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imstande.1) Den Amor an der Schulter der Göttin werden wir mit Kekule als
älteren Kunstgedanken ansehen, der vielleicht in einem Gemälde zuerst Gestalt
gewann.2)
Blicken wir danach gleich auch auf die andere Venus im Tempel. Wie sehr
sie von der Genetrix abhängt, wurde schon bemerkt. Unterscheidet sie sich von
ihr durch die lässigere Haltung, die ihr im eigenen Hause zuzukommen scheinen
mag, so ist auch darin ein starker Einschlag aus älterer Erfindung leicht nach-
weisbar. Denn unter den angelehnt stehenden Aphroditen ist offenbar besonders
berühmt gewesen ein reizvolles Werk, das nicht lange nach der Mitte des fünften
Jahrhunderts entstanden war,3) wir wissen nicht in welchem Material ursprünglich
geschaffen. Aber wir kennen auch weder das Material der Tempelbilder im Mars-
tempel, noch selbst das der Genetrix des Arkesilaos.4) Dass die Mars-Venusgruppe
aus Erz gewesen, ist möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich.5) Jedesfalls hat jene
vermuthlich attische Statue der Aphrodite, in welcher Reisch die Gartenaphrodite
des Alkamenes erkennen möchte,6) als Vorlage für das Tempelbild im Marstempel
gedient, ohne anders als in freier Weise wiedergegeben zu sein.
Sollte es nun wohl mit den Marsbildern anders gewesen sein? Hier werden
wir uns an das in jeder Hinsicht ältere des Giebels zunächst um Auskunft wenden.
Die Manteltracht ist, soviel ich sehe, hellenistisch, und in Rom war sie besonders
*) Wissowa, a. a. O. S. 49 ff.
2j Hierher gehört auch die Bronzestatuette, die
bei Pompei gefunden ist Notizie degli scavi 1901
S. 406: Venus steht, den linken Arm auf einen Pfeiler
stützend, dieRechte auf die Hüfte. Auf ihrer rechten —
man würde erwarten auf der linken — Schulter sitzt
der Amorino. Man vergleiche auch den Eros in dem
pompejanischen Bilde Helbign. 826 Annali 1866 Taf.
EF 1, der über Aphrodites Schulter weg auf den von
Peitho zur Bestrafung herbeigeführten zweiten Eros
hinweist, einer dem andern Schuld gebend. Ein Bild, das
dem Tizianischen in Villa Borghese „die Erziehung des
Cupido", Burckhardt, Cicerone6 757 h., so nahekommt.
3) Uber dieses vgl. Kekule a. a. O. S. 23 und
neuerdings Amelung, Bonn. Jahrb. Heft 101 S. 153.
Die Berliner Statuette Taf. VI 2 bin ich, des archai-
stischen Götterbildes halber, geneigt, für neuattisch
zu halten.
4) Dass dieses nicht über das Stadium des Thon-
modelles hinausgekommen sei, wie E. Seilers, the
eider Plinys chapters u. s. w. XXXV 155 sogar als
sicher hinstellt, geht weder aus den Worten des
Plinius ab hoc factum Venerein Genetricem in foro
Caesaris et prius quam absolveretur festinatione
dedicandi posilam, noch aus dem Zusammenhange
hervor, noch ist es an und für sich glaublich.
5) Sehr bemerkenswert scheint mir die Ahnlich-
lichkeit eines Bronzekopfes im Britischen Museum
(Arch. Zeitung 1878 Taf. 20 S. 150). Freilich wird
derselbe als ein Werk bester griechischer Kunst
gepriesen, soll in Constantinopel oder gar in Armenien
zutage gekommen sein, und endlich ward von einem
Kenner die Frage laut, ob es nicht ein Apollo sei
(Benndorf, Annali 1880 S. 205, 2). Demgegenüber
ist mir die Venus zweifellos, der römische oder spät-
hellenistische Ursprung wahrscheinlich, die Provenienz-
angabe verdächtig. Jedesfalls weist der Kopf alle
wesentlichen Züge auf, die an der Venus des kartha-
gischen Reliefs zu erkennen sind: die Haltung und
Wendung nach rechts, das breite Gesicht, Löckchen
an Stirn und Schläfen, endlich große Locken am
Hals. Ganz besonders fällt ins Gewicht die mitge-
fundene linke Hand, die ebenfalls einen Gewandzipfel
umschließt, und die offenbar ebenso dicht oberhalb
des Handgelenkes vom Gewand überdeckt war.
6, Jahreshefte I 78.
imstande.1) Den Amor an der Schulter der Göttin werden wir mit Kekule als
älteren Kunstgedanken ansehen, der vielleicht in einem Gemälde zuerst Gestalt
gewann.2)
Blicken wir danach gleich auch auf die andere Venus im Tempel. Wie sehr
sie von der Genetrix abhängt, wurde schon bemerkt. Unterscheidet sie sich von
ihr durch die lässigere Haltung, die ihr im eigenen Hause zuzukommen scheinen
mag, so ist auch darin ein starker Einschlag aus älterer Erfindung leicht nach-
weisbar. Denn unter den angelehnt stehenden Aphroditen ist offenbar besonders
berühmt gewesen ein reizvolles Werk, das nicht lange nach der Mitte des fünften
Jahrhunderts entstanden war,3) wir wissen nicht in welchem Material ursprünglich
geschaffen. Aber wir kennen auch weder das Material der Tempelbilder im Mars-
tempel, noch selbst das der Genetrix des Arkesilaos.4) Dass die Mars-Venusgruppe
aus Erz gewesen, ist möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich.5) Jedesfalls hat jene
vermuthlich attische Statue der Aphrodite, in welcher Reisch die Gartenaphrodite
des Alkamenes erkennen möchte,6) als Vorlage für das Tempelbild im Marstempel
gedient, ohne anders als in freier Weise wiedergegeben zu sein.
Sollte es nun wohl mit den Marsbildern anders gewesen sein? Hier werden
wir uns an das in jeder Hinsicht ältere des Giebels zunächst um Auskunft wenden.
Die Manteltracht ist, soviel ich sehe, hellenistisch, und in Rom war sie besonders
*) Wissowa, a. a. O. S. 49 ff.
2j Hierher gehört auch die Bronzestatuette, die
bei Pompei gefunden ist Notizie degli scavi 1901
S. 406: Venus steht, den linken Arm auf einen Pfeiler
stützend, dieRechte auf die Hüfte. Auf ihrer rechten —
man würde erwarten auf der linken — Schulter sitzt
der Amorino. Man vergleiche auch den Eros in dem
pompejanischen Bilde Helbign. 826 Annali 1866 Taf.
EF 1, der über Aphrodites Schulter weg auf den von
Peitho zur Bestrafung herbeigeführten zweiten Eros
hinweist, einer dem andern Schuld gebend. Ein Bild, das
dem Tizianischen in Villa Borghese „die Erziehung des
Cupido", Burckhardt, Cicerone6 757 h., so nahekommt.
3) Uber dieses vgl. Kekule a. a. O. S. 23 und
neuerdings Amelung, Bonn. Jahrb. Heft 101 S. 153.
Die Berliner Statuette Taf. VI 2 bin ich, des archai-
stischen Götterbildes halber, geneigt, für neuattisch
zu halten.
4) Dass dieses nicht über das Stadium des Thon-
modelles hinausgekommen sei, wie E. Seilers, the
eider Plinys chapters u. s. w. XXXV 155 sogar als
sicher hinstellt, geht weder aus den Worten des
Plinius ab hoc factum Venerein Genetricem in foro
Caesaris et prius quam absolveretur festinatione
dedicandi posilam, noch aus dem Zusammenhange
hervor, noch ist es an und für sich glaublich.
5) Sehr bemerkenswert scheint mir die Ahnlich-
lichkeit eines Bronzekopfes im Britischen Museum
(Arch. Zeitung 1878 Taf. 20 S. 150). Freilich wird
derselbe als ein Werk bester griechischer Kunst
gepriesen, soll in Constantinopel oder gar in Armenien
zutage gekommen sein, und endlich ward von einem
Kenner die Frage laut, ob es nicht ein Apollo sei
(Benndorf, Annali 1880 S. 205, 2). Demgegenüber
ist mir die Venus zweifellos, der römische oder spät-
hellenistische Ursprung wahrscheinlich, die Provenienz-
angabe verdächtig. Jedesfalls weist der Kopf alle
wesentlichen Züge auf, die an der Venus des kartha-
gischen Reliefs zu erkennen sind: die Haltung und
Wendung nach rechts, das breite Gesicht, Löckchen
an Stirn und Schläfen, endlich große Locken am
Hals. Ganz besonders fällt ins Gewicht die mitge-
fundene linke Hand, die ebenfalls einen Gewandzipfel
umschließt, und die offenbar ebenso dicht oberhalb
des Handgelenkes vom Gewand überdeckt war.
6, Jahreshefte I 78.