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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 141-152 (2. Dezember - 30. Dezember)
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RRÜ LÄRü. Trägerlohn und Postaufschlag.
M-d-V - Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzsile.

H42.

Samstag den 4. December



Steigender Preußenhaß und seine Gründe.
Aus Norddeutschland, 18. Nov. Wer immer die neuen
„Provinzen" Großpreußens bereist, sei es nun der leichtsinnige
Feuilletonist, sei es der ernste Staatsmann, er kommt ganz ge-
miß mit der Ueberzeugung heim, daß dort alle Schichten der Ge-
sellschaft von steigendem Preußenhaß durchdrungen sind. In Nas-
sau, in Hessen, in Hannover, in Schleswig-Holstein, wo, beiläu-
fig bemerkt, jetzt wieder der alte ehrwürdige Claus Rieger, „ob-
gleich mit dem einen Fuß im Grabe", an der Spitze der Unzufrie-
denen steht, ihren Bestrebungen gleichsam die Weihe gebend, — es
ist überall eine und dieselbe Erscheinung. Und dieser Preußenhaß
ist vielleicht gerade da am heftigsten, wo man sich einst nach der
Verpreußung über alle Maßen und mehr denn allerwärts gesehnt
hat. Woher aber kommt das? Wie war diese Umwandlung mög-
lich? „Die Gelder der Brabanter und Welfen, die Preßorgane
der Depofsedirten haben es durch ihre end- und schamlosen Hetze-
reien zu Wege gebracht", so sagt die „hohe Meinung" des Groß-
preußenthums, „die sich selbst betrügt", ohne trotz Bismarcks ge-
flügeltem Worte auch nur entfernt zu ahnen, daß sie selber es ist,
die jetzt Propaganda für den „Particularismus" macht, den selbst
der Einsidler von Varzin eine Quelle der Bildung uno des Wohl-
standes von Deutschland nennt. Ja, diese Preußen selber sind es,
die sich, wohin sie auch kommen, die Herzen entfremden. Was
will es da heißen, wenn sie in jedem Gedanken, der sich — und
wäre es im russischen Sibirien — schwarz auf weiß in antipreu
ßifchsm Sinne ausspricht, immer nur wölfischen oder Brabanter
Einfluß wittern? Sie belügen sich zu ihrem eigenen Schaden. Ihre
eigenen Thaten agitiren für die Depofsedirten. Und es ist nicht
blos der schwere Steuerdruck und die heillose Militärlast, die diese
Agitation machen; es ist das so zu sagen jedes neue Gesetz, jede
neue Verordnung. Jeder Paragraph klingt da, als wäre er nur
zu dem Zwecke gemacht, daß er die Unzufriedenheit mehre. Die
Gesetzgebung in Hannover, in Hessen war entschieden besser als
die preußische. Die Preußen haben für ihre gesetzgeberischen Mach-
werke einen Jargon, der in der Regel ganz so verworren, unbe-
stimmt und oft auch noch undeutsch und ungrammatikalisch ist,
wie sonst die hannoverischen und die kurhessischen Gesetze sich aus-
zuzeichnen pflegten durch „Kürze, Bestimmtheit, Klarheit und Cor-
rectheit des Ausdrucks." Trotzdem geriren sich dann diese Leute,
die uns diese Neuerungen, diese Berliner Segnungen bringen, als
die Träger einer besonderen Intelligenz, durch welche sie berufen

sein wollen, unsere Herren zu spielen. Dabei sorgen sie dann
auch noch durch Scanoale wie der zu Celle, durch brutale Ueber-
hebung des Soldatenthums über das Recht, durch eine Säbelherr-
schaft, die dem Ausspruche des Richters keck die Stirne bietet und
das ihr „Hausrecht" nennt, — trotz alledem sorgen sie auch noch
durch solche Geschichten dafür, daß überhaupt Alles sich verletzt
fühlen und empören muß, was überhaupt noch an Rechtssinn und
Mannesmuth lebendig ist. Kommt noch der Hohn dazu, mit wel-
chem z. B. ein preußischer Militär-Commandant, wie es jüngst in
Schleswig Holstein geschehen ist, die Mißhandlung unglücklicher Re-
kruten als ein „sanftes Bestreichen des Rückens und der Schulter
mit der flachen Klinge des Officiers" zu rechtfertigen sich erdreistet;
oder hört man Geschichtchen, wie das des Steinmetzmeisters zu
Wrietzen, oer eine solche Mißhandlung zur Anzeige bringt und
dann nach vorausgegangener Untersuchung der Sache durch das
Militärgericht der Civilbehörde wegen Verleumdung des betreffenden
Unterofficiers zur Bestrafung übergeben wird, während sich nach-
her durch den Eidschwur von vier Recruten herauLstrllt, daß seine
Anzeige vollständig auf Wahrheit beruhte, — und Mißhandlungen
dieser Art sind trotz der allgemeinen Wehrpflicht und trotz der preu-
ßischen Intelligenz nur allzu häufig, — so begreift sich wohl die
Richtigkeit des Satzes, daß hier ganz Andere das Amt des Hetzens
besorgen, als die vermeintlichen Zeitungsschreiber Georg's V. und
seiner gewaltsam vertriebenen Collegen. Was wir zahlen müssen,
zahlen mit Aufopferung unseres letzren Pfennigs; was wir mit
eigenen Schultern zu tragen haben, obgleich der Nacken darunter
schon brechen will; was wir an Ueberhebungen und Brutalitäten
allstündlich schweigend hinnehmen, was wir an Widerlichem und
Unerträglichem mit eigenen Ohren hören und mit eigenen Augen
sehen, ohne den Trost zu haben, daß uns dafür ein deutsches Ge-
sammtvaterland geboten wäre: das ist es, was unsere Stimmung
so macht, wie sie jetzt ist. Und glauben Sie nicht, daß in der
Schilderung der preußischen Brutalität übertrieben werde. Ich
habe in einer Stadt Neupreußens mit eigenen Augen gesehen und
mit eigenen Ohren gehört, daß ein allpreußischer Unterofficier, der
zwei neupreußische Recruten zu exerciren hatte, dem Einen von
diesen den Befehl gab, dem Anderen eures Fehlers wegen hinter
die Ohren zu schlagen. Der Befehl wurde von dem, welchem er
galt, für einen Scherz gehalten und belächelt. Da erneute der
ergrimmte Unterofficier den Befehl und gebot nun auch noch dem
zweiten Recruten, auf den Ersteren zu schlagen, weil der subordi-
nationswidrig gelacht hatte, so daß sich nun die Beiden mit den

Der schwarze Dämon.
Erzählung auo dem Seemcmnsleben. von L, Henry.
(Alte und Neue Welt.)
(Fortsetzung.)
„Der Schauder vor seinem eigenen Gedanken ließ ihn nicht weiter sprechen."
„„Wir dürsen dem Willen Gottes nicht vorgreisen"", erwiederte ich nach
einer Pause, „„bedenke, wenn wir zu frühe wären!""
„„Ich hoffe, dein Rath ist gut, Amos"", entgegnete er und rief, seine
Hände zum Himmel erhebend: „„Herr, dein Wille geschehe!""
„Wir hatten kaum Zeit, die weiblichen Passagiere und unsere armen
Mädchen in dem Kielraume unter einem Haufen alten Geräthes zu verbergen
und mit Segeln zu überdecken. Da Widerstand doch vergeblich gewesen wäre,
hofften wir, durch freiwillige Anerbietung unserer Habe wenigstens das nackte
Leben aller Personen auf dem Schiffe zu retten."
„Die Piraten hatten inzwischen unser Schiff erstiegen und begannen nun
trotz unserer Unterwerfung, die wehrlose Mannschaft zu mißhandeln, indem sie
sich keineswegs mit dem begnügten, was wir ihnen freiwillig anboten. Die
Passagiere wurden mit uns in die Kajüte geschleppt, um dort unter den grau-
Wamsten Qualen zu bekennen, wo unser Geld verborgen wäre. Sie boten um-
sonst alle ihre Kostbarkeiten an, die Unmenschen zu besänftigen. Unglücklicher-
wei^e entdeckten sie in der Damenkajüte einige schlecht verborgene Frauenkleider.
Der Piratenhäuptling, dessen Gesicht unter einer schwarzen Maske verborgen
war und der sich in einiger Entfernung hielt, gab einem feiner Leute ein
Zeichen, worauf dieser höhnisch seinen Hut abnahm und mit gezücktem Säbel uns
fragte, wo die zu diesen Kleidern gehörigen Frauenzimmer seien."
. . Seeleute und unserer erwachsenen Passagiere sei es gesagt,
jeder Versuch scheiterte, das Geheimniß von ihnen zu erpressen. Doch ein er-
schreckter Knabe, dem die Seeräuber das Messer an die Kehle setzten, verrieth
das Versteck in der Hoffnung, sich selbst dadurch das Leben zu retten. Aber
lm nächsten Augenblicke blitzte das Messer, der Knabe stürzte mit durchschnit-
tener Kehle zu unseren Füßen."

„Niemals werde ich den Blick meines Bruders vergessen, den starren Blick
der Verzweiflung, als feine Frau und zwei Töchter von den triumphirenden
Räubern heraufgebracht wurden und ihn vergebens um Schutz anflehten. Die
ältere, Emma, war gerade in dem reizenden Alter, wo das Kind zur Jung-
frau erblüht; ihre Schwester Elise war ebenso groß von Gestalt, obgleich von
weniger einnehmender Gesichtsbildung. Auf einen Wink des Piratenkapitäns
wurden sie weggeschleppt, um nach dem schwarzen Schooner gebracht zu wer-
den. Dem Schmerz der verzweifelnden Mutter, welche den Anführer auf den
Knieen um Barmherzigkeit anflehte, machte ein Säbelhieb ein Ende. Und die
Andern? „Erlaßt mir es, das nun folgende Gemetzel zu schildern, als der
schreckliche Ruf ertönte: „„Macht's kurz mit den Canaillen!"" — Ich weiß
nicht, wie ich dem Tode entronnen bin. Ich erinnere mich nur, daß ich nieder-
geschlagen wurde. Dann verging mir das Bewußtsein. Als ich wieder zu
mir kam und mich ausrichten wollte, hörte ich eine Stimme neben mir flüstern:
„„Verstecke dich, wenn du kannst!"" Mühsam öffnete ich mit den Händen die
Augenlider, welche ganz von meinem Blute verklebt waren, und ich gewahrte
einen Neger, der soeben an mir vorbeigekommen und wahrscheinlich ein Sclave
des Piratencapitäns war. Schleppte mich zu dem Schrein, in dem Sie, Sir,
mich fanden, und versuchte, mich darin zu verbergen. Es war schon dunkel,
die See ging hohl. Allein da der Schrein zu klein war, gelang es mir nicht
und im nämlichen Augenblicke fühlte ich einen Messerstich ;m Rücken und starke
Fäuste preßten mich unter Hohngelächter in den Kasten — die Thüre ward
verriegelt. Man überließ mich dem Tode des Erstickens. Ohne einige Ritzen,
die sich in dem Kasten befanden, wäre es mein Sarg geworden."
„Welche Nacht! Anfangs hörte ich noch das Gebrüll der berauschten
Piraten, dann brach der Gewittersturm los und in dem zornigen Brausen von
Wind und Wellen erstorben die Gotteslästerungen der Unholde. Aus der
Tiefe meines Herzens aber betete ich, eine rächende Woge möge das Schiff ver-
schlingen. Gotr hatte es anders beschlossen; das Schiff und die Seeräuber
wurden gerettet, das Uebrige wißt Ihr selbst, Sir."
„Aber könnt Ihr gar nichts Näheres über die Person des Piratenkapitäns
angeben?" fragte ich.
(Fortsetzung folgt.)
 
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