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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 102-114 (2. September - 30. September)
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110. Dienstag den 21. September 1869.


Zwanzigste Generalversammlung der katholischen
Vereine Deutschlands.
(Kölnische Volkszeitung.)
(Schluß.)
Düffeldorf, 7. Sept. In der gestern Abend gegen Uhr
beginnenden ersten öffentlichen General-Versammlung eröffnete der
Hr. Weihbischof Dr. Baudri von Köln die Reihe der Redner.
Mit dem alten Christengruße: „Gelobt sei Jesus Christus" be-
ginnend, sprach er es aus, wie er auf so vielen katholischen Ge-
neralversammlungen sich innig erfrrscht und erneut gefunden; das
Andenken an dieselben sei ihm stets ein angenehmes und ermun-
terndes gewesen. So freute es ihn dieser 20. General-Versamm
lung beizuwohnen, welche die dritte sei im Bereiche dieser Erz-
diöcese. Wenn auch über diese General-Versammlungen vom theo-
retischen Standpunkte aus die Meinungen verschieden lauten möch-
ten, io könne doch Niemand über die Erfolge im Zweifel sein,
die Früchte liegen vor Aller Augen; zu den verschiedenen groß-
artigen Werken christlicher Liebe seien die Keime im Boden dieser
Versammlungen zu finden. Entstanden in einer Zeit, wo gewal-
tige Stürme die Völker und Throne erschütterten, seien sie augen-
scheinlich nie ohne Beistand von Oben gewesen und stets von dem
Segen des hl. Vaters begleitet worden, der auch gegenwärtig mit
feines ganzen Herzens Beifall im Geiste den Berathungen beiwohne.
Die Zeit, in welcher die heutige Versammlung tagt, sei noch
immer eine ernste und schwere; es gähre vielfach in der politi-
tischen Welt; auch stehen wichtige Ereignisse auf dem Boden der
Kirche bevor, und zahlreich seien die Gefahren, die von außen
drohen ; Pius IX. steht auf der Warte, wir aber sollten ein gleiches
Gottvertrauen, gleiche Festigkeit zeigen. Zum Schluffe der wieder-
holt von Beifall unterbrochenen Rede ertheitte der Herr Weih-
bischof der knieenden Versammlung den bischöflichen Segen.
Frhr. v. Schorlem er-Alst aus Münster wies darauf hm,
wie die Katholiken heute nicht gegen einzelne Jrrthümer kämpfen;
heute ständen vielmehr Glauben und Unglauben einander gegen-
über. Kirche oder Revolution fei die Frage. Von großer Wich-
tigkeit seien unter diesen Umständen die St. Michaels - Bruder-
schaften zur Einsammlung von Beiträgen für die Erhaltung der
weltlichen Macht des hl. Stuhles. Dieser Verein sei eine mächtige
Bekräftigung der Principien des göttlichen Rechts uno der christ-
lichen Freiheit. Sie haben dazu beigetragen, der Welt zu zeigen
(und die Gegner hätten das in ihrer Presse anerkannt): die kath.
Christenheit will den Papst und will den Papst in Rom, und
der Aufschwung katholischer Begeisterung habe die Gegner so weit
gebracht, daß sie dächten, stoßen wir uns nicht die Schädel ein
am Felfen Petri. Unstreitig sei die mächtigste und wichtigste Waffe
das Gebet; Geld und Soldaten habe der Teufel auch, aber kein
Gebet. Die päpstliche Armee sei die Ehrenwache des Concils; er
wolle nicht sprechen von den Feinden des Concils, nicht von dem
katholischen Minister-Präsidenten des katholischen Bayerns, dem
seine beiden protestantischen Kollegen zu Wien und Stuttgart ge-
nugsam heimgeleuchtet hätten. Die päpstliche Armee sei wirklich
eine Glaubens-Armee, er könne das aus der eigenen Anschauung
constatiren; er habe den Zustand der päpstlichen Armee genau
untersucht und dürfe sagen, daß er nicht ganz ohne Urtheil sei,
da er zehn Jahre lang selbst Offizier gewesen. Auch fei jetzt die
päpstliche Armee gut organisirt, und in der Mehrzahl bestehe sie
wahrhaft aus christlichen Streitern; man sehe sie häufig inbrünstig
flehend am Fuße der Altäre. Allerdings seien viele Desertionen
vorgekommen, namentlich unter den Deutschen. Aber in der ersten
Eile habe man nicht so sorgfältig zugefehen; jetzt werde es besser.
Auch sei es für manches tapfere deutsche Herz leichter, für den
hl. Vater zu kämpfen und zu sterben, als im Frieden zu exerciren.
Die nicht genug zu schätzende Einrichtung des Militär-Castno's in
Rom gewähre der sittlichen Hebung und Erhaltung der Armee
einen festen Stützpunkt; seit Errichtung desselben hätten die Deser-
tionen fast ganz aufgehört, und militärische Vergehen seien auf
die Hälfte gemindert. Auch daß die Deutschen zurückgesetzt wür-
den, sei nicht wahr: das hätten ihm die Avancementslisten gezeigt.
Wahr sei aber^, daß zu wenig Deutschs in der päpstlichen Armee
vorhanden; man solle daher, statt Mißtrauen zu hegen und zu
verbreiten, vielmehr Sorge tragen, daß das deutsche Element sich

vermehre. An der Spitze der päpstlichen Armee stehe ein kern-
deutscher Mann, der Kriegsminister General Kanzler, dem solle man
vertrauen; es sei Ehrensache für Deutschland, recht viele Söhne
zum Schutze des h. Vaters zu entsenden. Die päpstliche Armee sei
ein mächtiges Band zwischen dem Haupte und der ganzen Christen-
heit: Frankreich, Belgien und Holland, die so viele Söhne unter
der Fahne des h. Vaters haben, thäten in demselben Verhältnisse
überhaupt viel für die Sache des h. Vaters; Pius IX. sei uner-
schütterlich in seinem Vertrauen: Xv6 Nuri8 8tsIIu, so grüße er
seinen Stern, dem er mit mehr Sicherheit vertraue als andere
Fürsten ihren Sternen; ihm auch wollen wir vertrauen. Mit
rauschendem Beifall war der Schluß der kräftigen Rede begleitet.
Professor Dr. Sepp aus München, mit Beifall empfangen,
besprach die Ar beiter fache. Nach seiner Ueberzeugung ständen
wir am Vorabende der socialen Revolution. Die Bewegung gehe
von den Industriestädten aus, die bisher für die Träger der Civi-
lisation gegolten. Man spreche dabei so viel von Denen, die verzehr-
ten, ohne zu arbeiten; aber heutzutage arbeite fast Jeder, vom Könige
angefangen. Marschall St. Arnaud habe kurz vor seinem Tode ge-
sagt, der Steinklopfer auf der Chaussee arbeite nicht so schwer wie ein
Marschall von Frankreich. Der Adel arbeite heutzutage an der Spitze
des landwirthschaftlichen Fortschritts und der industriellen Gesellschaf-
ten. Derer, die nicht arbeiten, seien nur sehr Wenige, und diese seien
unwürdige Proletarier; denn in jedem Stande gebe es Proletarier.
Zu keiner Zeit hätten alle Stände so viel arbeiten müssen wie jetzt.
Allerdings sei jeder Arbeiter seines Lohnes werth. Andern Völkern
gegenüber nährten sich aber bei uns die Arbeiter besser als in wärmern
Ländern, auch besser als im Mittelalter oder im Alterthum; auch
wohnten sie besser und feien besser gekleidet im Durchschnitt. Es gäbe
jetzt weniger Krankheiten, weniger Krüppel als sonst, wenn man das
Verhältniß zur Zahl der Bevölkerung nicht aus den Augen lasse. Red-
ner meint, daß Arbeilerunruhen und Arbeitseinstellungen die Lage der
Arbeiter eher verschlechterten als verbesserten. Es fei geboten, auf
stete Verbesserung der Lage der Arbeiter hinzuwirken, nur nicht in
stürmischer Weise, sondern durch ruhiges, ausdauerndes Arbeiten der
christlichen Liebe. Unrecht sei es, wenn die Arbeiter sagen wollten, die
christliche Gesellschaft kümmere sich nicht um sie. Zum Beweise dessen
ging der Redner die zahlreichen christlichen Institutionen durch, welche
dem Wohle der Arbeiter dienen. Er führte aus frühern Jahrhun-
derten große Thaten christlicher Männer des Kaufmannsstandes zu
Gunsten des Arbeiterstandes an, verlor sich aber hierbei mehr in's
Dätail, als es für eine Rede auf einer solchen Versammlung an-
gemessen ist.
Gymnasial-Director Dr. llppenkamp aus Conitz hielt emen
höchst gediegenen Vortrag über die Frage der confessionellen oder
nicht confessionellen Schule. Er stellte den Stand der Frage, wie
sie nach den bisherigen Verhandlungen im Abgeordnetenhaus sich ge-
staltet hat, in lichtvoller Weise dar und wies nach, wie nach der
preußischen Verfassung eine Trennung der Schule von der Kirche
nicht zulässig fei; ebenso seien in Preußen auch Staat und Kirche
verbunden in Beziehung auf die Schule. Nicht minder berück-
sichtigte er die principielle Seite der Frage, ging aber ganz speciell
auf die praktisch-pädagogische Wichtigkeit derselben em, indem er
manche bis dahin in der Oeffentlichkeil nicht berührte Punkte her-
vor hob, welche die Wirksamkeit der nicht confessionellen und zum
Theil auch der Simultanschulen beeinträchtigen.
Religionslehrer Dr. van Endert aus Köln erachtete es hier
in Düsseldorf, an der Stätte der Kunst, für besonders angemessen,
die Frage aufzufassen, ob und welche Förderung die Darstellung
des Schönen in der Kunst den höchsten Interessen der Menschheit
darzubieren habe, und ob die Kunst mit den Fragen, oie wir in
diesen Tagen besprechen, nicht in einer innigen Verbindung stehe.
Der Redner geht zurück auf die nach dreihundertjährigem Schlum-
mer erfolgte Wiedererweckung der christlichen Kunst in dem zwecken
Decenium oes neunzehnten Jahrhunderts und findet ihren Grund
in der nationalen Erhebung gegen die Fremdherrschaft und in der
Sehnsucht nach den Altären, welche die Revolution gestürzt und
der Rationalismus verspottet hatte. Er erkennt eine natürliche
Verkettung zwischen Vaterlandsliebe und christlicher Gottesfurcht,
findet dagegen die Trennung der Cultur vom Cultus eben so un-
natürlich als verwerflich und warnt vor dem falschen Kosmopoli-
tismus, oer alle morattschen Bande löst und nur noch eine Einig-
 
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