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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0353

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Samstag den 31. Juli


* Heidelberg, 29. Juli. Nachdem gestern Nach-
mittag das neueste Blatt des Pfälzer Boten schon
mehrere Stunden ausgetragen und zum größeren Theil zur Post
befördert war, brachte ein Polizeidiener die Nachricht von Amts-
richter Süpfle, daß ein Beschlag unseres Blattes ungeordnet fei.
Später erfuhr man noch, daß die auf der Post befindlichen Exem-
plare mit gleichem Jnterdict belegt wurden. Der beanstandete Ar-
tikel bezieht sich auf die Fehde der Karlsruher Zeitung mit dem
Württemberger Staatsanzeiger; er enthält nach unserer Ansicht nichts
Verfängliches und dürfte das Blatt baldigst in die Hände der aus-
wärtigen Abonnenten gelangen. Vorläufig möge hier der Inhalt
der beschlagnahmten Nummer angegeben sein. Außer dem ange-
fchuldigten Artikel aus Heidelberg waren darin enthalten: 1) neue
Anzeigen der Adresse der kathol, Volkspartei, so daß jetzt die Ge-
sammtsumme derUnlerzeichner sich auf 66,757 Staatsbürger belauft.
2) Eine Rede des Prof. Brinz, in Tübingen gehalten. 3) Eine
Mittheilung über den Bericht des Abg. M. Mohl an feine Wähler
über die Verhandlungen des Zollparlaments. 4) Ueber das Be-
stehen der Prügelstrafe in der preuß. Armee. 5) Aus Tauberbischofs-
heim über das dortige saubere Amtsverkündigungsblatt. 6) Von der
Tauber über die Versammlung am 25. d. M.'s. in Bischofsheim.
7) Desgl. 8) Ueber die Todtenfeier der Württemberger in Bischofs-
heim. 8) Aus Baden über die dortige Wahlversammlung am 25.
d. M. 10) Aus Elsenz bezügl. des Aufrufs an die Katholiken. II)
Aus Oppenau über das Wahlresultat. 12) Vom Schwarzwald über
die Schulfrage. 13) Erklärungen der Decanate Buchen und Mos-
bach gegen die Landeszeitung. 14) Ernteberichte und dann noch
drei persönliche Erklärungen, die in die heutige Nummer nochmals
ausgenommen sind. Der Strafantrag des Gr. Staatsanwalts lautet
auf 2 Monate Kreisgefängniß und 100 fl. Geldstrafe. — Wer lacht
da?!!

Constitutionelle Zustände.
Bohlmgen, 26. Juli. Wie die liberalen Herren Wahl-
freiheit u. dergl. verstehen, dafür liefern hiesige Vorgänge höchst
sonderbare Beweise. Schon vor der Wahl der Wahlmänner wurde
durch die Ortsschelle bekannt gemacht: „wegen des maßlosen Trei-
bens der hiesigen Geistlichen sehe man sich veranlaßt, zu bitten,
daß die Bürgerschaft recht zahlreich erscheine." Herr Decan Pfirsig
wollte sodann am Wahltage von der gesetzlichen Erlaubmß Gebrauch
machen und einige Zeit im Wahllokale sich aufhalten. Aber auf
den Ruf eines liberalen Herrn: „Fort mit ihm!" erhob sich Hr.
Bürgermeister und — transportirte den betreffenden Geistlichen
vor die Stiege. Das Unerhörteste jedoch ist Folgendes: Caplan
Fieger, der vor dem Wahllokale wartete, bis die Reihe zur Wahl
an ihn käme, wurde vom Bürgermeister aufgefordert, sogleich ein-
zutreten. Nach der Weigerung des Caplans und verschiedenem
Hin- und Herreden gab der Bürgermeister in Gegenwart der ver-
sammelten Wähler dem Brigadier den Befehl, den Geistlichen ge-
waltsam vor die Wahlcommission zu führen, was
alsbald geschah. Also vorgekommen im Lande der Aufklärung
und Freiheit im Jahre 1869. Wir fragen: Kann eine größere
Rücksichtslosigkeit gegen Andersdenkende geübt werden? Welcher
Paragraph unserer Gesetze hat dem Bürgermeister in Vohlingen
obige Handlung erlaubt? (F. Zt.)
KatholischlBlttkspartett ^
Wettere Adressen an S. Kgl. Hoheit oeu Grotzherzog mit der
dringenden Bitte um Kammerauflösung sind abgegangen:
Von Weildoru von 52 Staatsbürgern.
„ Mesftlhausen 85 „
„ Birndorf )
„ Brrkmgen 193 „
„ Buch §
„ Atzenbach 32
„ Rödichen 39
„ Mühlhausen und Schlatt 78
„ Allensbach 70
Übertrag von Nummer 86 66,356
UsbertragJ 66,905DLtaatsbürgern.

SiLdÄerrLschlsnÄ.
* Heidelberg, 29. Juli. Wir registriren hier folgende
Lügen aus einem einzigen Blatt der „Tauber" (Nr. 167 vom
28. Juli):
1) In einem aus „Baden" überschriebenen Artikel wird be-
baupttt, Dr. Ferd. Bissing sei dort als Landtags-Candidat ausge-
treten Meisterhaft gelogen, um dis Wähler des Bezirks Tauber-
bischofsheim irre zu führen.
2) Dasselbe gilt natürlich auch von dem Artikel „von der
Tauber."
3) Die in der Mittheilung von „Lauda" nochmals gegebenen
Behauptungen über den Vorfall auf dem Bahnhof zu Tauber-
bischofsheim werden ibre Richtigstellung bei Gericht finden.
4) Eine angeblich aus „Heidelberg" datirts Correspondenz
behauptet bezüglich der Aeußerung des Dr. Bissing über„ den
Scandal in und vor der dortigen Schulkapeae: „Darüber ist die
Aufregung hier über die Maßen groß. Man ist entrüstet, daß
ein Bürger seine Stadt auswärts so entsetzlich hsrabwürdigen kann.
Hr. Dr. Bissing hat deßhalb, wie em Kind, das etwas Uebles an-
gestellt hat, bis' jetzt das Herz noch nicht „gehabt, hsimzugehsn.
Jedenfalls bekommt er hier keine Hochs zu hören."
Infam gelogen! Trotz der Aufreizung des Emmerling'sch-m
Käseblattes muß man „die über die Maßen große Aufregung" mit
der Laterne suchen. Dr. Bissing hat sich daher auch die ganze
vorige Woche recht wohl hier befunden. Er ist am ergangene
Einladung am vorigen Sonntag nach Baden gereist und hat hier-
auf einen schwer erkrankten Verwandten in Freiburg besucht, von
wo er morgen zurückkeh-en wird.
Was die Angriffe und Veriäumdungm der Tauber gegen den
Vater des Dr. Bissing anbelangt, so möge die „Tauber" sich bei
dem jetzigen Bürgermeister von Tauberbischofshsim darüber erckum
digen, ob nicht im Jabre 1861 oder 1862 dis Wahlmänner die-
ser Stadt ihm erst schriftlich und dann durch eine besondere Depu-
tation, wobei der verstorbene und der jetzige Bürgermtzister, wie
Kaufmann Rigel u. noch em oder zwei. andere Herren sich befanden,
das Mandat als Abgeordneter für den Bezirk angetragen hatten,
und ob dieser Antrag nicht von demselben wiederholt abgelehnt
wurde. Bezüglich des von Dr. Bissing ssu. im Jahr 1860 ge-
schehenen freiwilligen Austritts aus der II. Kammer genüge
die Bemerkung, daß er seine Wahlmänner aufforderte, fich über
seinen damals gestellten Antrag zu äußern, und dabei bemerkte, daß
er, wenn nur 1/3 der Wahlmänner mit ihm nicht einverstanden
seien, aus der Kammer austreten werde. Hierauf stellte das Wahl-
männer-Collegium die Bitte an ihn, er möge sich der Abstimmung,
so wie der Theilnahme an der Debatte über das Concordat ent-
halten ; wenn dies jedoch gegen seine Usberzeugung sei, so würden
die Wahlmänner es „lieber sehen", wenn er seine Stells als Ab-
geordneter niederlegen würde. Mancher jetziger Abgeordnete könnte
sich hieran ein Muster nehmen.
/X Aus dem untern Tauberthale, 26. Juli. Die Neu-
gierde, auch einmal die so oft gerühmten Kammergroßen Lamey
und Bluntschli zu hören, trieb auch mich gestern nach T.-Bischofs-
heim zu der mit so großen Buchstaben angekündigten national-
liberalen Versammlung. Erst gegen 4 Uhr langte der Zug von
Wertheim an und brachte etwa 200 Wertheimer. Auf den Statio-
nen oberhalb Wertheim bis Bischofsheim stiegen nach selbstgemach-
ter Erfahrung, trotzdem die Protestanten ein starkes Corttingent
lieferten, keine 50 Personen ein. Das sagte selbst ein Wertheimer,
dessen Wort ich zufällig hören mußte. Von Katholiken aus dem
untern Taudergrund waren ganz wenige erschienen. . Dagegen
lieferte, der Schüpfergrund Boxberg, Mosbach und selbst das
württembergffche protestantische Edelfingen eine starke Anzahl, circa
600 Personen. Die Lehrer, Bürgermeister und Rathschreiber fehl-
ten natürlich auch nicht. Die Stadt Bischofsheim selbst bleib —
Dank der Predigt Bunkoser's — der Mehrzahl seiner Bewohner
nach theilnamslos. Die Juden, Wirthe und Kaufleute, ebenso
die Bediensteten und Beamteten hatten ihre Häuser beflaggt. Auf
dem Platze angekommen, der groß genug wäre um 10,000 Men-
schen zu fassen, sah man nach bad. zweierlei Maß, tue großartige
und umfangreiche Rednerbühne im Freien, vor dem Rathhaus u.
der Wohnung des Bürgermeisters Reidel aufgeüst>.pn. v-'o-
Ankunft der Wertheimer mögen ungefähr 1000
 
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