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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 14-25 (2. Feburar - 27. Februar)
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und Land.

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Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

20.

Dienstag den 16. Februar


1869.

Zur Excommunicationsfrage.
Das Recht der kathol. Kirche, ungehorsame, widersetzliche
Glieder aus ihrem Verbände auszustoßen, ist in den jüngsten
Tagen nicht nur durch die bekannte liberale Presse, sondern auch
von einer Seite, die schwerer in die Wagschale fällt, in einer
Weise angefochten worden, die wohl geeignet ist, uns Katholiken
ernste Besorgnisse einzuflößen. Denn wenn die von der gegnerischen
Seite beliebte Ansicht Geltung bekäme, wäre die freie selbstständige
Existenz unserer Kirche in Baden in einer ihrer Wurzeln ange-
griffen, ja zerstört. Erlauben Sie daher, daß ich die Aufmerksam-
keit Ihrer geehrten Leser auf die erwähnte Frage lenke und die-
selbe von ihrer dogmatischen und rechtlichen Seite in möglichster
Kürze etwas zu beleuchten suche.
I.
Unter Excommunication versteht man bekanntlich eine Kirchen-
strafe, durch welche der davon Betroffene von der kirchlichen Ge-
meinschaft und den damit verbundenen geistlichen Vortheilen und
Rechten vollständig oder theilweise ausgeschlossen wird. Daß die
Kirche (also die Träger der Kirchengewalt, die kirchlichen Obern),
das Recht hat, solche Kirchenstrafen zu verhängen, ist eine Glaubens-
lehre, die kein Katholik ohne Sünde läugnen oder bezweifeln kann.
Der hl. Stuhl hat längst, nach dem Vorgang des Concils von
Constanz, die gegentheilige Lehre als dem Glauben zuwiderlaufend
verworfen.
Der göttliche Stifter der Kirche, der Heiland selbst, hat diese
Gewalt den Aposteln und ihren Nachfolgern übergeben, indem er
sagt: „Wer die Kirche nicht hört, der sei Euch wie ein Heide u.
öffentlicher Sünder." „Was Ihr binden werdet auf Erden, das
wird auch gebunden sein im Himmel." Wie also die Heiden oder
öffentlichen Sünder von dem Gottesreiche im alten Bunde aus-
geschlossen waren, so sollen die der Kirche hartnäckig Ungehorsamen
ausgeschloffen sein von der Gemeinschaft der Gläubigen, von der
Kirche.
Wir finden die Ausübung dieser der Kirche übertragenen
Strafgewalt in der hl. Schrift selbst noch verzeichnet. Der Apostel
Paulus schließt den blutschänderischen Corinther, der in seinem
von Gott und der Kirche verbotenen Verhältniß fortlebte, von der
Kirche aus, 1. Cor. S, 4 ff. ebenso die „Lästerer" Hymenäus und
Alexander, 1. Tim. 1, 20. Die hl. Väter, wie die ältesten Con-
cilien vindiciren der Kirche diese Strafgewalt, und wir finden sie
gegen häretisch Lehrende wie gegen Uebertreter der Kirchengesetze
oft in Anwendung gebracht. Es ist also kein Wunder, wenn
unser Diöcesankatechismus lehrt, daß die Kirche nicht nur das
Recht hat, Gebote zu geben, sondern auch das Recht, über die
Beobachtung derselben zu wachen und die Uebertreter zu strafen,
z. B. ihnen die hl. Sacramente zu entziehen, sie zuletzt aus der
Kirche auszuschließen.
Aber kommt vielleicht der Kirche dieses Recht nur zu „in
Unterordnung unter die Staatsgewalt, oder mit Bewilligung der-
selben" ? Wir lesen nirgends, daß der Herr seine Apostel ange-
wiesen habe, vor Ausübung ihrer Bindegewalt bei den Behörden
anzufragen; daß St. Paulus zuerst beim korinthischen Landgericht
sich das Placet eingeholt habe. (St. Paulus gebraucht den Aus-
druck: „Ich habe sie dem Satan übergeben." Wie werden unsere
liberalen Blätter dieses Wort der hl. Schrift charateristren, da sie
schon in der Ausschließung aus der kirchlichen Gemeinschaft eine
„mittelalterliche Rohheit" erblicken?) Ja die Concilien von El-
vira (im Jahr 306), Arles (314), Neocäsarea (314) u. A. gingen
noch weiter. Sie sprachen Kirchenstrafen aus über Solche, die
gegen die kirchlichen Ehegesetze sich verfehlten, obgleich ihr Ver-
fahren staatlich ganz gesetzmäßig und erlaubt war, die namentlich
bürgerlich giltige, aber kirchl. verbotene Ehe eingingen (also über
„Civileheritter", die ihre „staatsbürgerlichen Rechte ausübten.")
Diese Concilien waren demnach weit davon entfernt zu glauben,
die Kirche könne ihre Strafgewalt nur ausüben mit Bewilligung
des Staates.
Es ließe sich auch eine solche Auffassung mit dem dogmati-
schen Begriff der Kirche nicht vereinigen. Die Kirche ist ihrer
Natur nach eine v«r» tzt perkeed» Loeietas, eine geordnete Gesell
schäft, die innerhalb ihres eigenthümlichen Bereiches vom Staate
gänzlich unabhängig ist. Nun kann aber eine Gesellschaft ohne

Gesetze, Statuten rc. nicht bestehen, wie denn jeder Verein das
Recht haben muß, seinen Mitgliedern gewisse Vorschriften zu geben.
Hat aber die Kirche das Recht, Vorschriften zu geben, wie sie
ihrem Zwecke entsprechen, so muß sie auch das Recht haben, über
deren Beobachtung zu wachen resp. deren Nichtbeobachtung zu
strafen. Denn was soll ein Gesetz ohne Sanction? Jedem Ver-
eine steht unzweifelhaft das Recht zu, Mitglieder, die dem gemein-
samen Zwecke entgegenwirken, aus der Gemeinschaft auszuschließen.
Denn wohin müßte es in einem Vereine kommen, der in seinem
Schooß die heterogensten, feindlichsten Elemente dulden und sich
bekämpfen lassen müßte? Folglich muß auch die Kirche das Recht
haben, Mitglieder, die ihren Gesetzen beharrlich zuwiderhandeln,
von sich auszuschließen. Ein Verein, der dieses Ausschließungs-
recht nur mit Bewilligung eines Andern ausüben könnte, wäre
in seinem eigensten Gebiete von diesem Andern abhängig, und so
wäre auch die Kirche, wenn sie das Ausschließungsrecht nur mit
Bewilligung des Staates üben könnte, in ihrem eigensten Gebiete
vom Staate abhängig, was ihrer göttlichen Stiftung und somit
dem kath. Glauben widerspricht.
Wir haben demnach das volle Recht zu behaupten: Wer der
Kirche das freie Recht der Verhängung von Kirchenstrafen, insbe-
sondere der Excommunication, abspricht, der verstößt gegen den kathol.
Glauben, und wer uns zumuthet, einer solchen Ansicht theoretisch
oder practisch beizupflichten, der muthet uns zu, einem Satze beizu-
stimmen, den wir zu verwerfen in unserm Gewissen durch unfern
Glauben genöthigt sind.
II.
Wie stellt sich nun unsere Frage, wenn wir sie vom Stand-
punkte des Rechtes aus betrachten? Wir können sie auf diesem
Standpunkte entweder nach Maßgabe des Naturrechtes, oder der
historisch hervorgetretenen Rechtsanschauungen, oder des bei uns
in Kraft befindlichen positiven Rechtes iu's Auge fassen.
1) Auf naturrechtlichem Standpunkte muß man einmal zugeben,
daß die Kirche ein vollkommener, in sich abgeschlossener Ver-
ein ist, mit allen Rechten, die in der Natur eines Vereines
begründet sind, und daß der Staat diesen Verein und seine
Rechte anzuerkennen ohne Rechtsverletzung nicht verweigern
kann. Nun folgt aber aus der Qualification der Kirche als
eines Vereines mit Nothwendigkeit das Recht, die Mitglieder
zur Beobachtung der Vereinsstatuten anzuhalten, die Reni-
tenten aus der Gemeinschaft auszuschließen, wie wir bereits
gezeigt. Also kann schon auf naturrechtlichem Standpunkte
der Kirche des Excommunicationsrecht nicht abgestritten werden.
Ferner ist ein (nur von modernem Unverstand und Gott-
losigkeit bestreitbarer) Satz des Naturrechtes, daß der Staat
in rein kirchl. Angelegenheiten sich zu mischen kein Recht
habe. Nun ist's aber doch gewiß eine rein kirchliche Ange-
legenheit, wer Mitglied der Kirche werde, wer von ihr aus-
scheide; und folglich steht die Aufnahme und Ausscheidung
ihrer Mitglieder rein der Kirche zu.
2) Fassen wir die Frage historisch auf, so ist vor allem zu be-
tonen, daß die kath. Kirche das fragliche Recht von Anfang
an und immer besessen hat, schon viele Jahrhunderte ehe es
einen badischen Staat gab. Sodann hat unseres Wissens
keine Gesetzgebung, die überhaupt die Kirche anerkannte, ihr
das in Frage stehende Recht abgesprochen. Selbst in dem
kirchenschänderischen Italien hat man das nicht gethan, son-
dern nur die Rechtmäßigkeit in c»su, gestützt auf gewisse
kirchl. Privilegien, bestritten. Sollte unser Baden berufen
sein, auch hierin den traurigen Anfang zu machen?
3) Unser badisches Recht stellt als Grundsatz auf, daß die Kirche
ihre Angelegenheiten frei und selbstständig verwaltet, inner-
halb ihres Bereiches frei ist. Nun fragen wir aber: Was
ist denn mehr eigene Angelegenheit der Kirche, als die Frage,
wer zu ihr gehöre, wer nicht? Wer in diese Angelegenheit
eingreift, wer die Kirche zwingen will, Mitglieder aufzu-
nehmen, die sie als die ihren nicht anerkennen kann, wer
sie hindern will, Mitglieder auszustoßen, die ihrem Wesen
und Zweck feindselig widerstreben, der macht ihre Selbständig-
keit zu einer leeren Phrase.
Aber haben wir nicht einen Gesetzesparagraphen, der die Kirche
in gewissen Fällen an der Verhängung von Kirchenstrafen hindert?
 
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