Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

DOI Kapitel:
Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0051

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.


Samstag den 30. Januar 1869.


Bestellungen auf den Pfälzer Boten für
die Monate Februar und März können bei allen
gr. Postanstalten und Landpostboten gemacht werden,
lü Gedanken eines Protestanten und zwei
„denkende" Protestirer.
Die Leser des „Pfälzer Boten" werden sich noch erinnern,
wie ihnen jüngst die Broschüre des Hrn. Kreisgerichtsraths Baum-
stark („Gedanken eines Protestanten") als die Arbeit eines ge-
bildeten, offenen und characterfesten Namens auf's Wärmste em-
pfohlen wurde. Dieselbe hat nunmehr unter der „Firma" der
zwei Constanzer Geistlichen (Kaiser und Holdermann) eine Entgeg-
nung gefunden. Zwei muthige Ritter traten in die Schranken.
Was uns schon auf dem Titelblatt wunderte, daß nämlich die
beiden Herrn nur „en eowpsZme" das Füllhorn ihrer Weisheit
auszugießen wagten, hofften wir durch eine um so gelehrtere
Arbeit ausgeglichen zu sehen, Zumal sie sich (S. 9) ihrer dog
matischen Kenntnisse und ihres „competenten Urtheils" rühmen.
Allein bei einem näheren Einblick in das Innere sahen wir uns
doppelt getäuscht. Unwillkürlich fielen uns die biblischen Worte
ein: „Zu große Gelehrsamkeit treibt dich zum Un-
finn" (Ap. Gesch. 26, 24), und als wahren Grund ihres asso-
ciirten Geschäftes konnten wir uns nur den denken, es möchte
jeder von Beiden im Bewußtsein einer schwachen Seite im Andern
feinen Schild und Hort erblickt haben.
Nach diesen vorläufigen Bemerkungen, die nur eine Hypo-
these über die Entstehungsgeschichte der „doppeltgezeugten" Bro-
schüre bilden sollen, wollen wir letzterer etwas näher zu Leibe
rücken. Wenn die beiden Herrn ihrem Gegner unanständiges u.
„würdeloses Benehmen", „maßlose Eitelkeit" und Unkenmmß vor-
werfen, und ihn „als moralischen Abscheu hervorrufend" und den
„sittlichen Takt" verletzend bezeichnen, so darf man wohl mit Recht
von ihnen ein bescheideneres, sittlich-taktvolleres u.
gelehrteres Auftreten erwarten. Wenn aber statt dessen ihre
Arbeit nur verletzende Ausfälle auf einen achtungswerthrn Beam-
ten und die kathol. Kirche enthält, dann sollen sie auch zusehen,
wenn „auf grobe Klötze nicht immer feine Keile kommen." Der
freundliche Leser wird uns somit gestatten, wenn wir Einiges aus
der Schrift näher hervorheben.
Vom sittlichen Takt werden wir vor Allem Wahrheits-
liebe und Toleranz verlangen dürfen. Dem scheint aber
sofort zu widersprechen, was jene Herrn über die Gewissensfreiheit,
als „der herrlichsten Errungenschaft der Reformation" sagen. Hier
fragen wir jeden ehrlichen Menschen: Ist es wahr, daß „die
besten und frömmsten Christen" „mit Feuer und Schwert"
(S. 5) oder „Gesängniß, Absetzung und Scheiterhaufen" (S. 9)
von der kath. Kirche gezüchtigt wurden, und „daß die Reformation
diesem Unglück für alle Zelten ein Ende gemacht hat?" (S. 6)
„Nein", muß ein solcher antworten, „fromme Christen fügten sich
jederzeit gerne der kirchl. Ordnung, und auch der Protest. Name
hat blutige Spuren hinterlassen (Servetus, Gentilis, Sylvan,
Morus rc.), wozu sogar Melanchthon und Beza noch aufgefordert
haben." — Ist es wahr, was jene Geistlichen (!) ihren Lehrern
austischen, daß die kathol. Kirche „gegen jeden geistigen
Fortschritt abgeschlossen sei" (S. 24) und „daß sie die
göttliche Einsetzung aller ihrer Formen nur behaupte, nicht
beweise"? Ist es wahr, „daß die Ehelosigkeit der Priester von
der Herrschsucht der Päpste dictirt wurde und der christlichen Lehre
und der göttlichen Ordnung widerspricht"? (S. 13) Mögen auch
die Herrn Pastoren (S. 15) das Familienleben der prot. Geist
lichen mit noch so idyllischem Pinsel als heilig und gottgefällig ent-
werfen und mit den „vaterländischen (!?) und bürgerlichen Pflich-
ten" übereinstimmend finden, nie lassen die Katholiken ihre Ord-
nung verunglimpfen. — Oder was soll man dazu sagen, wenn
man darauf anspielt, als hätten nicht alle kath. Lehre und Ge-
bräuche den Zweck, (S. 7) „um in gottgefälliger Gesinnung zu
stärken und zu erbauen", und als gellen die kath. Priester nicht
„für irrthums- und sündenfähig" ? (S. 14) Schande ob einer
solchen Verleurndungssucht, die einem achtbaren Manne den Vor-
wmf „eines würdelosen Benehmens" machen will!

Was die Bescheidenheit der beiden Herrn betrifft, so ist
sie nicht so groß, als sie ihnen dem Titelblatt nach angeboren
zu sein scheint, wo sie ganz demuthsvoll ihre Scherflein Zusammen-
legen, Wie einfältig und zugleich widersprechend sieht es nicht
aus, wenn sie (S. 9) sich von „theologischen Erörterun-
gen" fern halten wollen, zugleich aber „wegen ihrer dogmat.
Kenntnisse einen Vorzug vor Baumstark emräumen", der
ihnen ein „competentes Urtheil"*) ermögliche! Doch das
kümmert gelehrte Häupter, die Andern „maßlose Eitelkeit" vor-
werfen, so wenig, als wenn sie in ihrer Anmaßung behaupten
(S. 9), „sicherlich sei man durch die (äußerst verschiedenartige)
Bibelauslegung der freien Forschung zu klareren und richtigeren
Ergebnissen gelangt, als die römische Kirche, weiche die Bibel cms-
lege, wie sie wolle, d. h. wie es in ihr System passe"; oder, als
wenn sie behaupten, die kath. Lehre von der unbefleckten Empfäng-
lich sei (S. 16) „von unergründlicher Nutzlosigkeit und Unfrucht-
barkeit." Am tiefsten aber muß es jedes Anstandsgefühl verletzen,
wenn man liest (S. 25), mit welcher Geringschätzung jene Herrn
„des Anstandes" die päpstliche Einladung zurückweisen: „man
solle sich von solch' finster n Gedanken nicht irre machen lassen",
„die einzige Widerlegung der Einladung bestehe in ihrer Wirkungs-
losigkeit und werde noch mehr bestehen in threr Erfolglosigkeit."
Es ist doch auffallend, daß hier unsere artspruchslosen Herrn Pa-
storen ohne Beweis die Gedanken derer kennen, die Zur Er-
folglosigkeit der päpstl. Einladung beitragen, während sie (S. 19)
von Hrn. Baumstark den Beweis dafür verlangen, daß
er das Denknr der Städtebevölkerung als „i crreligiös" be-
zeichnet! Wir nun meinen, entweder sollten die beiden Kritiker
Andere in Ruhe lassen, oder selber keine so dictatorische Behaup-
tungen aufftellen.
Für ihre Gelehrsamkeit machen die bescheidenen Männer
geltend, daß sie dieselbe „nicht aus ultramontamn Zeitungen" be-
ziehen. Zum Glück hat weder die Kirche noch die bet den Prote-
stanten hochgeschätzte Bibel erklärt , daß alle Nicht-Ultmmontanen
die gelehrtesten Leute seien. Die Nicht-Existenz einer derartigen
Lehre ermöglicht uns nämlich hinsichtlich der beiden Herrn den
Gegenbeweis. So z. B. behaupten sie (S. 12): „nicht die
Reformation, sondern tue spanischen Waffen feien Vie Quelle
des politischen Unglücks für Deutschland." Wir nur fragen:
Wer hat denn die spanischen Waffen nöthig gemacht und nebstdem
noch andere Patrone nach Deutschland gerufen? S. 17 sprechen
sie von einer großen Demuth, die, soviel sie wissen, Luther be-
sessen haben soll. Nun, wir können ihnen nicht zumuthen, daß
sie auch, soviel andere Leute wissen wollen, die Worte Luther's
anführen: „wenn euer Papst sich viel unnütz machen will, mit
dem Worte „sola^, so sagt ihm flugs also: Dr. Luther will's
so haben und spricht: Papst und Esel sind ein Ding",
nebst vielen andern trivialen Ausdrücken über Zwingli, Erasmus,
Carlstadt, Heinrich VIII., rc. gerade in wissenschaftlichen Fragen;
wir können ihnen auch nicht zumuthen, daß sie (S. 17) der Hoch-
achtung Luther's vor dem Vernunftlicht noch beifügen: „die Ver-
nunft ist des Teufels Hure." Denn möglicherweise könnte
man damit von Luther noch etwas Anderes beweisen! Wir
wollen auch aus besonderer Rücksicht auf die Constanzer
Geistlichen über andere Punkte mit unserm Urtheil noch zurück-
halten; denn es könnte Excellenz Jolly in seinem energischen Be-
mühen für eine größere Bildung auch der protestantischen
Geistlichen nur noch bestärken. Allein wir fordern die beiden
Herrn auf, zur Ehrenrettung ihrer Wissenschaftlichkeit
folgende Punkte näber zu erklären oder zu beweisen:
1) Wo ist die Logik in dem Satze: „besteht wirklich unser
Glaube auf der Grundlage des Christenthums, und ist das
Christenthum wirklich von Christus gegründet worden, so
ist damit zugleich zugegeben, das es keine andere Eckenntniß-
quelle für den christlichen Glauben gibt, als die h l. Schrift" ?
(S. 8).
2) Inwiefern hat die „relative Wahrheit" bei dieser Viel-
gestaltigkeit der protestantischen Lehre einen Werth"? Etwa,
insofern der eine an die Gottheit Christi glaubt, und der
andere sie leugnet? (S. II).
* Also „competent" find die Herren, — folglich keine freie Forschung,
sondern Autorität! He wie steht's, Ihr weißen Halsbinden, srügt der Bote?
 
Annotationen