einige Entfernnng vom Beschauer
stellen lassen, unterschieden sich die Lenbachschen Bilder nach und nach immer mehr,
da sie uns den Sitzenden im Gegenteil so nahe bringen, wie man das nnr seinen
intimsten Freunden gestattet. —

Man konnte begreiflich nicht der bevorzugte Maler des Fürsten Bismarck
sein, ohne alsbald eine internationale Geltung zu gewinnen, und so drängten sich
denn bald die bedeutenden Münner und Frauen in den prachtvollen Münchener
Ateliers des Malers. Noch mehr war dies der Fall, als derselbe seinen Wohnsitz
wieder sür die Wintermonate nach Rom in den Palazzo Borghese verlegte und dort
alsbald den Papst Leo XIII., die Königin Margherita, Minghetti nnd eine Unzahl
Personen des ewig wechselnden römischen Fremdenpublikums malte. Daß dieses
zerstreute Leben in Rom, wo seine Säle bald zum Stelldichein dieser vergnügungs-
süchtigen vornehmen Gesellschaft wurden, günstig auf des Meisters Produktion ein-
gewirkt hätte, läßt sich kaum sagen: er verlegte darum anch nach einigen Jahren seinen
Schwerpunkt wieder nach Deutschland in der richtigen Empfindung, daß nichts so
sehr verslacht, als dies internationale Virtuosentnm der modernen Zeit, an dem schon
Mengs zu grunde gegangen war, dessen Werken znr Unsterblichkeit eigentlich nichts
so sehr fehlt, als der nationale Boden. So ließ Lenbach jetzt bei häufigen Besuchen
in Berlin noch einige köstliche Bilder des Kaisers voll greiser Majestät, solche des
Grafen Moltke, dessen Nichte er heiratete, dann des Kronprinzen und der Kron-
prinzessin samt ihren Töchtern, Carmen Sylvas u. a. folgen. Bei seiner Art, fast
alle die, welche ihm sitzen, von den verschiedensten Seiten zu versuchen und so ihr

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