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Max Perl <Berlin> [Editor]
Sammlung Paul Davidsohn, Berlin-Grunewald: Bildnisminiaturen, Gemälde, Porzellane, Manuskripte, Buchmalereien, Bibliothek ; Versteigerung: 27. und 28. November 1924 (Katalog Nr. 92) — Berlin, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.16464#0012
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neue und sehr schätzenswerte Bekanntschaften machen, andere wird es inter-
essieren, den Augsburger Johann Esaias Nilson, den Nürnberger Haller
von Hallerstein auch einmal als Miniaturmaler kennen zu lernen, während
sie den Kunstfreunden gemeiniglich nur als Ornamentzeichner oder Radierer
bekannt zu sein pflegen.

Der Ausführung nach umfaßt die Sammlung wenn nicht alle Techniken,
so doch eine Mehrzahl von ihnen, wie Öl, Wasserfarben, Email und Blei«
stift, sogar von der äußerst seltenen KameenTmitation ist in Louis Bertin
Parent's Königin Hortense ein Prachtstück vorhanden.

Die Miniaturen aus dem Besitze von Davidsohn teilen mit denen anderer
Sammlungen das Schicksal, zum größten Teil zu den „Unbekannten" zu
gehören. Das ist bedauerlich, aber man muß sich damit abfinden. Der
Liebhaber hat sich ja auch längst daran gewöhnt, und für den wirklich
Sachverständigen werden sie durch den Umstand, daß der Künstler und
das dargestellte Objekt nicht bekannt sind, zu einem Prüfstein wahrer
Kennerschaft. Da kann der Scharfsinn auf große und kleine Entdeckungen
ausgehen und für seine Konjekturen nach den stützenden Beweisen suchen.
Die Kunst des Porträtisten wirkt einmal ganz durch sich selbst. Unbestochen
durch mehr oder weniger berühmte Namen ist es allein die Qualität der
Mache, die entscheidet. Abgesehen von den Namen bleibt ja schließlich
im Kostüm noch genug Stoff für ein Interesse, das am Gegenstand haftet.
Man begleitet die Mode durch beinahe drei Jahrhunderte, von der alles
verhüllenden spanischen Tracht bis zum Empire und zum Biedermeier, die
weniger prüde waren und runde Schultern und volle Büste auch dann
zeigten, wenn sie nicht vorhanden waren. Man begleitet Herren und
Damen durch Perücke und Puder bis zur Herrschaft der Natur und be«
obachtet dabei, daß die genießerische Freude an der Schönheit durch die
Hülle, in der sie sich darstellt, gar nicht beeinflußt wird. Das Ideal
wechselt in seiner ästhetischen Gestaltung, der Zweck bleibt aber immer
der gleiche: die Wirkung auf das andere Geschlecht.

Überwiegen auch die Unbekannten in der vorliegenden Kollektion, so
fehlt es doch keineswegs an gut beglaubigten Bildnissen, und unter ihnen
nicht an Berühmtheiten. Dürfen wir den deutschen Kaiser Leopold I.
dazu rechnen? Eine feierliche Persönlichkeit, welche die Gravität ihres
Auftretens auch auf dem Sterbebette nicht einbüßte. Als der Leibarzt
dem Monarchen den Puls fühlen wollte und in der hochgradigen Au£-
regung des Moments unter der schweren gestickten Bettdecke einen falschen
Körperteil erwischte, sagte der Kaiser ernst und würdig: „Hoc est membrum
nostrum Caesareo Augustanum", drehte sich um und verschied. Eine
schöne Schildpattdose mit dem Bilde Katharina II. erinnert daran, daß die
„Semiramis des Nordens", wie sie sich so gern nennen hörte, eine große
Freundin schöner Dosen war und sie sogar auf der Drehbank selbst her-
zustellen verstand. Eine von ihr aus Elfenbein gedrehte Dose mit dem
in Brillanten gefaßten Porträt schickte sie 1769 durch einen besonderen
Gesandten an Voltaire. Sie wußte mit der Reklame Bescheid, die hohe
Fraul Daneben liegt das Bild ihres ersten Liebhabers, des Grafen Stanislaus

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