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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 128-140 (2. November - 30. November)
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Donnerstag und Samstag.

138. Donnerstag den

Votum des Abg. Baumstark
über die Forterhebung der Steuern für die Monate December 1869
und Januar 1870.
Ich schließe mich dem Votum meiner Freunde Lindau u. Vis-
sing an. Ich kann dieser Regierung keine Steuern bewilligen aus
Mißtrauen in die Personen, welche dieselbe bilden, und aus Miß-
billigung der Grundsätze, welche diese Personen vertreten. Ich weiß
sehr wohl, daß die Ministerernennung ein Recht der Krone ist, und
ich gedenke keineswegs, mich in diese Prärogative einzumischen. Ich
will auch nicht erinnern an die Entstehungsgeschichte des gegenwär-
tigen Ministeriums, welche einst einen Zankapfel warf zwischen die
Regierung und zwischen die Majorität dieses Hauses, die jetzt wie-
der Ein Herz und Eine Seele mit der Regierung ist. Ich will von
diesen Dingen deßhalb nicht mehr reden, weil der Herr Abg. Eck-
hard uns seiner Zeit erklärt hat, sein und der übrigen Herren Of-
fenburger Verhältniß zu Hrn. Jolly sei dasjenige von Söhnen zu
ihrem Vater; eine Erklärung, worüber der Herr Staatsminister ge-
wiß große Freude empfunden hat. Hr. Jolly ist in diesem Augen-
blick weder als Abgeordneter noch als Staatsminister im Hause an-
wesend, und ich liebe es nicht, gegen Abwesende meine Angriffe zu
richten. Uebrigens habe ich starke Gründe zu der Meinung, daß
ihm zur Zeit noch an meinem Urtheil über ihn nicht viel gelegen ist.
Das aber wird er mir nicht verübeln, daß ich ihn für einen größe-
ren Gelehrten als Administrator halte: auch ist er meiner Meinung
nach kein geborner Kriegsminister, was er auch schon vorgestellt hat.
Der Herr Präsident des Finanzministeriums ist mir in den ersten
Jahren meiner richterlichen Thätigkeit als ein so vortrefflicher und
liebenswürdiger Anwalt bekannt geworden, daß ich mich zwar nicht
wundern würde, ihm als Justiz Minister hier wieder zu begegnen,
daß ich aber niemals daran denken konnte, ich werde ihn dereinst
als Finanzministersehen. Es sind also in bedeutenden Beziehungen
nicht einmal Fachmänner, welche die gegenwärtige Staatsregierung
bilden.
Was aber ihre Grundsätze betrifft, so lassen dieselben sich auf
zwei zurückführen: Anschluß an den Nordbund und Feld-
zug gegen die kathol. Kirche. Den letzter« Ausdruck brauchte
vor wenigen Tagen ein Mitglied dieses Hauses, welches durch seine
Mäßigung und seine feinen Formen auf allen Seiten Anerken-
nung findet; das gleiche Wort wird also auch mir erlaubt sein.
Und diese Regierung verweigert beharrlich, was wir beharrlich ver-
langen müssen: die Auflösung dieses Hauses, welches in seiner
jetzigen Zusammensetzung nur eine imaginäre Volksvertretung ist,
weil es die in Wahrheit im Volke bestehenden Parteiyerhält-
nisse keineswegs zur Darstellung bringt. Eine durch ihre
staatsmännische Mäßigung bekannte und ausgezeichnete Grütze des
anderen Hauses, Hr. Geheimerath v. Mohl, hat dies vor wenigen
Tagen in der 1. Kammer ausdrücklich anerkannt, indem er hervor-
hob, daß die kathol. Volkspartei im Volke selbst eine ganz andere
Bedeutung und Vertretung habe, als die Zahl ihrer Repräsentan-
ten in diesem hohen Hause schließen laste.
Unser heutiges Votum, durch welches wir der Regierung auch
nicht einmal für zwei Monate die Steuern bewilligen, entspricht
vollkommen dem constitutionellen Gebrauch entschiedener parlamen-
tarischer Oppositionen in andern Ländern. Es hat keineswegs die
Absicht, den Staatshaushalt oder die Staatsmaschine in Stockung
gerathen zu lassen; sondern es ist nur der entschiedene Ausdruck
derjenigen politischen Ueberzeugung, mit welcher wir im Großen
und im Kleinen, im Ganzen wie im Einzelnen, die gegenwärtige
Staatsregierung und ihre Politik mißbilligen und verwerfen.
Kammerverhandlungen.
n-- * Karlsruhe, 16. Nov. (Fortsetzung der Debatte über die
Cwrlehe.)
Abg L amey: Es sei wahr, was der Abg. Mühlhäusser ge-
sagt daß staaMcherseits im Jahr 1860 der Ausgleich angestrebt
worden sei, allem man sei von der Kirchenbehörde nicht entgegen-
gekommen. Der Staat habe im Jahr 1860 wohl der Kirche Frei-
heit geben, aber seine eigene Freiheit auch durchführen wollen, wo-
ran der Abg. Muhlhäusser wohl nicht gedacht habe. Die Kirche

25. November 1869.

habe aber Alles gewollt und dem Staat bei der Theilung nichts
geben wollen. Es geschehe ihr also ganz Recht, wenn man jetzt
keine zarten Rücksichten mehr beobachte; das Concessionsmachen
habe irgendwo einmal eine Gränze. Redner sagt, er sei selbst
früher nicht für zu rasches Vorgehen mit der obligatorischen Civil-
ehe gewesen, allein jetzt sei das etwas Anderes; man müsse Ernst
damit machen, nachdem die Geistlichen nicht einmal Nothcivilehen
in die Standesbücher hätten eintragen wollen. Unter diesen Um-
ständen habe auch das Stistungsgesetz kommen müssen und die
Kirche solle wohl Acht haben, daß man sie nicht in amerikanische
Freiheit setze und ihr damit das Corporationsrecht entziehe. Red-
ner geht dann zur Definition der Ehe über. Was das sei, davon
könnten nur die reden, die in mustergültiger Ehe lebten; die kath.
Geistlichen könnten mit gutem Beispiel vorangehen; da sie es nicht
thun, „wissen sie nicht was Ehe ist, und das vermissen wir." Die
Ehe sei nicht blos das, wie es der Abg. Baumstark definirt habe;
sie sei vor allem auch zugleich eine körperliche Gemeinschaft. Die
Ehe sei ein Vertrag; sie sei nicht kirchlich, sondern göttlich, weil
sie vor der Kirche dagewesen sei. Wer könne bestreiten, daß Adam
und Eva auch schon verheirathet gewesen und doch hätte sie Nie-
mand getraut. Die Ehe habe eigentlich weder nach Staat noch
nach Kirche zu fragen, — sie sei da, wenn zwei Brautleute den
Vertrag eingingen einander angehören zu wollen. Die kirchliche
Trauung werde trotz Civilehe doch noch als eine schöne Sitte bei-
behalten werden, gerade so gut wie man seine Kinder noch confir-
miren lasse, was auch eine schöne Sitte sei, indem man bei die-
sem Akt die Kinder in einem schon denkfähigen Alter erklären lasse,
daß sie der betreffenden Kirchengemeinschaft angehören wollten. Die
Herren von der Volkspartei sagten, die Geistlichen würden recht
gern die Standesbeamtung abgeben, um nur noch die Eheschließung
zu behalten. Er meine, mit der bereitwilligen Ablieferung der
Standesbücher sei es ihnen doch nicht ganz Ernst. Er wolle nichts
davon wissen, daß die kirchliche Trauung, wie von jener Seite
gewünscht werde, der bürgerlichen vorausgehe. Das sei wieder so
ein Mittel, mit dem die katholische Kirche den Staat zum Narren
haben könnte. Die Herren, die von Concubinat redeten und die
Civilehe so bezeichneten, wüßten nicht was Ehe sei; es sei das
eine Lästerung der Ehe, die er zurückweisen müsse und die am
besten sich dorthin richten möge, wohin sie gehöre.
Abg. Vissing: Nach den erschöpfenden Ausführungen der
Redner gegen die obligatorische Civilehe könne er auf die theolo-
gischen und juristischen Gesichtspunkte verzichten und sich lediglich,
um seine Abstimmung zu motiviren, auf die praktische Frage be-
schränken: Ist die obligatorische Civilehe nothwendig und wird sie
vom Volke als Bedürfniß erkannt?
Als der Abg. Eckhard seine Motion auf Einführung der obli-
gatorischen Civilehe eingebracht, habe sich Staatsminister Stabel
vom praktischen Gesichtspunkt aus nicht mit derselben befreunden
können: man verletze dadurch hundertfältige Gewohnheiten des
Volkes und die Zeit sei noch nicht reif dazu, eine solch' tiefgehende
Aenderung durchzuführen. Redner frage nun, ob dieses Verhält-
niß sich seitdem geändert habe oder was für Momente eingetreten
seien, die eine andere Ansicht rechtfertigen könnten? Ja, wenn seitdem
Kirche und Stäät in der Art sich von einander getrennt hätten, daß
nicht blos der Staat dadurch hätte Vortheil ernten wollen, sondern daß
auch die Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheiten frei geworden
wäre, dann dürfte die Frage der obligatorischen Civilehe im Stände-
saale spruchreif sein. So lange aber die Kirche nicht selbst ihren
Bischof wählen, ihre Geistlichen bestellen, ihr Vermögen verwalten,
ihre renitenten Mitglieder ausschließen dürfe, sondern überall der
Bevormundung eines feindseligen Ministeriums schutzlos unterliege,
könne man nicht von ihr verlangen, daß sie willig ein durch die
Jahrhunderte geheiligtes Vorrecht aufgebe. Frage man aber nach
den zu Grunde liegenden Motiven des Gesetzentwurfs, so sei es
flar, daß die einzige Triebfeder nur die Befriedigung der Offen-
bürger durch eine weitere „männliche Thal" gewesen sei, jener
Herren, die weder durch enorme Büdgetanforderungen, noch durch
die reactionärsten Maßregelungen sich aus ihrer ministeriellen
Stimmung reißen ließen, sondern nur auf dem kirchlichen Gebiet
keinen Spaß verständen und auf dem theologischen Steckenpferd
das Land im gestreckten Galopp zu Grunde ritten. Andere
Staaten dagegen hätten keine Lust, ein so zweifelhaftes Geschenk
 
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