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Petri, Grischka; Strindberg, August
Der Bildprozeß bei August Strindberg — Köln: Seltmann & Hein, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.75392#0032
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[Kapitell] Fakten und Prozeßbeteiligte: Frühwerk und Bildkoordinaten

ihm selbst zu tun hat, ohne mit ihm identisch sein zu müssen: Über seine
Stücke schreibt er, sie seien ein »Mosaik [...] aus anderen und meinem Leben,
aber bitte nehmen Sie das nicht als Autobiographie oder Bekenntnisse. Das,
was nicht mit den Fakten übereinstimmt, ist gedichtet, nicht gelogen.«13 Hier
liegt der Grund für die offensichtliche (und doch im hohen Maße nur schein-
bare) stilistische Unabhängigkeit in seinen Bildern (literarisch wie in den bil-
denden Künsten). Es ist mehr als »eigenartig, wie wenig Strindberg sich be-
einflussen ließ«14 - es ist Strindbergs Eigenart »Strindberg sieht sich selbst in
allem«,15 und nur das existiert, worin er sich sieht. So entsteht eine neue Welt.
Sowohl an den Charakter, an die mannigfaltigen Wirkungsfelder wie auch
letztlich an die Biographie Strindbergs überhaupt muß die Untersuchung aus
diesen Gründen wiederholt anknüpfen, um die gefundenen Erkenntnisse an
ihnen rückzuversichern und damit eine Art Stimmigkeitsprobe durchzu-
führen.16

Es wird heutzutage unermeßlich viel gemalt,
fast so viel, wie nicht Klavier gespielt werden dürfte.
— August Strindberg
2. Anfänge und Anlagen
Strindberg schildert in seiner Autobiographie Der Sohn der Magd, wie er im
Februar 1872 zur Malerei fand.17 Er war niedergeschlagen, die Studien in
Uppsala liefen nicht so wie gewünscht, Geld war ein Fremdwort, der schwedi-
sche Winter nahm wieder einmal kein Ende. Seine Malerei als Ausdruck
einer persönlichen Krise ist aber ein Aspekt, der von der Forschung teilweise
etwas voreilig und pauschal als charakteristisch für seinen Bildprozeß angese-
hen wird: »Die Malereien [...] kamen in begrenzten Zeiträumen zustande und
sind immer verknüpft mit Krisen, mit Befürchtungen verrückt zu werden oder
mit Erfahrungen äußerster Einsamkeit.«18 Diese Deutung greift zu kurz, be-
sonders wenn man an die späteren Bilder aus Berlin und Dornach denkt, die
in fröhlicher Boheme und im schwangerschaftlichen Eheglück entstanden.
Sie ist die Folge einer Betrachtungsweise, die die verschiedenen Medien bei
Strindberg zu sehr voneinander isoliert, statt ihre wechselseitigen Potentiale
kreativer Anregung zu beobachten.19 Je nach dem Verständnis von >Krise<
hätte Strindberg dann sein ganzes Leben lang malen müssen!20 Die im Zu-

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