Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Petersen, Eugen
Kritische Bemerkungen zur ältesten Geschichte der griechischen Kunst — Ploen: Druck von S. W. Hirt, 1871

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.49918#0011
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
11

Die Kunst des Homerischen Zeitalters.
Der Gegensatz der Ansichten von Thiersch und Müller, von denen jener im
Interesse seiner Gesammtanschauung die bei Homer gefundene Kunstthätigkeit möglichst
hoch schätzte, dieser sie zum Handwerk herabdrückte, ist bis heut noch nicht ganz aus-
geglichen. Für unsere Hauptfrage jedoch ist der Gegensatz kaum mehr von Bedeutung,
da z. B. Brunn, dem wir äusser Aelterem namentlich in letzterer Zeit eine an feinen
Bemerkungen reiche Arbeit verdanken: ‘Ueber die Kunst bei Homer’, in den Abhandlungen
der K. bayerischen Akademie der W. I Gl. X! Bd. 111 Abth., trotzdem er zu den günsti-
geren Beurtheilern des damaligen Kunstvermögens gehört, doch ausdrücklich einen Wider-
spruch zwischen dem homerischen Zustande der Kunst und der späteren Entwicklung
leugnet. Der Meinungsunterschied betrifft übrigens jetzt fast nur den berühmten Achilleus-
schild im 18ten Buche der Ilias, indem die einen, wie z. B. Weicker, Zeitschr. für bil-
dende Kunst I S. 553, Clemens, De Homeri clipeo Achilleo, bei dem man die älteren
Behandlungen citiert findet, Brunn a. a. O. und Overbeck, Gesch. d. Gr. PI. I S. 45 ff.,
behaupten, dass wenn auch nicht eben solcher Schild, doch Aehnliches dem Dichter vor-
gelegen habe; andere wie Friederichs, Die Philostratischen Bilder, Exc. IV S. 223 ff'.,
Bursian, Gr. Kunst S. 397 und Schnaase, G. d. b. K. II S. 114 ihn für ein reines
Phantasiegemälde erklären. Vielleicht einigt man sich eher, wenn man garnicht die Frage
stellt, ob dem beschriebenen Schilde Reales entsprochen habe oder nicht. Denn die Antwort
mag so oder so ausfallen, es kommt doch auf dasselbe hinaus. Behaupte ich nämlich die
Realität dieses Schildes mit allen den genannten Bildern, so weiss ich doch von diesen
Bildern selbst nichts weiter als das Was, den Inhalt und zwar diesen nicht aus der
Beschreibung eines Gelehrten, sondern aus der Erzählung eines Dichters, aus
welcher auch die Vertheidiger der Realität ‘die Hauptmomente herauszuschälen’, das heisst
das gegebene Thema zu gestalten, genöthigl sind. Soviel müssen aber auch diejenigen,
welche dem Schilde alle Realität absprechen, zugestehen, dass der Dichter sich den be-
schriebenen oder erzählten Inhalt dargestellt denkt, ich möchte sagen dargestellt wünscht;
müssen auch zugeslehen, dass, wenn bei einem künstlerisch so begabten Volke erst der Wunsch,
ähnliche Dinge dargestellt zu sehn, sich regt, der Versuch sie darzustellen nicht so weit
abliegt. Wie weil er abläge, könnte nur eine genaue Prüfung lehren, in wiefern in dem
gegebenen Inhalt sich schon Sinn für bildliche, nicht blos dichterische Darstellung offenbare.
Was der Dichter auf dem Schilde darstellen lässt, ist ja die Welt in be-
schränkter antiker Anschauung. Die Vorstellung entwickelt sich durchaus dialektisch
in Gegensätzen: Himmel und Erde, Erde und Meer, Sonne und Mond, denen beiden die
andern Gestirne gegenüberstehen. Die Hauptsache ist nun die Erde oder das Leben der
Menschen auf Erden, wieder in Gegensätze zerlegt: Stadt und Land, und zwar dort wieder
Krieg und Friede, jeder an einer besonderen Stadt vorgeführt. Auch jede der beiden
Stadtscenen enthält wieder Gegenbilder: in der friedlichen contrastiert augenfällig die Lust
der Hochzeiten, Gelage und Tänze mit dem Ernste der Gerichtssitzung, wo über Todt-
schlag gerichtet wird. Nicht ganz so deutlich und gleichgewogen ist in dem Kriegsbildc
 
Annotationen