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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 26-37 (2.März - 30. März)
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M 27.


Donnerstag den 4. März

1869.

Snddeutschland.
* Heidelberg, 1. März. Von einem deutschen Offizier ist
eine vortreffliche Schrift unter dem Titel: „Der Anschluß Süd-
deutschlands an die Staaten der preußischen Hegemonie sein sicherer
Untergang bei einem ftanzösisch-preußischen Krieg" erschienen, welche
die allgemeinste Beachtung in Süddeutschland, namentlich in Baden
verdient. Wir heben aus derselben folgende Sätze heraus:
„Die zwischen den südwestdeutschen Staaten und Preußen ab-
geschlossenen Schutz- und Trutzbündnisse re. helfen diesen Staaten
in der Lage, in der sie sich politisch wie militärisch nun einmal be-
finden, nicht das Geringste; sie schaden denselben nur. Von süd-
deutscher Seite konnten blos Leute sie befürworten, welchen die ersten
Elemente der Kriegskunst ein Räthsel sind. . .
Eine gute Vertheidigung Südwestdeutschlands gegen Frankreich
ist nur dann denkbar, wenn die südwestlichen Staaten ihre mit
Preußen geschlossenen Bündnisse — brechen und wenn sie sich
rückhaltslos mit Oesterreich über das Weitere der Kriegführung ver
ständigen. So lange diese Verträge gehalten werden, bleibt ihnen
Oesterreich auch in: besten Falle als halber Feind im Rücken.
. . . Eingekeilt zwischen die drei großen Gruppen: Frankreich,
Oesterreich und Nordbund, nicht einmal völkerrechtlich garantirt wie
die Schweiz, und dabei auch politisch uneins unter sich, können
diese südwestdeutschen Staaten noch das Meiste erwarten von einer
Art politischer Duldung durch die größern Mächte. Sie müssen sich
politisch möglichst ruhig verhalten, dürfen vor Allem Oesterreich und
Frankreich nicht provociren. Das Schlimmste, was sie thun könn-
ten, wäre der von den „Nationalen" als so reizend dargestellte Ein-
tritt in den Nordbund. Dieser Eintritt hätte die Bedeutung der
allergrößten Herausforderung gegen Oesterreich und Frankreich und
trüge dabei ungeachtet der Berliner Schönrednereien und Prahlereien
nicht das Mindeste zur Verbesserung ihrer wahrhaft verzweifelten
militärischen Lage bei.
Diese Lage hat sich auch dadurch nicht günstiger gestaltet, daß
die deutschen Südweststaaten ihre stehenden Heere nach preußischem
MuNer vermehrten. Zu allen Seiten Staaten, welche Armeen von
einer halben Million auf die Beine bringen, können bei ernsten Zu-
sammenstößen Bayern, Württemberg und Baden 200,000 Mann
nicht mehr nützen, wie 100,000 Mann. Diese Heeresvermehrung
belastete blos das steuerzahlende Volk ärger: das war ihr ganzer
äfftet- Wollte man in diesen Staaten den Accent wirklich auf das
Militärische legen, so gab es hierbei nur ein Mittel: man mußte
zum schweizerischen System der allgemeinen Volksbewaff-
nung greifen. Das war billiger, und lieferte für äußerste Fälle

eine immerhin imponirende Macht. Das Volk hatte ganz Recht mit
seinem Widerstand gegen die Einführung des preußischen Wehr-
systems in Baden, Württemberg, Bayern rc.
Ist Südwestdeutschland jetzt, nach der Zertrümmerung des
Bundes, als Ganzes gegen Westen militärisch sehr exponirt, so ist
Baden Dies im alleräußersten Grad. Es ist nicht möglich, wie
Baden, zu gleicher Zeit mehr hilflos und bedroht zu sein.
Geographisch wie ein 40 Meilen langer und nur 2^2—20
Meilen breiter Darm direkt vor den großen Weg gelegt, den die
Franzosen bei einer Invasion nach Deutschland einschlagen werden,
fast einschlagen müssen; als vorderstes Glacis der strategischen
Festungsfront Süddeutschlands, deren hinterste und deren Haupt-
werke ganz in den Händen Oesterreichs sind; von Karlsruhe aus
hartnäckige Feindschaft mit Oesterreich und dafür lärmendes Co-
kettiren mit Preußin: — Das ist ein einziges Bild!
Zum entsetzlichsten Ueberfluß kommen dazu noch die badischen
„Nationalen" mit ihrem Geschrei bezüglich des Eintritts Süd-
deutschlanvs in den preußischen Nordbund: gleichsam, als gälte es,
Oesterreich und Frankreich zu reizen und die Blicke des Auslandes
mit aller Gewalt auf die wehrloseste unserer Wcstgrenzen hinzu-
lenken." — —
Preußen rechnet für den Fall ernster Verwickelungen, beinahe
wie selbstverständlich, auf Rußlands und Italiens Hilfe. Wird sie
geboten, so reicht sie keineswegs aus, Oesterreich zu verhindern,
während eines französisch-preußischen Kriegs ernsthaft Partei zu
nehmen. Für's Erste denken dann ganz gewiß Rußland und
Italien zunächst an sich; von einem unmittelbaren Degagement
Preußens durch diese Mächte kann also keine Rede sein. Für's
Zweite aber kommt in Betracht, daß Oesterreich, seiner Lage wegen,
die engste strategische Fühlung mit Preußen hat. Will es einen
gewaltigen Streich auf das vom Rhein her angegriffene Preußen
führen, so hat es hierzu immer nur wenige Tage nöthig. Dieser
Streich kann weder von Rußland, noch von Italien parirt wer-
den, auch wenn diese Staaten sich wider Vernunft und Wahr-
scheinlichkeit in noch nicht dagewesener platonischer Sympathie für
Preußen erhitzen wollen, weil ein russischer oder italienischer Druck
auf Oesterreich immer vieler Wochen oder Monate bedürfte, um
entscheidend wirken zu können. Bis jetzt sind z. B. russische Hilfs-
heere, deren Rendezvous Deutschland war, stets um Monate —
später, und um Hunderttausende — schwächer eingetroffen, wie
diplomatisch verabredet war.
Malen wir das Bild nicht weiter aus! Das Gegebene genügt,
es ist vielleicht schon mehr, wie zu viel.

Aus dem Munde eines alten Wallfischfängers.
(Schluß.)
„Jenun, mit der Trunksucht der Seeleute ist es auch nicht so schlimm, als
man am Lande gemeinhin glaubt", versetzte der Capitän. „Es kommt nur
auf das Beispiel an, welches den Leuten gegeben wird. Ich bin nun fünf-
undsünfzig Jahre alt und war dreißig Jahre zur See — und gleichwohl war
ich in meinem ganzen Leben nur zweimal betrunken; das eine Mal noch als
Knabe, wie Jemand, welcher hätte klüger sein sollen, mir ein starkes geistiges
Getränke gab; und das zweite Mal anläßlich meines Eintritts auf meinem
woran sich eine Erinnerung knüpft, die ich nie vergessen werde,
gmg, sagte ein Kamerad zu mir: „Hollah, Harding, wie
geht s, alter ^ningeund ich versetzte: „So gerade wie ein Dreifuß!«
Und es ward zu einer Redensart unter der Mannschaft: Harding ist so gerade
wie em Dreifuß. Es ist eigentlich eine sprichwörtliche Redensart' aus Suffolk.
^ch hatte übrigens ein gutes Mittel, meinen Leuten das Branntweintrinken
abzugewöhnen. Ich hatte gefunden, daß mir in jenem Klima weder der
Branntwein, noch sonstige gegohrene Getränke gut bekamen. Dehhalb bereitete
ich mir selbst ein Getränke aus deni besten schottischen Hafermehl und aus
Wasser — etwa einen Löffel voll Mehl auf die Pinte und das Wasser nur
darüber hinunter gegossen. Ich fand es ebenso nährend als durststillend. Wär'
ich nun zu meinen Leuten hingegangen und hätte es ihn kn in einer langen
Rede anstatt ihres Grogs anempfohlen, so würden sie einfach die Nase da-
rüber gerümpft haben. Als ich aber einen Kübel voll davon anmachen und
°w s Verdeck stellen ließ und Sorge trug, recht augenfällig hie und da hinzu-
gehen und einen Becher voll davon zu trinken, da'fand ich, daß sie in un-
glaublich kurzer Zeit meinem Beispiele folgten und bald, gleich mir, gar nichts
Anderes mehr trinken wollten."
... Treu, es ist ein seltsames Leben!" sacite der Capitän und fuhr
sich nachdenklich mit der Hand durch das Haar. „Wenn man in die Meere
.ommt, wo die Magnetnadel sich beinahe senkrecht stellt, so darf man sich auf
Dmge gefaßt machen ; davon hab' ich mehr als Ein Beispiel
erlebt. Meln Brud^ gmg ein Jahr später als ich zur See; daher stimm-
ten unsere Ablosungszeiten nicht genau mit einander und wir verloren alle
."on emander. -2° ,kam es, daß ich ihn zwölf Jahre lang gar nicht
mehr gesehen hatte und daß ich nicht einmal wußte, in wüchem Schiff er war.
Ich war damals zweiter oder erster Maat - ich weiß nicht mehr welcher -

aus dem Schiff Eclipse, und wir waren in der Südsee. Ich war auf dem
Lugaus im Mastkorbe; ich meldete ein Schiff in Sicht und in der nächsten
Minute wurde ich auch einen Wal gewahr. Der Capitän wollte nicht sogleich
zu dem letzteren hinsteuern, damit das andere Schiff den Wal nicht ebenfalls
bemerken und uns zuvorkommen solle, weil es ihm näher war. Allein trotz
unserer Vorhut bemerkten sie schon am bloßen Aussetzen der Boote unsere
Absicht und folgten, unserem Beispiel, und da sie den Wallfisch zuerst erreich-
ten, wurde derselbe natürlich ihre rechtmäßige Beute. Als die Boote einander
näher kamen, rief ich plötzlich: „Halloh, das ist ja Jack !" und meinte damit
den Offizier, der das fremde Boot commandirte. Ich hatte ihn zwölf Jahre
lang nicht gesehen, aber weiß Gott, ich erkannte seine Gestalt im Nu wieder.
Gerade als ich so sprach, machte der Wal ein paar verzweifelte Sprünge, und
plumps ! waren die Leute im fremden Boot alle in's Wasser geworfen. „Adieu,
adieu, Jack!" rief ich und winkte ihm mit der Hand; dann ward der Bug
des Boots herumgedreht und wir waren im Nu hinter dem Wal her. Mein
Bruder und ich sahen einander erst eilf Monate später wieder. Wenn das
nun in einem Buche erzählt wäre, ich zweifle, ob man dies glauben würde,
und doch ist es einfache Wahrheit. — „Ein sauberer Bruder warst Du, mei-
ner Treu!" sagte Jack erst vor einigen Wochen, als er diese Geschichte einer
Anzahl Herren in Wiesbaden in meiner Anwesenheit erzählte; „wir hatten
einander zwölf Jahre lang nicht gesehen, und da ließ er mich im Wasser
zappeln und ruderte dem Wal nach!" . .
„Na, das war doch ganz recht", sagt' ich; „Du hättest das Gleiche ge-
than!" „Ja, das hätt' ich auch", sagte Jack; „der Wal war seine fünfhundert
Pfund werth und ich weiß, daß ich dieß damals nicht werth war!" — Natür-
lich wußte ich, daß er damals in keiner Gefahr war, denn ein Wallfischfänger
ist oder muß eine Art Amphibium sem."
„Der Wallfischfang muß sich tüchtig lohnen, nicht wahr?" fragte Heinrich.
„Hm, er war ehedem ein gewinnreiches Unternehmen, aber nun ist er es
nicht mehr. Ich machte, nachdem ich Capitän geworden war, niemals eine
Fahrt, ohne von derselben 1500 bis 2000 Pfund Sterling reinen Gewinn
für meinen Antheil nach Haufe zu bringen. Allein seit die verwünschten Gold-
felder in Californien und in Neuhollaaü und nun auch in Neuseeland ent-
deckt sind, kann man seine Mannschaft nicht mehr beisammen behalten, d. y.
die Leute, die man gern haben kann. Ein Gesindel von zusammengelaufenen
Wichten kann man sitzt allerdings bekommen, aber das ist nicht der rechte
Ltosf für Wallfischsänger, und ich gab das Geschäft aus, sobald ich sah, wo-
her der Wind kam."
 
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