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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Ferner meldet man der Mord base aus Huttenheim, daß
der dortige Pfrv., weil ihm in der Neujahrsnacht eine Kugel
durch's Fenster geschossen wurde, am Tage aus der Kanzel gesagt
habe, das bringe der Geist des Fortschrittes; dieser Geist erzeuge
Mordbrenner, Gottesschänder rc. Dagegen wehrt sich die Mord-
dase gewaltig und versichert, die Fortschrittler seien die Ersten,
welche" solche Frevelthaten verabscheuen. Ei, ei! Mordbass! Wie
klingt das zu den Worten: „Schlagt ihn todt den Hund, er ist
ein Jesuit!" (Ja, und zu dem Mannheimer Scandal vom 23.
Febr., der von der Base als „männliche That" begrüßt wurde?
Die Redaction.)
C) Tauberbischofsheim, 16. Jan. Im Pfälzer Boten war
in ein paar Zeilen der Blatterkrankheit in Bischofsheim Erwähnung
gethan. Wir kommen hierauf zurück, um der barmherzigen Schwe-
stern zu gedenken, und ihnen zu zeigen, daß wenn die „Tauber"
auch ihren Verdiensten noch kein anerkennendes Wort gesprochen
hat, es dennoch Leute in Bischofsheim gibt, die von Achtung erfüllt
sind für ihr segensreiches Wirken. Denken wir uns bis 50 Blat-
ternkranke'im Spitals, dazu die gewöhnliche Anzahl Pfründner
und diese Personen alle der Sorge von nur drei Schwestern über-
wiesen, denen Kost und Pflege obliegt, die bei Tag und Nacht die
zahlreichen Kranken unermüdlich besuchen und deren Wünschen
Nachkommen, von denen oft manche nicht aus Schonung derselben
berechnet sind. Schon längere Zeit ist Mangel an Betten und Bett-
stätten im Spital. Die Schwestern haben die ihrigen abgetreten
und schlafen auf dem Boden. Seitdem der hiesige Amtschirurg
durch die vielen Ausräucherungen schwer erkrankt ist, haben die
Schwestern auch dieses Geschäft übernommen. Erwägen wir noch
die eckelhafte Art der Krankhett, ferner, daß die Schwestern bei den
Todesfällen den Todten ankleiden und in den Sarg legen mußten,
ja sogar für den Schreiner das Maaß zum Sarge nehmen mußten,
so werden wir uns, wir mögen politisch gesinnt sein wie wir wol-
len, nicht genug wundern können, daß die „Tauber" noch nicht ein
einziges Wort der Anerkennung den Schwestern brachte. Allerdings,
wenn man gerade so sehr mit der höheren Politik beschäftigt
ist und man gegenwärtig so viel schwadroniren muß für die „männ-
liche Thal" aus dem Lindenberg, kann ein solches Blatt den Ge-
fühlen der Rechtlichkeit und Billigkeit keinen Ausdruck geben, wenn
rs vielleicht je solche Gefühle kannte.
X Bruchsal, 17. Jan. Der Kraichgaubote meldet in Nr.
7 vom 16. d. M., daß seit Neujahr in Rastatt ein Anzeiger für
Stadt und Land erscheine, von ultramontaner Richtung, die „aus-
nahmsweise bis jetzt eine anständige" sei. Nun, der Amtsver-
kündiger ist doch in der Lage, ein günstiges Urtheil über diesen
neuen, angeblich ultramontanen Anzeiger zu fällen. Wenn da-
gegen wir über die vielen nicht ultramontanen Anzeiger und
Amtsverkündiger rc. bezüglich des Anstandes ein Gutachten geben
sollten, so wüßten wir nicht einmal einen zu nennen, dessen Rich-
tung auch nur ausnahmsweise eine anständige genannt werden
könnte. Freilich meint der Kraichgaubote mit seiner verzwickten
Intelligenz, er sei ganz im Fahrwasser einer anständigen Richtung,
— Schade, daß wir uns schon so oft veranlaßt sahen, ihn besonders
auf seine confessionellen Unarten aufmerksam zu machen.
Der Herausgeber des Kraichgauboten ist Protestant und druckt
seine Waare in einer überwiegend katholischen Stadt. Nun kön-
nen wir ihn aber versichern, daß ein Katholik schon längst hätte
Reißaus nehmen müssen, der in einer überwiegend protestantischen
Stadt dasjenige Maas von Unziemlichkeiten gegen Protestanten
sich erlaubt hätte, wie der von protestantischen Federn bediente
Kraichgauer gegen Katholiken. Das möge der Amtsverkündiger
sich merken, an dem wir nicht einmal eine ausnahmweise anstän
dige Richtung seit fünf Jahren haben wahrnehmen können. Von
dessen größeren und kleineren Kameraden wollen wir schweigen,
sie ähneln alle einander in der Ungeschliffenheit aegen die Katho-
liken.
X Bruchsal, 18. Jan. Der Kraichgaubote bringt in Nr.
7 vom 16. d. M.'s den Plan, wie die liberale, das heißt die
bettelpreußische Partei sich über das badische Land zu entfalten
gedenkt, um ihrem „Ziel" nahe zu rücken. Die Sache nimmt sich
auf dem Papier gar nicht übel aus; es frägt sich nur, wer an-
beißen wird, um die beliebten Bezirks- und Ortsvereine zu grün-
den, von wo aus der nationalvereinliche Segen über Badens
Fluren sich ergießen soll. Werden die Herrn Amtmänner, Bürger-
meister, Bezirksrälhe, Professoren, Rechnungs - und andere Räche,
Preßhusaren und Consorten auf die ausgestellte Leimruthe sitzen?
Wir wollen sehen, aber fraglich bleibt es jedenfalls, so lange
Jolly im Sattel fest sitzt. Und dann ist es eine starke Zumuthung,
daß das badische Volk denjenigen Leithämmeln sich neuerdings an-
fchließe, die den geldfressenben Wirrwar im Lande geschaffen haben,
an welchen Badens Wohlstand sich verblutet. Das Vertrauen ist
gewichen und wird nicht so leicht zurückerobert werden können,
weck das Volk ganz richtig von der Professoren- und Advocaten-
wruhschaf! nichts wissen will. Und was ist eigentlich die ganze
Offenburgerei anders?
Der Kiaiwgaubote bemerkt am Schlüsse seines Artikels, daß
„noch zimckmaßlgrr Turchsüh.ung des Offenburger Plans die Ultra-

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montanen nicht mehr in dieser Beziehung im Vortheil sein wer-
den." Daß doch die bösen Ultramontanen den liberalen Herrn
so schwer im Magen liegen! Sorgt nur nicht für die Ultramon-
tanen, sie lassen sich nicht einschüchtern und sind deßwegen schon
im Vortheil, weil sie redlich zu Werk gehen, während von Offen-
burg aus handgreiflicher Schwindel getrieben wird, der vorerst
uur die Gimpel ködern kann.
München, 16. Jan. Als der Volksbot' gleich Anfangs nach-
wies, daß die Salzsteuer, welche uns Preußen aufnöthigte, nur da-
rauf berechnet sei, Bayern über den Löffel zu barbieren und aus
dem Säckel der bayerischen Steuerpflichtigen — d. h. des gesamm-
ten Volks, das seine Suppe doch salzen muß — Geld für die
preußischen, resp. norddeutschen Militärbedürfnisse herauszuschlagen,
da gab's ein gewaltiges Halloh von Seite unserer Officiösen und
der fortschrittlichen Bettelpreußen, und selbst die ausführlichen Dar-
legungen des wackern Württembergers Moritz Mohl wurden le-
diglich verhöhnt. Und — nun? Jetzt reden Zahlen, welche keine
osficiöse Feder mehr wegleugnen kann. Nach dem officiellen preu-
ßischen „Staatsanzeiger" haben die Einnahmen des Zollvereins aus
der Salzsteuer in den ersten drei Quartalen von 1868 6,985,549
Thaler betragen. Hiervon haben Preußen und seine norddeutschen
Bundesstaaten gesteuert 5,108,061 Thaler, Bayern dagegen
1,136,677 Thaler, Württemberg 334,326 Thaler, Baden 243,089
Thaler, Hessen 163,396 Thaler. Das sind die Einnahmen. Wie
steht's aber nun mit deren Vertheilung? Preußen und seine Bun-
desgenossen haben erhalten 5,313,947 Thlr., also 20s,886 Tblr.
mehr, als sie Zur Gesammtsumme gesteuert hatten, Luxemburg,
welches keine eigene Einnahme nachgewiesen, 37,941 Thlr., Bayern
aber blos 893,803 Thlr., Württemberg nur 326,810 Thlr., Baden
nur 226,179 Thlr., und Hessen blos 104,236 Thlr.? Sonach
hat also Bayern von seiner eigenen Salzsteuer um 342,874 Thlr.
weniger erhalten, als seine Steuerpflichtigen, resp. Salrbedürftigen
zu Zahlen gehabt haben, und das ist in den Militärsäckel der
„norddeutschen Brüder" gewandert! Bayern hat also allein am
Salz und in blos drei Vierteljahren über 600,000 Gulden an
Preußen verloren! So wird Bayern von Preußen ausgebeutet,
und wer muß für diese Summe, welche dem bayerischen Staats-
säckel entzogen wird, nun wieder aufkommen als die bayerischen
Steuerpflichtigen? Aber das nennt man in officieller Sprache
„Anlehnen an Preußen" zur Vermeidung „heilloser Vereinzelung"!
Wie weit wird sich Bayern noch „anlebnen" sollen, wenn's so fort
geht? (M. V. B.)
Norddeutscher Bund.
Preußen. Von der preußischen Bank sind nach dem neue-
sten Ausweise 147 Millionen Noten im Umlauf, also siebenmal
mehr als das Deckungskapital (20 Mill.) beträgt. Wenn es da
einmal einen Sturm gäbe, so würde er unabsehbare Folgen haben.
Jedenfalls würde man gut thun, sich preußisches Papiergeld bei
Zeiten vom Halse zu schaffen, denn ein Sturm ist nicht blos mög-
lich, sondern sehr wahrscheinlich und nahe. Das Publikum aber
möge bedenken, daß die Noten der preußischen Bank so viel wie
gar keine Deckung haben und ein Thaler eigentlich nicht mehr als
18 kr. werth ist (13V- Procent). (M. V. B.)
iO e ft e r r e i ch.
Wien, 17. Jan. Das „Telegr. Corr.-Bur." meldet: Korfu,
16. Jan. Aus Athen wird unterm Gestrigen berichtet: Das Re-
gierungsdekret wegen Ausgabe von Papiergeld wurde zurückge-
nommen. Die Athener Naüonalbank und jonische Bank liehen der
Regierung 21 Millionen. Die Kriegsvorbereitungen werden eifrig
fortgesetzt.
Ausland.
Paris, 17. Jan. Die Conferenz hat gestern von 4—6
Uhr Sitzung gehalten und, wie der „Constitutionnel" versichert,
„ihre Arbeiten beendigt bis auf einige Formalitäten, welche eine
nochmalige Zusammenkunft nöthig machen, die wahrscheinlich heute
Abend snach Andern am Montag-Abends stattfinden wird." Das
ist im Grunde alles, was mit einiger Zuverlässigkeit gemeldet wird;
das Uebrige sind mehr oder minder wahrscheinliche Conjecturen.
Die „France" gibt eine solche, indem sie als das vereinbarte Resul-
tat der Verhandlungen Folgendes bezeichnet. „Die Mächte erklären,
die Türkei habe guten Grund, sich über die Bildung van fre.wil-
ligen-Bandm auf dem griechischen Gebiet zu beschweren, da hier-
durch offenbar das Völkerrecht verletzt worden sei. Ungeachtet fei-
ner Lanoesgesetze wäre es für Griechenland Pflicht gewesen, keine
Angriffe auf einen Nachbarstaat sich vorbereilen zu lassen. Wenig-
stens habe ihm die Verpflichtung obgelegen, die Ausrüstung von
Piratenschiffen in seinen Gewässern zu hindern. Griechenland habe
kein Recht gehabt, sich der Rückwanderung derjenigen Cretenser zu
widersetzen, welche in ihr Vaterland heimkehren wollten. In Betreff
dieser drei Punkie gibt also die Conferenz die Berechtigung der
türkischen Reclamationen zu. Der vierte Punkt (Gewaltthätigkei-
ten gegen heimkehrende Emigranten betreffend) biete keinen Anlaß,
um darauf einzugehen, da die Türkei selbst erkläre, er solle vor
dem ordentlichen Gerrchte zum Austtag kommen. Dec fünfte Punkt
(Mahnung zu völkerrechtlich-m Verhalten) fei impücite m den drei
ersten Punkten des Uluwamms enthalt.'!. Dw Tiukei ihrerseits
 
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