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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 26-37 (2.März - 30. März)
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Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und 8amstag. '


und Lund.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.



Donnerstag den 11. März

1869.

' Sie leben Alle hoch!* *)
(Nach der bekannten Schornsteinfeger-Melodie zu singen.)
Hei, wie ist's in Baden heiter,
Vom Minister bis zum Schneider
Balgen sie sich wacker 'rum,
Aller Welt zum Gaudium.
Litiuw, littum, littum lei,
Littum lei, littum lei,
Littum, littum, littum lei,
Hoch der ganze Hexenbrei!
Denn kaum thut ein Preßlakai
Den bezahlten Freudenschrei:
Daß kein liberal'rer Mann
Diesseits von dem Ocean
Littum u. s. w.
Als Minister Jolly sei, —
Da entstand ein groß Gediwwer,
Lamey hat 'grad seinen Stüwer,
Und der lange Kiefer schreit:
Das wär' doch genug für heut'!
Littum u. s. w.
Hoch die Offenburgerei!
Fuhr dann fort der lange Kiefer:
'S geht bei uns jetzt immer schiefer,
Weil er nicht Minister sei
Nebst Freund Eckhard und Lamey.
Littum u. s. w.
Hoch die Volksvertreters!
Lamey sprach: ich habe schon
Meinen wohlverdienten Lohn,
War's doch kreuzdumm und vorschnell,
Daß ich mar „ministeriell"!
Littum u. s. w.
War doch das 'ne Eselei!
Bin ich doch Zu Nutz und Frommen
Für Jolly zu Schaden kommen,
Und das Schlimmste war am End:
Ich kam nicht in's Parlament.
Littum u. s. w.
Die direkte Wählerei!
Ich will's aber bester machen
Und in Zukunft nicht mehr sagen:
„So neun Schoppen sind nicht viel,
Zahlen ist ja Kinderspiel!"
Littum u. s. w.
Unser Volk hat Geld wie Heu!
) Allen kräftigen Männerstimmen zum Singen bestens empfohlen.

Doch die Offenburgerei
Schon crepirt im eig'nen Ei,
Alles war nur eitel Duntscht,
Weil sie durchaus war verbluntscht.
Littum u. s. w.
Vivat hoch die Blunserei!
Und die Amtsverkünd'gungsblätter
Tobten g'rad wie's Donnerwetter —
Ei sieh dahin kling, kling, kling.
Da kommt auch der Emmerling!
Littum u. s. w.
Vivat die Verkünd'gerei!
Alle thuen sie ihr Bestes,
Zur Verherrlichung des Festes
Steh'n sie auf des Meisters Seit',
Sind doch all' kreuzbrave Lent'!
Littum u. s. w.
Hoch die Biedermännern!
Das ist wahr in jedem Falle:
„Ehrenwertste sind sie alle".
Jeder weiß mit Emmerling,
Westen Lobeslied er sing.
Littum u. s. w.
Ist ja doch die Presse frei!
Allen Streit dann zu vergessen,
Machten sie alsbald Adressen"
Und noch sonst'gen Firlefanz,
Schickten's gen die Stadt Conftanz.
Littum u. s. w.
Vivat die Philisterei!
Denn aus eitlem kleinen Floh
Wurde plötzlich unser Stroh -
meyer zu 'nem Elephant, —
Wer's nicht glaubt, halt' leinen Rand!
Littum u. s. w.
Hoch die Schnicke-Schnackerei!
Und der Bot' in's Fäustchen kichert,
War sein Jolly doch gesichert,
Alles rief: Am besten kann's
Er „diesseits des Oceans"!
Littum u. s. w.
Vivat hoch die Preußerei!

SüvÄeutschlmrd.
* Heidelberg, 8. März. Die Frankfurter Zeitung bringt
einen vortrefflichen zweiten Artikel „Zur Statistik der officiellen Be-
richtigungen", den wir unfern Lesern als eine wahre Seelenspeise
nicht vorenthalten dürfen. Derselbe lautet:
„Aus der Zusammenstellung der in der Periode vom Juli 1866
bis I. Januar 1869 vorgekommenen officiellen Berichtigungen und
Erklärungen ergeben sich folgende Schlußfolgerungen:
Zunächst ist constatirt, daß die Politik des gegenwärtigen badi-
schen Ministeriums den Gegenstand vielfacher Angriffe bildet und
daß solche somit viele Gegner besitzt. Soweit diese Letzteren sich
mcht im eigenen Lande befinden, gruppiren sie sich nm Baden selbst
herum. „Feinde ringsum" kann das Ministerium Jolly von sich
sagen; ob im Interesse und zum Nutzen des Landes wird die Zu-
kunft lehren. Mit Württemberg stehen wir auf einem gereizten, mit
Bayern auf keinem freundlichen, mit Hessen aus gar keinem Fuße.
Ist das national? Von Frankreich wird unsere Staatspolitik mit
Argwohn betrachtet. Das Alles ist der Grund der Angriffe und

die Veranlassung zu ihrer Widerlegung. Im Uebrigen ergibt sich
weiter, daß die Frage der äußeren Politik d. h. die des Anschlusses
an den Norddeutschen Bund neuerdings in den Hintergrund getreten
ist und daß vielmehr eine Art Vereinigung unter den süddeutschen
Staaten (Festungs- und Militärcommission) in Behandlung genom-
men wurde. Mit andern Worten: man träumte von dem Anschlüsse
an den Norddeutschen Bund, obgleich es nicht möglich war, und be-
nützte dieses Schlagwort, um dem Lande eine außerordentliche Mili-
tär- und Steuerlast aufzubürden. Nachdem dieses Resultat erreicht
worden ist, schweigt man von demselben und ist genöthigt, die Un-
möglichkeit des Anschlusses nach der jetzigen Lage der Dinge zuzu-
gestehen. Fürwahr eine hübsche Species der vielgepriesenen Real-
politik ! Das Unmögliche wird angestrebr, das Mögliche vernachlässigt.
Dieser letztere Umstand hat zugleich die Opposition gegen das Mini-
sterium Jolly in den inneren Angelegenheiten wachgerusen. Von
Parteigruppen erscheinen als Gegner desselben die Conservativen
und Föderalisten, die Demokraten, die Clerikaleu und neuerdings
die Offenburger. Wo hat man die Freunde zu suchen? In der
 
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