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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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32

immer wieder und wieder hier auszusprechen. Sie, meine Herren,
haben nach den Kriegserfolgen non 1866 — und an dem heutigen
Tage auf's Neue — dem Ministerium Indemnität ertheilt für ein
Jahre lang fortgeführtes Regiment; ich aber halte fest an dem alten
Satze: „„Gegen den Feind der Freiheit erlischt der Rechtsanspruch
des Volkes nie!"" Das sind die Worte eines ächten Demokraten,
der nun in dem Anschluß eines einzigen Katholiken, der sich als ein
nicht minder wackerer Demokrat dadurch bewiesen hat, einen Ge-
fährten fand. Die Worte Jakoby's wurden unter tiefstem Schweigen
des sonst nicht sehr ruhigen Hauses angehört und es herrschte e^ne
große Sensation im Saale, als dieser starre Republikaner die Red-
nerbühne verließ.
* Heidelberg, 1g. Jan. Gutem Vernehmen nach wird Herr
Bluntschli nicht mehr auf dem nächsten Landtag in der I. Kammer
erscheinen, vielmehr soll Seitens der Krone Herr Geh. Rath Her-
mann, der in kurzem eine persona Zratissivau, in Karlsruhe
geworden ist, als dessen Nachfolger bestimmt sein. Dies berichtet
uns ein zuverlässiger Gewährsmann, indessen wäre es, wie uns
scheint, doch möglich, daß Herr Bluntschli der ersten Kammer er-
halten bliebe und zwar mit Hermann zusammen, dessen Ernennung
so gut wie gewiß sein soll, wann er eifrig sortsährt, wie in den
letzten Tauen, die Offenburgerei abzuwickeln, wie er sie vorher
verwickel: hat; denn Alles löst sich von dieser Seite her in Rück-
zug und Wohlgefallen auf, mit Ausnahme des gemaßregelten
Kiefer, den man gleichgültig um Wege stehen läßt. Menschenopfer
waren bei den Heiden sehr gebräuchlich, um den Zorn der Götter
zu versöhnen. — Wir haben in der letzten Nummer mitgetheilt,
daß die Landesbase von einem Berliner Corrffpondentsn d. h. aus
dem preußischen Preßbüreau die Mittheilung erhielt, die Ausfälle
der Nordd. Allgem. Zeitung seien nicht sowohl darauf berechnet
gewesen, den Grafen Beust zu stürzen, als vielmehr die Stimmung
des preußischen Volkes gegen Oesterreich aufzuregen. Dieselbe
Mittheilung findet sich fast mit denselben Worten als Original-
correspondenz in der durchaus verpreußten Schwäbischen Volks-
zeitung, ein neuer Beweis, wie gut dresfirt die bettelpreußische
Presse ist und wie da Alles aus strammes Commando nach dem
Schnürchen zu gehen pflegt. Eine andere Mittheiiung aus der
nämlichen Berliner Quelle fanden wir gleichfalls m mehreren
Bismärckrschen Organen: es dürfe nichr geduldet werden, daß
Oesterreich durch die Ungarn seine Macht lis an die Mündungen
der Donau ausdehne. Wir müssen gestehen, daß der Zorn uns
fast übermannt hat, als wir diese neue unerhörte Feindseligkeit
gegen Oesterreich lasen. Wie, hat man denn nicht von Preußen
stets das Schlagwort als Parole ausgegeben, Oesterreichs Beruf
liege im Osten, man freue sich jeder Erwerbung, die es dort für
sich zu Stande bringe, sobald es aus Deutschland ausgeschieden
sei? Oesterreich ist jetzt aus Deutschland entfernt, — und Preu-
ßen mißgönnt und verwehrt ihm die Ausdehnung nach Osten!
So unwahr sind alle Berliner Versicherungen! Man will lieber
den Russen, Rumänen und allem möglichen Gesindel die handels-
politische Zukunft Deutschlands nach Südosten preisgeben, als
daß man Oesterreich als den Mittelmann deutschen Handels nach
jener Richtung hin prosperiren ließe.
* Heidelberg, 19. Jan. Die von uns gemeldete Schrift:
„Woher die neue Offenburger Opposition? Und wohin?" bespricht
in sehr gemäßigtem Tone die neuesten Vorgänge im Lande. Sie
geht vor allem von dem Satze aus, daß in der von den Offenbur-
gern angestrebten selbstständigen Partei, die angeblich „ihre Wurzeln
m dem Volksgeiste habe", ein Selbstbekenntniß und eine Selbst-
anklage liegt, nachdem die nämlichen Leute so Lange mit dem
Ministerium durch Dick und Dünn gelaufen sind. Die neue
Partei gesteht damit ein, „daß sie sich bisher geirrt hat." Es ist
dies um so auffallender, als Lamey so rasch nach dem Kriege seine
frühere Politik vergessen und dem neuen Ministerium sich „mit
so übertriebener Dienstfertigkeit" angeschlossen hatte. Darin aber
stimmt die Broschüre den Offenburgern bei, daß ihr Tadel über
die Art und Weise der Neubildung des Ministeriums nach Mathrfis
Tod als „gegen die Grundsätze und den Brauch eines constituüo-
nellen Ministeriums" vollkommen gerechtfertigt sei. Auch den
meisten Anschuldigungen der Offenburger gegen das Ministerium
Jolly schenkt der Verfasser seinen Beifall; so insbesondere was
die Erlassung des provisorischen Gesetzes über das Militärftraf
recht, was die Gesandtschaft in Florenz, was die zahlreichen Pen-
sionirungen in der Armee und die mit ungewöhnlich hohen Be-
soldungen hereingerufenen preußischen Officiere betrifft u. a. m°
Dagegen sei es unbegründet, wenn Herrn Jolly eine Nachahmung
der Richtung des preußischen Cultusministeriums vorgeworfen werde,
indem dieser Minister anerkanntermaßen der katholffchen Kirche
und ihren Bekennern sogar noch eine feindseligere Behandlung
zukommen lasse, als sein Vorgänger Lamey, wenn auch Jolly Höf
Licher, Lamey gröber dabei sich anzulassen pflegte. Andrerseits
stimmt der Verfasser aber wieder mit den Offenburgern überein,
wenn diese die Maßregelung Kiefer's scharf rrrurtheilten, da auch
ihm dieselbe als „übertrieben schroff, hart, ja unwürdig" er-
scheint. —

Sehr richtig ist es, wenn der Verfasser auf S. 13 sagt-
„Ohne in der Hauptsache bekehrt zu sein, sehen die Offenburger
doch ein, daß sie sich in ihrer preußisch deutschen Politik verrechnet
haben, und ganz besonders, daß sie die künstlich gemachte Popu-
larität selbst bei dem Theile deZ Volkes, der es früher mit ihnen
hielt, immer mehr verlieren. Was sie aber gegen den Minister
Jolly selbst mit Recht sagen, das verliert wieder an Nachdruck,
weil es so spät erst hintennach kommt. Wenn man liest, wie in
der Offenburger Flugschrift und von Rednern der letzten Offen-
burger Versammlung am 27. Dec. v. I. nun von den übertrie-
benen Geldbewilligungen, von dem übertriebenen Berliner Ge-
schmack, der in Karlsruhe herrsche u. dergl. gesprochen wird, so
muß Jedermann sofort einfallen, daß dieselben Leute unserm
wackern Abg. Lindau, als er vor nicht langer Zeit in der
Kammer ungefähr dasselbe sagte, mit unparlamentarischer Imper-
tinenz begegneten. Schon darin liegt eine harte Strafe für sie.
Nur Charakterschwäche oder Mangel an Voraussicht konnte sie so
lange auf der Seite des Ministers Jolly, als dessen unbedingte
Anhänger, halten. Nicht minder liegt darin eine gewisse Halb-
heit, daß die Offenburger sich mit solchem Eclat von dem Mini-
ster Jolly lossagen, und doch auch wieder versichern, daß sie keine
Opposition gegen ihn machen wollen."
Andrerseits aber wird durch die Anklagen der Offenburger
zugleich ein Bild von Herrn Jolly entworfen, das nichts weniger
als schmeichelhaft für diesen ist und seine Härte auch den eigenen
Leuten gegenüber bloslegr, welche die Katholiken schon so oft zu
beklagen hatten.
Zum Schluffe beleuchtet die Broschüre die einzelnen Punkte
oes Programms, dessen Licht- und Schattenseiten hervorgehoben
werden, und schließt über die beabsichtigte Parteiorganisation der
Offenburger mit den Worten: „Durch diese Vermehrung an
Mannschaft und erhöhte Besteuerung spielt also die Offenburger
Partei in unserem Baden die ähnliche Rolle wie Preußen in
Europa: sie nöthigt alle anderen Parteien gleichfalls zur Ver-
mehrung ihrer Mannschaft und zur Steuererhöhung, zu einem
fortwährenden Kriegsstande, gerade wie in Preußen."
So sehr wir nun auch in den meisten Punkten mit den An-
schauungen des Herrn Verfassers einverstanden sind, so glauben wir
doch, daß die Offenburger eine so große Beachtung gar nicht ver-
dienen. Die Opposition dieser Leute hat sich bereits wieder in's
Mausloch verkrochen und die Herren suchen ihr störriges Betragen
auf jede Weise wieder gut zu machen. Ein Sündenbock, den man
erfinden müßte, wenn er nicht schon da wäre, geben die „Ultramon-
tanen" ab, auf welche die ganze Hetze der Offenburger Blätter be-
reits Herrn Jolly hinweist als das gemeinsame Jagdobject, bei dessen
Abschlachtung und Schmause man sich versöhnt und fidel die Hände
reichen könne. Die Constanzer Zeitung aber freut sich heute schon
von Herzen, daß die vorliegende Broschüre überhaupt es noch der
Mühe werth findet, von der Offenburgerei eingehend Notiz zu nehmen.
«*. Leimen, 16. Jan. Am 4. d. M.'s ist die Vereinigung
der bisherigen Confessionsschule in eine gemischte Schule dahier
vollzogen worden. Schon am Sylvesterabend fand eine Vorfeier
statt, indem man dem derzeitigen Bürgermeister, dem man (nebst
einigen Andern) den Segen der Mischschule verdankt, einen Fackel-
zug mit Ständchen brachte.
Am Tage der Eröffnung wurden Bretzeln an die Schuljugend
vertheilt, die Kinder weigerten sich jedoch dieselben anzunehmen;
andre nahmen sie an und brachten sie wieder zurück, noch andere
warfen sie vor dem Schulhause weg. Man hat auswärts keinen
Begriff von der Aufregung, die hier allerwärts herrschte, und zur
Stunde sind die Gemüther noch sehr erbittert. Fast sämmtliche
kathol. Kinder besuchen die Schule zu St. Ilgen, und nicht wenige
Protestanten weigern sich, ihre Kinder in eine Schule zu schicken,
wo die Religion auf die Seite geschoben ist.
Es ist nur zu wünschen, daß diese Opposition nachhaltig
bleibt und nicht erkaltet. Es circulirt gegenwärtig in der prote-
stantischen Gemeinde eine Eingabe an die Behörden um Wieder-
herstellung der Confessionsschulen, und soll dieselbe schon mit zahl-
reichen Unterschriften bedeckt sein; allein von den Behörden läßt
sich keine Abhilfe erwarten. Wurden doch zwei Einsprachen, die
katholischer Seits gleich nach der Abstimmung erhoben wurden u.
die Ungültigkeitserklärung der letzteren als ungesetzlich vorgenommen
beantragten, abgewiesen.
So hat uns die Volksschule nicht den Frieden, wie es seiner
Zeit den Leuten vordemonstrirt worden ist, wohl aber Unfrieden
und Zwietracht in die Herzen, die Häuser, in die Familien wie
in die ganze Gemeinde gebracht.
Philippsburg, 17. Jan. Der Bad. Ldztg. meldet ein
Correspondent von hier, daß der Pfrv. am Dreikönigstage gegen
oen „Hinkenden" fürchterlich gedonnert und sogar Diejenigen mit
Excommunication bedroht habe, die seiner Mahnung entgegenhan-
deln würden. Wahr ist es, daß vor Anschaffung des „Hinkenden"
gewarnt wurde, unwahr aber, daß er gesagt haben solle: „Wer s
nicht lhue, werde excommunicirt." Jeder nur einigermaßen unter-
richtete Katholck weiß, oaß em einfacher Priester tue Excommunr-
c^rwn rmvec anmohen nach verhängen kann.
 
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