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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 128-140 (2. November - 30. November)
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und Land.

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Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

^L130.

Samstag den 6. November

1869.

Kammerverhandlungen.
* Karlsruhe, 2. Nov. Zu Beginn der heutigen Sitzung
theilte der Präsident mit, daß die Abgg. Kusel und Roder
wegen Unwohlseins der Kammer nicht anwohnen könnten. Darauf
kommen eine Reihe von Petitionen zur Anzeige, namentlich solche
von Wirthen gegen den Wirtschaftsbetriebs-Entwurf; ferner eine
Adresse der im Laufe des vorigen Monats in Karlsruhe versam-
melten Ortsvorstände von 14 Städten in Betreff der Reform der
Gemeindeverfassung.
Lindau beantragt den Truck dieser Adresse, wird jedoch vom
Präsidenten dahin beschieden, daß es genügend sei, dieselbe im
Secretariat zur Einsicht der Mitglieder aufzulegen.
Es erfolgt darauf die Vorlage des Handesministeriums über
die Gründung einer badischen Bank unter näherer Begründung
des Regierungscommissärs.
Alsdann geht das Haus zur Berathung des Berichts des Abg.
Huffschmid, die Ueberweisung der politischen und Preßvergehen
an die Schwurgerichte betr., über.
Abg. Baumstark: Er enthalte sich der Abstimmung in Be-
treff des vorliegenden Gesetzentwurfes. So gut sein Freund Lender
für den Festungsvertrag habe stimmen können, ohne seiner Partei
untreu zu werden, werde er heute ähnlich in vorliegender Frage
handeln können, obgleich die Ausdehnung der Schwurgerichte in
den vorliegenden Fällen im Programme der katholischen Volkspar-
tei verlangt sei. Er habe oft über die Bedeutung der Schwurge-
richte nachgedacht und habe nichts dagegen, wenn der Abg. Lamey
ihn hierüber vielleicht examinire, und da sei er zu der Überzeu-
gung gekommen, daß das Geschworneninstitut für politische Prozesse
nichts tauge. Er halte die Rechtswissenschaft für ein Berufsgeschäft,
so gut wie die der Aerzte zur Heilung der Kranken; es werde ihm
nie einfallen, wenn er Patient sei, einen Andern als einen geprüf-
ten Arzt zu Rache zu ziehen. Er verlange andere Garantien zur
größeren Rechtssicherheit als die Competenzerweiterung der Schwur¬

gerichte, und diese schienen ihm in folgenden Grundsätzen zu
ruhen:
1) Abschaffung aller Ausnahmsgesetze, insbesondere auch derjeni-
gen, welche keine bestimmte Definition des Verbrechens ent-
halten, nämlich der 630 ff. des Strafgesetzbuchs.
2) Weisung an die Staatsanwaltschaft in Zeiten erregter poli-
tischer und kirchlicher Kämpfe entweder die Ausschreitungen
jeder Partei zu verfolgen, oder aber allen Parteien bis
zu einem gewissen Punkte freien Spielraum zu lassen.
3) Ein richterlicher Beamter solle durch seine politische Gesin-
nung keinerlei Vortheil oder Nachtheil haben.
Abg. Roßhirt dankt dem Berichterstatter für seine gediegene
Arbeit und ergänzt die geschichtliche Darstellung derselben durch
weitere Ausführungen. Redner spricht in begeisterten Worten für
die Unabhängigkeit des Richterstandes und gegen Ausnahmspara-
graphen L lu 631a des Strafgesetzbuchs. Insbesondere aber weist
der Redner die schmählichen Angriffe und Verdächtigungen der
gegnerischen Presse gegen den höchsten Gerichtshof des Landes mit
aller Entschiedenheit zurück, wozu er um so mehr berechtigt sei,
als er selbst durch seine parlamentarische Thätigkeit in Karlsruhe
und Berlin erst einmal in der Lage gewesen, bei einem politischen
Prozesse, freilich dem wichtigsten von allen, activ mitzuwirken. Das
Oberhofgericht habe stets in Zeiten der Erregung eine temperirende,
mäßigende Einwirkung geübt, da es aus Männern zusammenge-
setzt gewesen sei, die für ihr Fortkommen nichts Weiteres mehr zu
erwarten gehabt und mit sich selbst zum Abschluß gekommen seien.
Diese mäßigende Richtung habe es im Jahr 1849, in den 50er
Jahren (Prozeß Gervinus) und in den neuesten Tagen nach Oben
wie nach Unten bewährt.
Abg. Lindau: Schon in der letzten Session habe er die
Competenzerweiterung der Schwurgerichte im Sinne der heutigen
Vorlage verlangt, aber nicht in der Weise, daß das Kapital
bei der Bildung der Geschwornenliste maßgebend sei. Es hemfche

Gesetzentwurf,
die Rechtsverhältnisse und die Verwaltung der Stiftungen betreffend,
II. Von den für di e örtliche Stiftungsverwaltung
zu ernennenden besonderen Behörden.
(Fortsetzung.)
8 20. Die Ernennung dieser weiteren Mitglieder geschieht vom Gemeinde-
rath und Ausschüsse mittelst geheimer Stimmgebung auf den Grund von
Vorschlagslisten, welche dreimal so viele Namen zu enthalten haben, als Mit-
glieder ernannt werden sollen. Bei der ersten Einsetzung des Stiftungsrathes
wird nur eine solche Liste durch den Gemeinderath, bei späteren Erneuerungen
werden zwei, eine durch den Gemeinderath, eine durch den zu erneuernden
Stiftungsrath selbst aufgestellt, so daß die Wähler unter sämmtlichen in bei-
den Listen enthaltenen Eandidaten zu wählen haben.
In die Vorschlagslisten dürfen nur Personen ausgenommen werden, welche
das Staatsbürgerrecht besitzen, das 25. Lesensjahr zurückgelegt und in der
Gemeinde ihren Wohnsitz haben.
Auch von diesen sind diejenigen von der Liste ausgeschlossen, welche
a) zu einer peinlichen Strafe oder
b) innerhalb der letzten 5 Jahre zu einer Arbeitshausstrafe oder durch
richterliches Erkxnntniß zur Dienstentlassung, oder wegen Diebstahls,
Unterschlagung, Betrugs oder Fälschung zu irgend einer anderen Strafe
verurtheilt wurden.
§ 21. Bei Stiftungen, welche ausschließlich dem Vortheile von Ange-
hörigen einer bestimmten Confession gewidmet sind, kann der Stifter, wenn
im Uebrigen die Voraussetzungen für die Bestellung eines besonderen Stiftungs-
rathes vorhanden sind, bestimmen, daß der letztere, soweit er von den Ge-
melndecollegien zu ernennen, aus Angehörigen der berechtigten Confession be-
ssE demnach auch nur solche in die nach § 20 aufzustellenden Vor¬
schlagslisten ausgenommen werden.
Außerdem ist derselbe, sofern mit seiner Stiftung eine aus deren Mitteln
zu unterhaltende Anstalt der in § 19 bezeichneten Art verbunden ist, zu der
Anordnung berechtigt, daß der gesetzlichen Verwaltungsbehörde (8 13 und 15s
oder dem statt ihrer bestellten Stiftüngsrathe ein oder zwei weitere durch
ihren Beruf oder ihre Ausbildung iür die Förderung der Zwecke der Anstalt
besonders geeignete Mitglieder beigegeben und denselben in Hinsicht auf die
Verwaltung die gleichen Rechte wie den übrigen Mitgliedern der Behörde ein-
Diese weiteren Mitglieder werden, wenn sie nicht vom Stif-
M " ^rson oder in der Eigenschaft jals Vertreter bestimmter
Berufsstellen, ernannt wurden, von der die Stiftung verwaltenden Behörde
Dauer von sechs Jahren berufen. Die letztere kann, wenn der
auch ö-n sich °us^ !°-ch-r w-si-r-n Wit«si-d--
gleicher Weise wie die Stifter können in Hinsicht aus Stif-
tungen, welche erweislich nur dem Vortheile von Angehörigen einer bestimm¬

ten Confession gewidmet sind, — soweit sie vor Einführung dieses Gesetzes
errichtet wurden, auch die Genußberechtigten selbst die Einsetzung eines nach
Maßgabe des ß 19 und 21 Abs. 1 aus Mitgliedern der Confession zu bestellen-
den besonderen Stiftungrathes an Stelle der nach dem Gesetze (§ 13 und 15)
berufenen Verwaltungsbehörden beschließen, wenn
a) der Jahresertrag der zu ihren Gunsten bestehenden Stiftungen sich auf
mindestens 1000 fl. beläuft, oder wenn und soweit
d) mit einer derselben eine aus deren Mitteln zu unterhaltende Anstalt
der in § 19 bezeichneten Art verbunden ist.
tz 23. Zu einem solchen Beschlüsse der Confessionsangehörigen genügt es,
daß in einer zu diesem Ende berufenen Versammlung aller Stimmberechtigten
die Mehrheit der Erschienenen sich für denselben ausspricht. Stimmberechtigt
sind hierbei alle männlichen Einwohner der betreffenden Confession, welche das
25. Lebensjahr zurückgelegt haben und im Vollgenuß der staatsbürgerlichen
Rechte sind.
Die Versammlung zum Zwecke der Abstimmung ist von der vorgesetzten
Staatsbehörde zu berufen, wenn dies von einer dem 25. Theile der Einwoh-
ner der betreffenden Confession gleichkommenden Anzahl von Stimmberechtig-
ten oder — wenn diese Zahl eine größere — von mindestens hundert
Stimmberechtigten verlangt wird.
Ergibt sich bei der Abstimmung kein Mehrheitsbeschluß für die Einsetzung
eines besonderen Stiftungsrathes, so ist diese als für immer abgelehnt zu be-
trachten und kann eine weitere Abstimmung nicht mehr verlangt werden. Eine
Abstimmung wegen Wiederaufhebung der von der Mehrheit der Confessions-
Angehörigen beschlossenen besonderen Verwaltung kann erst nach Verlauf von
10 Jahren und auf den Grund eines nach Maßgabe des vorhergehenden
Absatzes gestellten Antrages gestattet werden und entscheidet sodann der Be-
schluß der Mehrheit der zur Abstimmung erschienenen Stimmberechtigten über
die entgiltige Aushebung dieser besonderen Verwaltung oder deren Fortdauer
auf weitere 10 Jahre.
Wenn in den bisher bezeichneten Fällen ein besonderer Stiftungsrath für
die Verwaltung von Stiftungen zu bestellen ist, welche sich aus mehrere Ge-
meinden erstrecken, so bestimmt die vorgesetzte Staatsbehörde, in welcher Weise
die einzelnen Gemeinden bei der Aufstellung der von der Gemeindebehörde
(§ 20 Abs. 2) zu fertigenden Vorschlagsliste zu betheiligen sind und wie viele
Mitglieder jede derselben in den Stiftungsrath zu ernennen — oder, wenn
die Zahl der betheiligten Gemeinden die für den Stiftungsrath vorgesehene
höchste Mitgliederzah! übersteigt — in welcher Reihenfolge die einzelnen Ge-
meinden an deren Ernennung Antheil zu nehmen haben.
Den Vorsitz in dem für derartige Stiftungen bestellten Stiftüngsrathe
führt in allen Fällen der Bürgermeister der zum Sitz der Verwaltung ge-
wählten Gemeinde.
(Fortsetzung folgt.)
 
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