Metadaten

Max Perl <Berlin> [Editor]
Sammlung Paul Davidsohn, Berlin-Grunewald: Bildnisminiaturen, Gemälde, Porzellane, Manuskripte, Buchmalereien, Bibliothek ; Versteigerung: 27. und 28. November 1924 (Katalog Nr. 92) — Berlin, 1924

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16464#0013
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Poniatowski. Ein schöner Mann, das muß ihm der Neid lassen, er ver<-
dankte ja auch lediglich dieser Eigenschaft die polnische Krone, die ihm
die für viele Freuden dankbare Zarin verschaffte. Stanislaus II. ließ sich
seine alte Freundin Mme. Geoffrin aus Paris nach Warschau kommen, um
sich an dem so lange entbehrten Pariser Salongeschwätz zu erbauen. Als
sie abreiste, schenkte er ihr sein Porträt in Brillantfassung, aber sie gab
die Steine zurück und behielt nur die Miniatur. Stolz will ich den Spanier!
Vielleicht ist es sogar dies Exemplar? Kurfürst Friedrich August II. von
Sachsen (als König von Polen trägt er die Nummer III), Kurfürst Karl
Theodor von der Pfalz u. a. führen uns in das Deutschland des Rokoko,
während der hohe Adel aller Nationen ein beträchtliches Kontingent stellt.
Fürst und Fürstin Orloff, Fürstin Bariatinski, Baron Bieler, Prinzessin
Sayn*Wittgenstein u. a. haben in ihren Bildnissen sehr anmutige Spuren
ihres Daseins hinterlassen, und wahrscheinlich läßt sich gar nicht soviel
Gutes über sie sagen, als hier der Maler mit spitzem Pinsel getan hat.
Die Damen der Empirezeit waren in diesem Sinne ganz besonders dank*
bare Objekte für den Künstler; schönfrisierter Kopf, wundervoller Hals
und Büste versagen ihre Wirkung nie. Kaiserin Josephine von ihrem
Lieblingsmaler Saint, Herzogin Anna Karoline von Braunschweig, Königin
Hortense sind glänzende Beispiele einer zu höchstem Raffinement ent*
wickelten Technik und einer Modeströmung, die in unseren Tagen wieder
an die Oberfläche getreten ist. Der Schwärmerei für die Bühne verdankt
die Miniatur Stubenrauchs ihr Entstehen, die den Wiener Tänzer Laporte
darstellt. Der Maler war Modeschöpfer und hat Jahrzehnte hindurch die
Kostüme der Wiener Bühnen entworfen und sich zugleich als Modezeichner
betätigt. Auch das Bildchen von Mrs. Siddons, von Cosway gemalt, ruft
den vergänglichen Ruhm der Mimen in das Gedächtnis zurück. Die Dame
war um die Jahrhundertwende die gefeiertste Tragödin des englischen
Theaters und völlig ohne Rivalin. Das Medaillon, das ihr Porträt enthält,
zeigt rückwärts unter Kristall eine Locke; hoffen wir, daß sie von ihrem
Haar stammt und nicht nur von einer Perücke.

Die Fassungen der Miniaturen sind in der Mehrzahl noch die Originale,
Anhänger und Medaillons, so wie sie wohl einst verschenkt worden sind
und wie sie lange als bevorzugte Schmuckstücke getragen wurden. Manche
besitzen noch die Straßsteine, durch deren Funkeln sie in der Wirkung so
glücklich verstärkt werden, andere befinden sich in kleinen geschnitzten
Rähmchen; die Dose von Schildpatt ist schon erwähnt. Ein bemerkens*
wertes Stück in jeder Beziehung ist die Brieftasche mit der von Daffinger
herrührenden Miniatur eines schönen jungen Mädchens, mit dem Blumen*
strauß, den die liebenswürdige liebliche Dilettantin gewiß selbst ausführte,
in dem Lederetui, auf dem sich noch die Initialen des Glücklichen befinden,
der sie erhielt — lang, lang ist's her. Das ist ein Biedermeierstück, wie es
ihrer nur wenige gibt. Stammt es am Ende aus der Servante von Onkel
Jason, umwittert von dem Parfüm Jettchen Geberts?

Max von Boehn.

5
 
Annotationen