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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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Constitutionelle Zustände.
Im „Trompeter von Säckingen" w-rd aus dem Amtsbezirk
St. Blasien geschrieben: Wir wissen nicht, ob der Schinderhannes
von den Todten auserstanden ist und in unserer Gegend haust;
aber wir müssen fast es glauben, denn die Gendarmerie ist außen
ordentlich thätig und fragt fast in jedem Haus nach dem gefürch
teten Unhold, welcher ist die Adresse der katholischen Volksvarlei
an den Großherzog um Kammerauflösnng. Besonders wird bei
ältern und jüngern Soldaten nachgefragt, ob sie diese staatsgefähr
liche Adresse unterzeichnet hätten.
Aus Untergrombach vom 7. d. wird der Redaktion des „Bad.
Beob." von einem Gastwirthe geschrieben: „Gestern (6. Juli) kam
derselbe Gendarm, der mir vor 14 Tagen den „Bad. Beob." weg-
nahm (ohne mir etwas zu sagen) in meine Wirthschafl. Ich war
in meinem Hausgarten beschäftigt und als ich in mein Wirths
zimmer kam, hatte dieser Gendarm bereits wieder den „Bad. Bs
obachter" hinweggenommen. Auf meine Aufforderung, mir mein
Eigenthum zurückzugeben, sagte mir dcr Polizeimann: „Der „Bad.
Beobachter" soll nicht mehr gehalten werden." — Für diese Aus-
sage habe ich Zmgen." Schön wo Ordnung ist!
Katholische Volkspartei.
Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den Großherzog mit der
dringenden Bitte um KamMeraufl ösun g sind abgegangen:
Von Nüderwihl von
„ Weinsheim
„ Forchheim
„ Beuren
„ St. Georgen
„ Oberried
„ WAlsrsbach
„ Zastler
„ St. Wilhelm
„ Urberg
„ Schlageten
„ Bermatingen und
„ Ahausen
Uebertrag von letzter Nummer
Uebertrag: 6l,414 Staatsbürgern.
Güdveutschlsnd.
Heidelberg, 3. Juli. Unter diesem Datum schreibt man
der A. A. Ztg. von hier: „Eine eigeulhümliche Studentenversamm-
lung hat gestern Abend hier stüttgefunden. In Folge eines Aust
rufs von Seiten des „ Centralausfchusses für Eoangelisirung
Spaniens", an dessen Spitze vie Namen Julio Vizcarondo und
Antonio Carrasco stehen, an die deutschen Studenten zur Mit
Wirkung bei dem Bau einer protestantischen Kirche in Madrid hatte
sich hier ein Comitä aus Professoren und Studenten aller Fakul-
täten gebildet, um. nach dem Vorgänge der Leipziger Studenten,
im Interesse der Toleranz und der Cultur die Sache anzure^en.
Die Betheiligung war von Seiten Studirender aus allen Faeul-
läten eins so zahlreiche, daß der geräumige Saal nicht sammtliche
Theilnehmer fassen konnte. Ansprachen hielten Dr. Schenkel, zwei
Studirende der Rechte, und einen längern sehr anziehenden Vor
trag über die kirchlichen und sittlichen Zustände Spaniens Prof.
Wattenbach, der voriges Jahr Spanien kurz vor dem politischen
Umschwünge bereist hat. Unter lebhafter Acclamation ward allge-
meine Betheiligung der Studenten bei einer Sammlung von Bei
trägen für die neu zu erbauende protestantische Kirche in Madrid
beschlossen. Das Hauptgewicht wurde auf die Verpflichtung der
deutschen Studentenschaft gelegt, der neu aufblühenden spanischen
Cultur hülfreiche Hand zu bieten und den Bau der ersten prote-
stantischen Kirche in Madrid seit der Reformation, als eines welt
geschichtlich merkwürdigen Denkmals der Gewissens- und Geistes-
freiheit, unterstützen zu helfen." Als Gegenstück hierzu aus Preu-
ßen diene ein Entscheid, welcher in diesen Tagen von Seiten des
z. Rector Magnificus der Berliner Umversilät einem Therle der
dort studirenden Katholik u zugekommen ist. „Dieselben hatten",
wie nwn uns schreib. „tum Beispiele ihrer Commilltonen an an
dern Hochschulen folgend, ore genannte obngftuliche Behörde um

Genehmigung eines am 24. Juni d. I. in Berlin gegründeten
akademischen Bonifacius Vereines ersucht und abschlägige Antwort er-
halten, „weil conftssionelle Vereine die Studentenschaft spalten
würden, und daher eine officielle Anerkennung nach den bestehen-
den Grundsätzen niemals zu'ässig sein könne." Aufmerksam gewor-
den auf diesen Versuch der katholischen Studenten, die als nächsten
Zweck ihrer Vereinschästgkeit die Unterstützung des Baues einer
Kirche in Greifswald im Auge halten, und angeregt durch deren
Beispiel, luden alsbald die evangelischen Studirenden der Hoch-
schule durch Anschlag am schwarzen Brette ihre CommiUtomn em
zur Unterstützung evangelischer Glaubensgenossen in der spanischen
Diaspora. Natürlich glaubten die Katholiken, wenn auch nicht
mehr zur Stiftung eines in die O.ffentlichksit tretenden Bonifacius-
Vereins, so doch zu einem gleichen Verfahren, wie. ihre evangeli-
schen Commilüomn sich berechtigt und erbaten daher bei der aka-
demischen Bl Hörde die Erlaubniß Zur Anheftung einer Einladung
bei-uss Unterstützung katholischer Glaubensgenossen in der nordi-
schen Diaspora, insonderheit zu Greifswald. Nach langem Zögern,
und nachdem die katholischen Studenten widerholt von Seiten des
Rectors an den Dccan der evangelisch-theologischen Facultät mit
threr Angelegenheit verwiesen und von diesem wiederum, resultat-
los an Jenen Zurückgeschickt worden, erklärte sich endlich der Rec-
tor abschlägig dahin: „daß ein Anschlag nicht geduldet werden
könne, weil ein solcher Zu leicht als eine Demonstration gegen den
Anschlag der evangelischen Herrn Studirenden sich erweisen würde,
uno weil überdies sie Katholiken in Preußen so gut gestellt seien,
daß die Bestrebungen für den Kirchmban Zu Greifswald nicht ge-
rechtfertigt erscheinen könnten. Soweit der Entscheid des Herrn
Rectors. Jeglicher Commsntar scheint überflüssig." (Köln.VMM.)
* Heidelberg, 9. Juli. Auch das „Evangelische Kirchen-
und Volksblatt" äußert seine tiefste Entrüstung über die Gemein-
heiten und Bübereien, welche in der hiesigen katholischen Schul-
kapelle gegen die Freunde der conseffiomllen Schule vorgekommen
siM und schließt fernen tnfftichm Aufsatz mit folgenden Worten:
„Wir Haden diese Heidelberger Lösung der Schulfrage etwas
ausführlicher mitgethM, um unsere Eiugangsbemerkungen, sowie
überhaupt dis Naturgeschichte unserer Parteizustände, insonderheit
Les freimaurerischen Liberalismus in Politik und Kirche mit einem
Lebensbilde zu beleuchten. Was wird Me nächste Frucht dieser
Bewegung sein? Regierung und Kammer haben nun den Beweis,
oaß das „Volk" mit dem Schulgesetz und zwar mit seinen äußer-
sten ConsiquenZen, wie überhaupt mit dem ganzen liberalen Re-
gierungssystem einverstanden ist und nur noch auf die Ausfüllung
oer „Lücken" wartet l So mtheilt die dermalen herrschende Par-
tei. Aber wie wird sich das Familienleben, wie wird sich die
Jugenderziehung in Folge dieser gewaltsamen Aufregung gestalten?
Wrr glauben, daß „der Tempel wahrer Menschenliebe" nach diesem
Siege der „Wahrheit, der religiösen Duldsamkeit und der geistigen
Frechett" sich bald als sehr brüchig zeigen wird, daß auf Jahre
hinaus der religiöse Friede in den Familien gestört sein wird.
Ebenso werden Eltern und Lehrer, — abgesehen von den Langsam
einLMenden schlimmen Folgen gemischter Schulen für die religiös-
sittliche Erziehung der Kruder, wie für den religiösen Charakter
oer Lehrer, — die bittern Früchte dieser mehrtägigen Aufregung,
in welche die Kinder sogar thätig mit hmemgerrfftn wurden, nur
zu bald zu genießen bekommen. Der abstrakte, hohle Liberalismus
und Rationalismus hat noch ms im Volksleben wahrhaft ver-
söhnend und bauend, sondern nur zersetzmd, lockernd, zerstörend
gewirkt. Geistige Freiheit, gegenseitige Achtung der Confessionen,
Duldsamkeit, ächte Menschenliebe muß auf anderer Grundlage ge-
baut und gepflegt werden."
* Heidelberg, 10. Juli. Die Bad. Lanoeszeitung beschwert
sich über angebliche Grobheiten und Schimpfworte des Pfälzer
Boten und fährt dann fort: „Jede unserer Aufforderungen, den
Kampf anständig zu führen, ist vergebens gewesen." Wir haben
darauf zu erwrvern, daß die Bad. LandLszeimng unseres Wffseus
noch niemals eine solche Aufforderung hat ergehen lassen; dagegen
wird es ihr wohl bekannt fern, und wenn nicht mehr ermneMch,
wollen wir es ihr Nachweisen, daß wir wiederholt etwa vor einem
Jahre iyr Die Anerdrerrmg gemacht haben, unsere F-Hve vom Felde
E Per önUchkcUerr voüstär.Mg ans das oer sachlchea Gründe hm-
uberMUMn. Tue LM.ASMuuig war es, tue uns wagen dieses
 
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