Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Max Perl <Berlin> [Editor]
Sammlung Paul Davidsohn, Berlin-Grunewald: Bildnisminiaturen, Gemälde, Porzellane, Manuskripte, Buchmalereien, Bibliothek ; Versteigerung: 27. und 28. November 1924 (Katalog Nr. 92) — Berlin, 1924

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16464#0011
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ie Miniatur gehört in ein Gebiet der Kunst, in dem der
Boden nicht mehr so recht standhält, weil die Grenzen
zwischen Kuriosität und Kunst sich bedenklich ver*
wischen. Aus diesem Grunde wird sie von den Ge-
lehrten gemieden; sie können sich nicht damit abfinden,
daß dem Gefühl eine stärkere Rolle zufallen soll als der
Kritik; von den Sammlern wird sie dagegen gesucht. Jede Miniatur dankt
ihre Entstehung irgend einer Regung der Empfindung, das sei nun Liebe,
Freundschaft, Trauer, Eitelkeit, und von diesem Ursprung her bewahren
sie allesamt einen Reiz von besonderer Intimität, eine Art Herzenswärme,
die ihnen eine Anziehungskraft verleiht, wie sie den Erzeugnissen der großen
Kunst meist ganz fehlt. Vielleicht gehen sie schon seit Jahrzehnten, mög*
licherweise schon seit Jahrhunderten von Hand zu Hand, alles ist längst
vergessen, was mit ihnen zusammenhing: die Namen und die Beziehungen,
aber das persönliche Moment, das ihnen anhaftet, behauptet seinen Zauber
und zieht auch jeden neuen Besitzer wieder in seinen Bann. Dazu tragen
schon die Äußerlichkeiten soviel bei, die netten Fassungen und Rähmchen,
die Schmuckstücke und Dosen, mit denen sie zusammenhängen, aber auch der
Gegenstand selbst, der so viele Rätsel aufzugeben pflegt. Die Sentimentalität
ist in Verruf gekommen, vielleicht nur darum, weil sich jeder als Mitschuldiger
fühlt, und sie ist es, die hier ihre Triumphe feiert. Wer könnte kalten
Herzens und ungerührt das Bildchen einer schönen Frau betrachten, deren
lockende Blicke und lächelnde Lippen immer zu fragen scheinen: Weißt
du noch? Wenn sie doch erzählen könnten! Man kann sich heutzutage
vor neuen Erfindungen gar nicht mehr retten, der Rundfunk brummt und
die Tischplatten plappern; ach, liebe Herren, bringt doch mal die alten
Bilder zum Sprechen!

Paul Davidsohn war ein viel zu feinsinniger Sammler, als daß er an
diesen kleinen Kunstwerken hätte vorbeigehen können. Er hat keinen
Wert darauf gelegt, eine große Zahl von ihnen zusammenzubringen, die
wenigen aber, die er seinen übrigen Kunstschätzen angliederte, mußten in
ihrer Qualität zum Besten gehören. Wie es nicht anders sein kann, fällt
der größte Teil in die Blütezeit der Miniatur, in das achtzehnte Jahrhundert
und die Wende zum neunzehnten, einige besonders interessante Stücke aber,
wir nennen das Selbstporträt der Sofonisba Anguisciola, gehen in die zweite
Hälfte des sechzehnten zurück. Sustermans, Gaspard Netscher, P. Boy,
Petitot repräsentieren würdig und effektvoll das siebzehnte, und das acht*
zehnte ist mit seinen glänzendsten und besten Namen vertreten. Von
Cosway, Füger, Hall, Isabey, Liotard, Saint finden sich Meisterstücke in
ihrer Art, und auch die weniger bekannten wie Chateaubourg, Demiani,
Dubourg, Hoppner, Tielker, die Damen LabillesGuiard, Vigee le Brun
trifft man in schönen und charakteristischen Beispielen. Die Wiener Schule
ist mit besonderer Liebe gepflegt: Füger, Daffinger, Kriehuber, Stubenrauch
offenbaren auf kleinstem Raum die ganze Größe ihrer immer eigenartigen
und so ganz persönlichen Kunst. In dem Berliner Gustav Taubert (1754
bis 1839), in dem Italiener Domenico Bossi (1765—1853) werden viele ganz

J

l*
 
Annotationen