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«HA 32. Dienstag den 16. März 1869.
* Das Königreich Baden.
Die Schlesische Zeitung sagt bei Besprechung der Arkolay'schen
Schrift: „Mag Baden das von einer Invasion zumeist bedrohte
deutsche Land sein, so ist es doch nicht minder das gesichertste und
aussichtsreichste. Selbst wenn Frankreich über uns triumphiren
sollte, wird ihm nie und nimmer ein rechtsrheinisches Gebiet als
Beute anheimsallen. Der Sieg unserer Waffen aber und ein zwei-
deutiges Benehmen Württembergs (hört es ihr Schwaben) könnte
dagegen im Südwesten leicht zur Bildung eines starken König-
reiches führen, das sich von den Vogesen bis Ulm erstreckte (wa-
rum nicht weiter?) und für das sich in den zahlreichen protestan-
tischen Elementen (ha, ha!) ein fester Kern fände. Wird über-
haupt noch einmal in Deutschland annectirt, dann hat Baden ge-
waltige Chancen. Das weiß man auch in Stuttgart (!) und
Straßburg (!!) wie in Karlsruhe (?)." Damit wäre wohl die
„Lücke" des Generals v. Beyer ausgefüllt. Was sagen die Schwa-
ben dazu?
* Die Lage Südwestdeutschlands im Kriegsfall.
Es beschleicht uns jedenfall ein peinliches Gefühl, wenn wir
die Eventualitäten eines französisch-preußischen Krieges zur öffent-
lichen Discussion gebracht sehen. Werden doch dabei Wunden und
Gebrechen aufgedrckt, welche den großen Riß in unserem Vater-
lande noch mehr erweitern, der durch den unheilvollen, niederträch-
tigem Bruderkrieg von 1866 entstanden ist. Wir haben zum öftern
unsere Ansicht dahin ausgesprochen, daß Preußen in der Erkennt-
niß seines begangenen Verbrechens sich bestreben möge, mit Oester-
reich und Süddeutschland in ein Verhältmß zu treten, welches den
wahrhaft nationalen und liberalen Interessen Gesammtdeutschlands
zu gut kommen müßte. Aber leider sehen wir die Stoß-ins-Herz-
Politik fortgesetzt, leider sehen wir nur das PreußenLhum, das wir
schon längst kennen, das mit jedem Tage mehr sich die Herzen der
annectirten Mußpreußen entfremdet, mit seinem Cäsarismus, Junke-
rei, Muckerthum und Steuerdruck sich weiter entwickeln. Wer ver-
mag da noch für jenes „Ziel" mit „freudigem Herzen" Opfer zu
bringen, wer vermag da noch die Phrase „durch die Einheit zur
Freiheit" ohne Hohngelächter entg^genzunehmen!
Unter solchen Umständen, und beim Mangel einer gemein-
samen Action der Regierungen in Bayern, Württemberg, Baden
und Hessen, muß der süddeutsche Patriot die nothwendig kommen-
den großen Ereignisse mit stiller Resignation aufnehmen; er muß
kühl bis in's Herz hinan dem gewaltigen Kampfe zwischen den
beiden modernen Cäsaren zusehen, deren einer durch Beiziehung der
moskowitischen Hilfe uns noch mit Zuständen der ärgsten Neaction
bedroht. Wo ist der Enthusiasmus, der sich einst kund gab in Deutschland
bei Kriegsgelüsten des französischen Nach^ Wo sind die Barden,
deren Lieder uns begeisterten zum Kampf gegen einen beutelustigen
Feind? Wo sind die Fichte, Stein, Scharnhorst und Blücher, deren
Mund und Arm Tausende von edlen Jünglingen freiwillig zur
zur Fahne rief? Wenn je etwas uns traurig zu stimmen geeignet
ist, so besteht es in der nun fitzt klar vorliegenden Thatsache, daß
wir seit Jahren nur Phrasenhelden großgezogen haben, die sich im
Jahre 1866 verkrochen, um nach der Schlacht von Königgrätz den
Götzen des Erfolges anzubeten und mit ihm dem selbstsüchtigen
Materialismus Thür und Thor zu öffnen. Ja, was heißt es an-
ders, als den Egoismus anrufen, wenn die „Realpolitik" auf-
gepflanzt wird, um damit dem deutschen Michel den Säbel und
die Steuerschraube mundrecht zu machen, welche ihm von Berlin
gezeigt werden. Welche schöne Redensarten hätten diese Realpolitiker
wohl zu den Zeiten des Rheinbundes geführt!
Doch wohlan denn! Wenn mit derartigem Geflunker nur
auf selbstsüchtige Zwecke speculirt, wenn der deutsche Patriotismus
nach der Elle und dem Pfund, nach dem Diecont und dem Agio
bemessen werden soll, so wird man unsererseits auch berechtigt
sein, dergl. Bestrebungen in gleicher Weise zu behandeln d. h. also
die Frage aufzuwerfen: was gewinnen oder was verlieren wir in
Süddeutschland bei Durchführung des engen Anschluffes an
Preußen?
Und hier treten vor allem die drohenden Wetterwolken eines
französisch preußischen Krieges hervor. Was wir zu gewärtigen
haben, das ist in der kürzlich erschienenen Schrift von Arkolay
unwiderlegbar nachgewiesen. Dieselbe hat die Gefahren Süddeutsch-
lands so hell beleuchtet, daß die nationalliberale Presse bis jetzt
keine tatsächliche Widerlegung zu bringen vermochte. Aus guten
Gründen findet letztere es für gut, die Schrift todtzuschweigen.
Wir selbst würden uns gerne bescheiden, das heikle Thema
nicht weiter zu besprechen, wenn wir nicht in einem Blättlein,
welches die Offenburger Partei zur Ablagerung ihrer hohen (hohlen)
Geistesproducte gewählt hat, unter der Aufschrift: „Der Süden
Deutschlands im Kriegsfall" einen Aufsatz gefunden hätten, der
darauf berechnet ist, die unumstößlichen Wahrheiten der Arkolay'schen
Broschüre zu entkräften.
Wir übergehen die landläufigen Phrasen, womit fraglicher
Aufsatz in gothaischer Manier reichlich gespickt ist; der Vorwurf
des Vaterlandsvsrraths spielt natürlich mit sittlich entrüsteter
Sautze abermals eine Rolle, die freilich dem sehr schlecht ansteht,
der den Vaterlandsverrath im Jahr 1866 factisch geübt hat; wir
wollen uns lediglich an die thalsächlichen Behauptungen halten.
Wer den hier vorgebrachten Unterstellungen nur ein klein wenig
Aufmerksamkeit widmet, kann sich kaum der Ansicht erwehren, daß
sie einem Kopfe entsprungen sind, der auch nicht die mindeste
Kenntniß in der Politik besitzt.
Hiernach würde Oesterreich „ durch die ungarische Daumen-
schraube und durch Rußland, vielleicht auch noch durch eine be-
waffnete Neutralität Italiens (vorher nennt der gute Mann sogar
die Haltung Italiens „keine passive, sondern jedenfalls eine Deutsch-
land freundliche") höchstwahrscheinlich (!) gezwungen sein, die
strengste, keine deutschen Streitkräfte absorlnrende Neutralität ein-
-uhalten." Wer lacht nicht über solch' einen Unsinn! Die unga-
rische Daumenschraube hat sich in der rumänischen Frage wahr-
haftig kräftig genug gegen Preußen gezeigt und ist gegen den Erz-
feind Rußland so stark ungezogen, daß es für die Ungarn keinen
populäreren Krieg, als gegen dieses Slavenreich gibt. Ueberdies kann
Rußland durch eine Jnsurrection in Polen im Schach gehalten
werden. Wenn aber dem österreichischen Staate die strengste, keine
deutschen Streitkräfte absorbirende Neutralität zugemuthet wird,
so übersteigt eine solche naive Ansicht das Einmaleins einer gesun
den Politik. Oesterreich, das sich von Preußen Schlesien rauben
lassen mußte, das seit dem vorigen Jahrhundert systematisch von
Preußen in seiner Machtstellung angefeindet und hinterlistig be-
trogen, das vor 2 Jahren aus seinem deutschen Vaterhause hinaus-
gestoßen wurde, dieses selbe Oesterreich soll die GutmüthigkeLL be-
sitzen, zu glauben, daß die traditionelle preuß. Politik nicht so
lange fortgesetzt werde, bis es zusammengebrochen ist; es soll seinem
Erbfeinde den Sieg über Frankreich erleichtern helfen, nur um
selbst nachher schneller über den Haufen geworfen zu werden. Wenn
der Redakteur der Constanzer Zeitung einen solchen Unsinn glau-
ben sollte, so möchten wir ihm den Rath geben, Zur Feldmeßkunst
wieder zurückzukehren.
Eine zweite Unterstellung ist nicht minder widersinnig. Bel-
giens Unabhängigkeit, so heißt es, werde von Preußen vertheidigt
und dadurch werde England gegen Frankreich engagirt werden.
Da müßte man denn doch Napoleon für einen Dummkopf halten,
wenn man ihm diesen Blödsinn zutrauen sollte. Entweder gehen
Belgien und Holland mit Frankreich oder sie bleiben neutral, und
ihre Neutralität wird gerade wegen England von Napoleon in
keiner Weise verletzt werden. England selbst aber ist in allen Be-
ziehungen seiner Interessen der natürliche Feind Rußlands, so
daß an eine Allianz mit Preußen und fernem treuesten Verbünde-
ten an der Newa niemals gedacht werden kann.
Nun folgt ein gräßlicher Humbug. Nordamerika, das schon
längst (?) eine Einmischung in europäischen Fragen gewünscht Hal,
wird sich zu Gunsten Preußens am Kriege betheiligen und ein Ein-
greifen der französischen Flotte ganz unmöglich machen. Gerechter
Strohsack, an welchem Biertisch von Kaffern wurde diese Mähr
ausgeheckt!
Wenn dann weiter behauptet wird, daß Italien an seinen
Sympathien für Preußen festhält, so möchte hier ein großes Frage-
zeichen am Platze sein. Die Position der Franzosen im Kirchen-
staat und die bei Toulon und Marseille ausgestellte französische
Flotte mit einer beträchtlichen Anzahl Landungstruppen, dis feind-