7. Strindberg
warteten. Er sch—t mit einem Wort auf die ganze Welt, nicht zuletzt auf sich selber. [...]
Über seine Schriftstellerei und deren Ziele weiß er nichts, denn seine Dichtung wächst
frei aus seinem Kopf wie Trauben oder Schimmelpilze.3
Hier zeigt Strindberg, wie sehr ihm seine in seinem Wesen wurzelnde
Arbeitsweise bewußt ist, wie er sie einsetzt, und wie er darunter leidet, daß
er sie nicht immer so kontrollieren kann, wie er vielleicht möchte. »Wenn
eine Idee bei ihm entstand, mochte es sich um etwas Großes oder Kleines
handeln, wurde sie sofort in Handlung umgesetzt, rücksichtslos, impulsiv,
ohne daß er daran dachte, wie dieses Vorgehen auf andere wirken könnte.«4
Es scheint etwas in Strindberg stärker zu sein als er selbst. Nach diesem Stär-
keren, in dem seine Identität liegt, bleibt er sein Leben lang auf der Suche,
um »dem in ihm wirkenden Typus Wirklichkeit zu geben«.5 Manchmal »über-
dreht« er vom Kontext des gesellschaftlich Normalen her betrachtet auf dieser
Suche, so bei seiner ersten Scheidung.6 Der Vergleich mit Faust fällt leicht,
und Faust liegt ihm wohl auch noch näher als Goethe.7 Ist Strindberg also
ein »Vollblutneurotiker«?8 Macht ihn das zum Künstler? Macht er sich so zum
Künstler? Wie macht er das? Was stellt er dabei her?
Die letzte Frage läßt sich mit >Bilder< beantworten. Jedenfalls soll es hier
um Bilder gehen. Wenn Strindberg in seiner Bildsprache - literarisch wie
malerisch - persönlich anwesend ist, da sie auf seinen Erfahrungen und Beob-
achtungen gründet,9 können wir etwas über ihn erfahren, wenn wir seine Bil-
der untersuchen, und müssen es auch. Gleichzeitig gilt das auch umgekehrt:
Wir müssen ihn verstehen, um seine Bilder verstehen zu können. In diesem
Näherungsverfahren kommt uns entgegen, daß Strindberg seine Bilder in
einem multilateralen Prozeß verarbeitet hat, auf vielen Gebieten. »Er ist wie
eine Symphonie für viele Instrumente und mit vielen Themata, die hinter-
gründig ineinander verwoben werden.«10
Wenn er nicht schreibt, so malt er, so gut wie er schreibt. Er modelliert auch, spielt rei-
zend die Gitarre, er kann alles, was er anpackt, wäre imstande, auf einer wüsten Insel ein
Paradies zu schaffen, aber auch aus Unbehilflichkeit, Menschenscheu, Furcht vor Spott,
überhaupt Schüchternheit mitten in der Kultur zugrunde zu gehen.11
»In denkbar weitestem Maße hat er die Wirklichkeit seines Lebens zum
Selbst seines Lebens verwandelt«, formuliert es Ludwig Marcuse.12 Kunst
wird demzufolge bei Strindberg zur existentiellen Frage, da sie immer mit
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warteten. Er sch—t mit einem Wort auf die ganze Welt, nicht zuletzt auf sich selber. [...]
Über seine Schriftstellerei und deren Ziele weiß er nichts, denn seine Dichtung wächst
frei aus seinem Kopf wie Trauben oder Schimmelpilze.3
Hier zeigt Strindberg, wie sehr ihm seine in seinem Wesen wurzelnde
Arbeitsweise bewußt ist, wie er sie einsetzt, und wie er darunter leidet, daß
er sie nicht immer so kontrollieren kann, wie er vielleicht möchte. »Wenn
eine Idee bei ihm entstand, mochte es sich um etwas Großes oder Kleines
handeln, wurde sie sofort in Handlung umgesetzt, rücksichtslos, impulsiv,
ohne daß er daran dachte, wie dieses Vorgehen auf andere wirken könnte.«4
Es scheint etwas in Strindberg stärker zu sein als er selbst. Nach diesem Stär-
keren, in dem seine Identität liegt, bleibt er sein Leben lang auf der Suche,
um »dem in ihm wirkenden Typus Wirklichkeit zu geben«.5 Manchmal »über-
dreht« er vom Kontext des gesellschaftlich Normalen her betrachtet auf dieser
Suche, so bei seiner ersten Scheidung.6 Der Vergleich mit Faust fällt leicht,
und Faust liegt ihm wohl auch noch näher als Goethe.7 Ist Strindberg also
ein »Vollblutneurotiker«?8 Macht ihn das zum Künstler? Macht er sich so zum
Künstler? Wie macht er das? Was stellt er dabei her?
Die letzte Frage läßt sich mit >Bilder< beantworten. Jedenfalls soll es hier
um Bilder gehen. Wenn Strindberg in seiner Bildsprache - literarisch wie
malerisch - persönlich anwesend ist, da sie auf seinen Erfahrungen und Beob-
achtungen gründet,9 können wir etwas über ihn erfahren, wenn wir seine Bil-
der untersuchen, und müssen es auch. Gleichzeitig gilt das auch umgekehrt:
Wir müssen ihn verstehen, um seine Bilder verstehen zu können. In diesem
Näherungsverfahren kommt uns entgegen, daß Strindberg seine Bilder in
einem multilateralen Prozeß verarbeitet hat, auf vielen Gebieten. »Er ist wie
eine Symphonie für viele Instrumente und mit vielen Themata, die hinter-
gründig ineinander verwoben werden.«10
Wenn er nicht schreibt, so malt er, so gut wie er schreibt. Er modelliert auch, spielt rei-
zend die Gitarre, er kann alles, was er anpackt, wäre imstande, auf einer wüsten Insel ein
Paradies zu schaffen, aber auch aus Unbehilflichkeit, Menschenscheu, Furcht vor Spott,
überhaupt Schüchternheit mitten in der Kultur zugrunde zu gehen.11
»In denkbar weitestem Maße hat er die Wirklichkeit seines Lebens zum
Selbst seines Lebens verwandelt«, formuliert es Ludwig Marcuse.12 Kunst
wird demzufolge bei Strindberg zur existentiellen Frage, da sie immer mit
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