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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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J„s.,Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und 8amstag.

Süddeutschland.
Heidelberg, 15. Jan. Die Sächsische Zeitung bringt sehr
interessante Enthüllungen aus Wien und Berlin. Aus Wien
wird die Nothwendigkeit betont, den Wühlereien in Rumänien die
ernsteste Aufmerksamkeit zu schenken, da bereits ein „panrumäni-
scher Rath" in Bukarest sich mit der Frage beschäftige, wie am
geeignetsten die Augen Europas auf die „Leiden der rumänischen
Nation" zu lenken seien. Man will von dieser Seite um jeden
Preis Verwirrungen im Orient anfachen und gedenkt dabei Oester-
reich und der Türkei den Untergang zu bereiten. „Aus diesem
Grunde", sagt der Bericht der Sächsischen Zeitung aus Wien,
„wird es wohl der einen oder der andern Macht angezeigt erschei-
nen, den Wühlereien in und aus Rumänien etwas näher an den
Leib zu rücken und die Untersuchung über die „„intellectuelle Ur-
Heberschaft"" zunächst bei Seite lassend, mit demjenigen Ar-
tikel des Pariser Vertrags in der Hand, der die mili-
tärischen Kräfte der Donaufürstenthümer sehr bestimmt auf das
Maß des Bedürfnisses beschränkt, eine Expertise zu ver
an lassen, ob diese Fürftenth ümer jenes Maß nich.
in einer Weise überschreiten, welche in blos defensiven
Zwecken eines unter die Gesammt Garantie der großen Mächte ge-
stellten Staates kaum ihre Rechtfertigung finden dürfte."
Wichtiger aber sind die Mittheilungen, welche der Sächsischen
Zeitung aus Berlin zugehen und welche als „aus zuverlässiger
Quelle" stammend bezeichnet werden. Es ist eine zweite „Usedom'-
sche Note", die vor kurzem von Berlin nach Petersburg abgeschickl
worden ist und die ihre Spitze gegen Oesterreich und Frankreich
kehrt. In derselben sind folgende Sätze enthalten:
„Ein österr.-französisches Bündniß bestehe, Preußen allein
sei nickt im Stande gegen dasselbe anzukämpfen, am Rhein
sei es Frankreich kaum gewachsen, selbst wenn es seine
sämmtlichen Kräfte dort verwenden könnte, zugleich aber auch
gegen Oesterreich Front zu machen, sei rein unmöglich; da-
rum müsse letzteres vorher und rasch nie der ge w orfen
werden. Dies sei für Preußen im Verein mit Rußland
ausführbar, und dann könnten beide, abermals vereint, am
Rhein von der Defensive in die Offensive übergehen und in
Paris den Frieden dictiren. Einmal Oesterreich und Frank-
reich geworfen, sei die Türkei von selbst erobert und die
Etablirung einer russischen Secundo-Genitur in Konstanti-
nopel naturgemäß gegeben. Rumänien werde zur Durch-
führung des großen Planes die besten Dienste leisten und
werde durch Verbindung mit Siebenbürgen in den Stand
gesetzt sein, die Ungarn, falls dieselben eine feindliche Stellung
einnehmen würden, erfolgreich im Schach zu halten. Galizien
würde selbstverständlich an Rußland fallen, letzteres gäbe
aber dafür im Westen der Weichsel ein Aequivalent an
Preußen. Böhmen, sowie Deutschösterreich, sammt dem übri-
gen Deutschland träten dem norddeutschen Bunde bei, der
auf diese Art ein „gesammtdeutscher" würde. Der Kaiser
von Oesterreich, dann nur noch der König von Ungarn,
nähme seinen Sitz in Ösen und schließlich würde Ungarn
unter die Obhut beider Mächte Rußland und Preußen
gestellt."
Wenn solche Friedenstauben durch Europa fliegen, kann der
Krieg nicht lange mehr ausbleiben.
Komisch ist es unter diesen Umständen, wenn die preußische
Feudalpanei sich immer noch Hoffnungen auf eine Verständigung
mit Oesterreich hingibt oder wenigstens dergleichen alberne Ge-
rüchte in die Welt schickt, um Frankreichs Mißtrauen gegen die
wiener Hofburg zu erregen. Man thut in diesen Kreisen, als ob
man sehr besorgt sei über eine Annäherung Rußlands und Frank-
reichs, die auf Kosten von ganz Deutschland (Oesterreich nicht
ausgenommen) erfolgt sei oder erfolgen werde, während man doch
unter allen Parteien in Berlin darüber längst im Reinen ist,
daß Preußen und Rußland die innigsten Beziehungen zu einan-
der hergestellt haben. Was die KreuzzeitungSmänner aber eigent-
lich wollen, geht am klarsten daraus hervor, daß Preußen und
Oesterreich nur über der Leiche des Grafen Beust sich die Hände
reichen könnten. Der fähigste, der einzig fähige Staatsmann Oe-
sterreichs soll erst beseitigt werden, bis Oesterreich würdig ist, sich
von Preußen nochmals wie bei dem schleswig-holsteinischen Krieg

in den — Gänsdreck führen zu lassen! Dergleichen prrußische
Pfiffe könnten wohl bei den österreichischen Hochtories, die L la
Mensdorf und Belcredi einige Tage vor dem Krieg noch immer
nicht an den Krieg glaubten, verfangen, aber nicht bei einem so
gewiegten, sein berechnenden Diplomaten wie Beust, der die ganze
Schlauheit und Beweglichkeit des sächsischen Wesens in die steif
gewordene österreichische Diplomatie mit tzereingebracht hat. Aber
ebendeßhalö soll ja Beust entfernt werden! Welche Naivität! Der
Kaiser wird den Mann, der den heruntergewirthschafteteu Staat mit
unsäglicher Mühe und Geduld wieder aufgerichtet hat, heimschicken
und dafür einen Minister nach dem Herzen Bismarcks eintauschen,
der kavaliermäßig den Staat malträürt, Protectionsgenerale an
die Spitze der Armee setzt, ein absolutes Regime mit Ausschluß
aller bürgerlichen „Canaille" herstellt, das Legitimitätsprinzip auf
die Fahne schreibt und damit den „Usurpator Bonaparte" gemein-
sam mit den Preußen bekämpft, um hintennach von dem sieg-
reichen Bismarck für alle diese Tollheiten verlacht und aufgefressen
zu werden. Und was bieten denn dis preußischen Feudalen, die
übrigens unter Bismarck gar nichts zu sagen und zu bieten haben,
als Aequivalent für die österreichische Hülfe? Man höre. Nach
der Köln. Volkszeitung bringen sie folgende großartige „Opfer":
„Dafür opfert Preußen seinen rumänischen Vasallenstaat an der
untern Donau, hält Rußland zurück, gegen die Stellungnahme
Oesterreichs am Schwarzen Meere vor^ugehen und begnügt sich
mit der militärischen Hülfe Oesterreichs im preußisch-französischen
Kriegsfälle." Ist das nicht seltsam? Wenn Preußen und Oester-
reich mit Frankreich und Rußland in Krieg gerathen, versteht es
sich da nicht von selbst, daß Preußen das Vorrücken Rußlands
gegen Oesterreich in derselben Weise Zu verhindern suchen muß,
wie Oesterreich das Vorrücken der Franzosen am Rhein, und daß
es seinen „rumänischen Vasallenstaat" aufgeben muß, der nur
gegen Oesterreich geschaffen wurde , mit welchem Preußen ja jetzt
in Bündniß stände?! Was Oesterreich aber erhielte, davon
sagt die Kreuzzeitungspartei nichts, insbesondere ist von einer
österreichischen Vorherrschaft in Süddeutschland keine Rede. Und
mit solchen Erbärmlichkeiten hofft man Eindruck in Wien zu
machen, hofft man sogar, den Sturz des Reichskanzlers herbei-
führen zu können!
* Heidelberg, 16. Jan. Wie Recht wir hatten, als wir
in der letzten Nummer des Boten den Angriffen der Nordd. Allg.
Zeitung gegen Beust nicht die Tendenz unterlegten, den österreichi-
schen Reichskanzler dadurch über Bord zu werfen, was doch eine
allzu große Selbstüberschätzung auf Bismarckscher Seite verrathen
würde, sondern daß die eigentliche Absicht dabei darauf gerichtet
ist, den alten Haß und Fanatismus in Preußen gegen Oesterreich
wieder wach zu rufen, beweist heute schlagend der Correspondent
der Landesbase aus Berlin, der selbst „angeregt" „anregend" auf
die alte Dame wirkt, sintemalen man mit Umschreibung des Göthe'--
schen Liedes von ihm sagen kann:
„Der du aus dem Preßbüreau bist."
Doch um die Sache kurz zu machen, so drückt sich dieser
Husar ganz ungenirt folgendermaßen aus:
„Verschiedene Zeitungen legen der Polemik, welche die Nordd.
Allgem. Zeitung mit der österreichischen halbamtlichen Presse führt,
einen ganz falschen Zweck unter, indem sie annehmen, daß es sich
dabei darum handle, den Rücktritt des Grafen Beust von
seinem hohen Posten zu veranlaßen. Um einen solchen Zweck kann
es sich bei dieser Polemik schon darum nicht handeln, weil man hier
nur zu gut annimmt, daß er durch Angriffe gegen seine Politik nur
befestigt werden kann. Wenn gegen seine Politik von preußischer
Seite geschrieben wird, so kann der Zweck dieser Polemik w', da-
hin gehen, das preußische Volk darüber auszuklären, wie die seit
dem Prager Frieden von Preußen in Allem und Jedem beobachtete
sorgfältigste Rücksicht gegen Oesterreich nicht im Stande gewesen
ist, das alte Ränkespiel der österreichischen Reichskanzlei und die
Hetzereien derselben gegen Preußen auch nur einigermaßen zu mil-
dern." Also das preußische Volk soll über resp. gegen Oesterreich
„aufgeklärt" werden! Wer sieht nicht, wenn er den Artikel in un-
serer letzten Nummer vergleicht, daß unsere Nase vollständig richtig
gewittert hat, — man will in Preußen wieder einen Sturm der
öffentlichen Meinung heraufbeschwören gegen Oesterreich den „Hetzer",
während die eigentlichen und wahren Hetzer in Berlin sitzen! Hat
 
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