und Land.
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. M 3. Donnerstag den 7. Januar 1869
„Die männliche That."
Von der Dreisam, 1. Jan. Bekanntlich wurde durch
Erlaß Großh. Ministeriums des Innern vom 22. v. M. „das
auf dem Lindenberg bei St. Peter bestehende Frauenkloster auf-
gelöst" und den Schwestern angekündigt, sie hätten (mit Aus-
nahme von Zweien) bis zum 10. Januar 1869 den Lindenberg
zu verlassen. Am 24. v. M. wurde den Schwestern der Mini-
sterialerlaß eröffnet und am 27. brachte die „Breisgauer Zeitung"
(ein „Amtsverkündiger", früher lange redigirt vom Verfasser des
„Lahrer Hinkenden Boten" und jetzt noch dessen Gesinnungsgenosse)
einen fast drei Spalten großen, offenbar inspirirten Artikel über
diese Angelegenheit. Wir sagen „offenbar inspirirt." Denn der
Artikel bringt, abgesehen von Anderem, wortgetreu die einzelnen
Angaben des ausführlichen Ministerialerlasses, der doch nicht publi-
cirt war. Es ist unsere Absicht für heute nicht,- die Maßregel
des Ministeriums prinzipiell zu beleuchten; es sei uns nur ge-
stattet, die hauptsächlichsten Unwahrheiten und Verdrehungen, von
denen jener Artikel wimmelt, zu signalistren. Es ist eine doppelte
Unwahrheit, wenn es heißt, „daß die auf dem Lindenberg ge-
gründete Vereinigung katholischer Frauen seit dem Jahr 1860
zweifellos den Character eines religiösen Ordens angenommen hat."
Wahr ist nur, daß es eine Vereinigung von gemeinsam lebenden
Tertiarerinnen (vom 3. Orden des hl. Franziscus) ist, die mit
Gebet, vorzüglich mit der Anbetung des allerheiligsten Sakraments,
mit Feldarbeit rc. sich beschäftigen. Ein religiöser Orden im kirch-
lichen Sinn ist diese Vereinigung nicht und es zeigt jene Behaup-
tung wie auch die weitere, die Schwestern hätten feierliche Gelübde
abgelegt, eine Unkenntniß im kanonischen Recht, die zwar leicht
erklärlich, aber keineswegs löblich ist. Eine Unwahrheit ist's, wenn
es heißt „seit dem Jahr 1860" habe die Vereinigung „den
Character eines Ordens angenommen." Man will, scheint's, durch
diese falsche Behauptung die Sache so hinzustellen suchen, als falle
die Errichtung des Lindenberger Convents unter das Gesetz vom
9. October 1860, die Einführung von religiösen Orden betr. Die
Wahrheit ist, daß diese Jungfrauen schon im Jahre 1858 und
1859 in der Hauptsache so lebten und auftraten, wie jetzt auch,
daß schon vor dem October 1860 eine bedeutende Anzahl Frauen
eine gleichförmige Kleidung trugen und Profeß abgelegt hatten.
Es ist eine Unwahrheit, daß die Schwestern „feierliche
Gelübde" ablegen; ihre Gelübde sind blos votu 8imxlieia, wie
sie jeder katholische Christ für sich ablegen kann und der Sub-
stanz nach einfach die gleichen, wie sie viele Tausende von Ter-
tianern, die in der Welt leben, ablegten und ablegen.
Es ist eine noch gröbere Unwahrheit, ja ein Conglomerat
von Unwahrheiten, wenn gesagt wird: „Sämmtliche Mitglieder
hätten das feierliche und für Lebenszeit bindende Gelübde
der Armuth, der Keuschheit und des Gehorsams abzulegen und
in gleicher Weise sich zu verpflichten, ihr Leben nach einer
bestimmten, vom päpstlichen Stuhl gebilligten Ordens-
regel einzurichten, insbesondere in klösterlicher Clausur ....
zusammenzuleben rc." Denn 1) sind die Gelübde, wie schon be-
merkt nicht feierlich; 2) verpflichten sich die Mitglieder durchaus
nicht „in gleicher Weise", nämlich wie bei den Gelübden
zur Einrichtung ihres Lebens nach der Ordensregel (die überhaupt
gar nicht unter einer Sünde verpflichtet); 3) ist es falsch, daß
dre Ordensregeln vom päpstlichen Stuhl gebilligt sind (die
Regel solcher in Gemeinsamkeit lebenden Tertiarerinnen sind
vom hl. Stuhl nicht „approbirt"); 4) ist es grundfalsch, daß
die Schwestern sich zur Clausur verpflichten, sintemalen nicht
einmal factisch Clausur ist, indem die Schwestern auf freiem Feld
arbeiten rc.
Unwahr ist es, wenn die Breisgauer Zeitung die Uebungen
des Stillschweigens, der beschränkten Besuche, des beaufsichtigten
Briefwechsels (die übrigens auch nicht einmal richtig dcrgestellt
sind) als Pflichten behandelt. Es ist dies Alles ein freiwillig
festgehaltener Usus.
,^"wahr ist es, wenn behauptet wird, die Eintretenden hätten
sich rhres Vermögens entäußert und an bestimmte, den Zwecken
der Anstalt dienstbare Persönlichkeiten Generalvollmachten ausge-
stellt, welche dann die bezüglichen Gelder in Empfang nahmen u.
darüber „nach Belieben verfügten." Letztere Worte ent-
halten noch eine boshafte Verläumdung.
Diese Jungfrauen haben nach wie vor das volle juristisch-
giltige Verfügungsrecht über ihr Vermögen so gut wie der Artikel-
schreiber der Breisgauer Ztg. das Verfügungsrecht über sein Ver-
mögen hat, wenn er solches besitzt; und wenn sie bei etwa ein-
tretenden Geschäften, Tagfahrten rc. nicht selbst an Ort u. Stelle
gingen, sondern Bevollmächtigte schickten, so thaten sie nur, was
sich bei ihrer Lage von selbst verstand, und wozu sie ein unzweifel-
haftes Recht hatten.
Unwahr ist die Angabe, daß meistens nur vermögliche Witt-
wen und Töchter ausgenommen wurden, und daß so nach und
nach ein beträchtliches Vermögen angesammelt wurde, so daß jetzt
der Lindenberg zwei Hofgüter besitze. Denn einmal wurden theils
gänzlich arme, theils nur gering bemittelte Mädchen ausgenom-
men, anderseits viele sehr vermögliche zurückgewiesen,
(Wittwe war überhaupt nur eine auf dem Lindenberg, die bereits
gestorben ist); sodann ist es falsch, daß der Lindenberg zwei Hof-
güter besitze. Das einzige Hofgut, das einer Junfrau gehört,
wurde nicht erworben, sondern von dieser gegen einen ihr in
Breitenau als Erbe zugefallenen Hof vertauscht. Dazu hat diese
ein Stück Wald und Matten d. i. etwa die Hälfte eines be-
nachbarten früheren Hosgutes, den s. g. „Winterberg" angekauft,
mußte aber zu diesem Zweck Geld entlehnen, welche Schuld heute
noch nicht abgetragen ist.
Wenn der Artikelschreiber mit der beigefügten Bemerkung,
daß es meistens vermögliche Wittwen und Töchter waren, — die
wohl selten ohne von gewisser Seite geübte Beein-
flussung — in die Anstalt eintraten", insinuiren will, als
hätten die s. g. Vorsteher der Anstalt oder Geistliche vermögliche
Personen zum Eintritt aus den Lindenberg zu gewinnen gesucht,
so erklären wir diese Insinuation für eine boshafte Ver-
läumdung.
Ein Heller Unsinn ist es, wenn der Artikelschreiber von „Ver-
mögen in todter Hand" faselt. Die Lindenberger Jung-
frauen haben ja gar keine Corporationsrechte und zahlen dem
Staate mehr Steuern und Erbschastsaccis als gezahlt werden
würde, wenn die Güter ein erbliches Hofgut bildeten, wie es auf
dem Schwarzwald gewöhnlich ist.
Ganz besonders niederträchtig ist die wiederholt vorkommende
Andeutung, als ob die Jungfrauen „Beten und Nichtsthun" culti-
virten, einem „beschaulichen Nichtslhun" fröhnten. Wer schon ge-
sehen hat, wie diese vom frühesten Morgen bis zum späten Abend
fast unausgesetzt theils die schwersten Feldarbeiten verrichten (wie
könnte sonst auch der Lindenberger Hof, wie durch Zeugnisse der
Behörden und vieler tausend Besucher aus allen Ständen nach-
wiesen werden könnte, Einer der bestbestellten in der ganzen Ge-
gend, ein Muster der Agricultur sein?), theils allerlei weiblichen,
häuslichen Arbeiten obliegen, wer dies, sage ich, einmal gesehen
hat und kein badischer Liberaler ist, dem muß es das Blut in das
Gesicht treiben, wenn Menschen, die vielleicht höchstens ein paar
Bogen Papier vollschreiben, die Leute malträtiren, einen guten
Theil des Tags spazieren laufen oder sonstwie sich von ihrem
Müßiggang erholen, wenn solche Leute diesen mehr als arbeitsamen
Schwestern Nichtsthun vorwerfen!
Wenn endlich gar die Breisgauer Zeitung uns unterrichten
will, was „angelernte Frömmelei und wahreAndachts-
übung" ist und zum „Beten" und Arbeiten ermahnt, so kann
man nur lachen. Das fehlte noch, daß Leute vom Gelichter der
Breisganerin und des Hinkenden uns in der Andacht und Fröm-
migkeit unterweisen und ein Ministerium Jolly uns die Weise u.
das Maß der Andacht vorschreibt!
Zum Schluß können wir die Frage nicht unterdrücken, ob
vielleicht die Aufhebung des Lindenbergs für die „männliche That
gegenüber der Kirche" gelten soll, die bekanntlich in jüngster Zeit
von den Offenburgern gefordert? Es scheint fast, daß man in
Karlsruhe dieser Ansicht ist und ein besonderes Licht wird auf die
„Männlichkeit" dieser Thal dadurch geworfen, daß sie am Vorabend
des hohen Weihnachtsfestes verrichtet und sogleich per Telegramm
in die Welt posaunt wurde, um die Offenburger zufrieden zu
stellen und wieder zu versöhnen. Wir eigensinnigen Ultramon-
tanen können und wollen darin, daß man arme, wehrlose Frauen