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Petersen, Eugen
Die Attische Tragödie als Bild- und Bühnenkunst — Bonn: Cohen, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45631#0020
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Pheidias Sophokles

ethische Macht, die in der von Zeus gebornen Athena, in dem von
dieser geschaffenen Ölbaum und der mit diesem gewonnenen Herr-
schaft über Athen siegreich überwältigend hervortritt. Wie im
Panathenäenfestzug ist auch hier beidemal in verschiedener Weise
versucht, im toten Stoff Bewegung nicht nur, sondern eine Ent-
wickelung vor Augen zu stellen. Eine solche fehlte in beiden Zeus-
Giebeln, fehlte eigentlich auch noch den Personen des Aeschylus.
Selbst in dessen vollendetsten Charakteren ist das Ethos gross, aber
noch etwas starr und unbeweglich, eigentlich von Anfang an das-
selbe. Wie anders wird das bei Sophokles, wie rasch wandelt sich,
jedoch aus seinem innersten Wesen heraus, notwendig, Rede und
Tun des Ödipus, des Kreon, des Philoktet, auch Antigones. Nicht
um ein Schönheitsmotiv war es dem Dichter bei der Erkennung
Orests durch Elektra zu tun, sondern um den von innen heraus
drängenden Prozess, die Schwester aus der tiefsten Tiefe ihres Elends,
das wider Willen und Wissen vom Bruder selbst verschärft worden
war, zu unverhofftem Jubel hinaufzuführen. In solchen mit der
Handlung sich entwickelnden Seelengemälden leistet die tragische
Bühnenkunst ihr Höchstes. Eben den lebendigen Fortschritt aus
geringem Keim, der selbst im Worte nicht zuerst Leben gewinnt,
aber in Worten am besten sich ausspricht, vermag die bildende Kunst
nicht wiederzugeben, aber allerdings die Höhepunkte der Entwickelung
ohne Zweifel einheitlicher, harmonischer auszugestalten als auch eine
vollendete Schauspielkunst auf der Basis antiker Bühnenkonvention •
es zu tun vermochte, schon deshalb, weil sie die wirklichen, nicht
die maskierten Heroen darstellen konnte.
Hatte aber Sophokles seinen Personen auf der Bühne ein viel
ausgeprägteres, gerade im Wechsel und Wandel von Stimmung und
Leidenschaft reicheres Innenleben zu geben vermocht — man denke
äusser den Genannten an Aias, Deianeira —, so war doch auch das
nicht das Letzte und Äusserste, was dieser Kunst zu erreichen möglich
war. Wie steht es mit dem Dritten der Reihe, mit Euripides?
Wird nicht überliefert, dass er Maler gewesen, bevor er Dichter
ward? Die Tatsächlichkeit dieser Angabe kann man anzweifeln.
Sie geradezu zu leugnen ist fast so vermessen wie sie unbedingt zu
behaupten. Entsprang die Leugnung, Wilamowitz Einl. 20, einer
unrichtigen Schätzung des Dichters, so wird uns die richtigere
Wertung auch jene Überlieferung besser würdigen lehren. Man
verglich ihn mit Demetrios, mit Zeuxis und Parrhasios, die mo-
numentale Kunst scheint zu versagen. An den Fries des Erech-
theion, die Balustrade beim Niketempel wollte man nicht erinnern?
 
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