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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 51-62 (1. Mai - 26. Mai)
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PW,er
Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag. 4^4- -»^4-
Donnerstag und 8amstag. »44^ ^4 4444^4

_ Preis viertel.;ährlich 40 kr- ohne
I» Trägerlohn und Postaufschlaß.
Jns.-Geb. 2 lr. die Svaltzeile.


Samstag den 8. Mai

1869.

Einladung.
Die katholische Volkspartei ladet ihre Gesinnungsgenossen zu einer größeren Versammlung
auf Sonntag den 9. Mai, Nachmittags 2Vr Uhr,
im großen Saale der Fortuna in Bruchsal freundlichst ein.
Gegenstand der Berathung bilden die in unserem Aufrufe dargelegten Grundsätze und die Bedürfnisse des badischen
Volkes, welche sich in dem einstimmigen Verlangen zusammenfassen lassen: Auflösung der jetzigen Ständeversamm-
lung und Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Schaffung eines neuen Wahlgesetzes auf
Grundlage des direkten geheimen Wahlverfahrens!
Wir erwarten im Hinblicke auf die große Wichtigkeit zahlreiches Erscheinen.
Den 1. Mai 1869.
Namens der kathol. Volkspartei das provisorische Comitö:

Heidelberg.
Jakob Lindau i Abg. zur II. Kammer und
zum deutschen Zollparlament.
vr. Ferd. Vissing, Zollparlaments-Abg.
_ vr. L. Fischer, prakt. Arzt.__
1^. Heidelberg, 6. Mai. Mit großem Bedauern theilen wir
mit, daß in unserem Aufrufe Herr Oberhofgerichtsanwalt Dr.
Wedekind in Mannheim übersehen worden ist, dessen nachträg-
licher Beitritt hiermit veröffentlicht wird.
Ferner haben sich angeschlossen von Ziegelhausen: Joh. Stoll,
Franz Kunz, Adam Steinbächer, Christoph Köllisch, Karl
Nostadt, PH. Laub, Theodor Petri, Peter Steinbächer,
Joh. Buhl, Joseph Har mann, PH. Mohr, Anton Weber,
Jos. Oesterle, St. Harmann.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 5. Mai. Wir lesen in dem Mainzer Abend-
blatt aus Darmstadt:
„In Folge eines zwischen dem Präsidium des Norddeutschen
Bundes, der Großherzoglich Badischen und Großherzoglich Hessischen

Bruchsal.
G. Bberle, Pfarrer und Kreis-Abg.
F. Hetterich, Vorstand des kath. Bürgervereins.
I. H. Martin, Gemeinderath.

Regierung abgeschlossenen Vertrages wird der Main-Neckar-Staats-
Telegraph am 1. Mai d. I. der Telegraphen - Verwaltung des
Norddeutschen Bundes unterstellt und das Bureau in der Rhein-
straße geschloffen."
Anfrage: Ist die Telegraphenstation Heidelberg auf der
Main-Neckar-Bahn bereits in die Hände der Preußen übergegangen?
Wir erwarten Antwort, — das Land ist intereffirt dabei!
* Heidelberg, 6. Mai. Die holde Mailuft übt ihre Anzie-
hungskraft zum Reisen. Die Königin von Preußen ist in Baden
angekommen, Hr. v. Roggenbach treibt sich als eowmis
in Carlsruhe und Heidelberg herum, Hr. Jolly genießt die Reize
der Villa Falkenstein, Hr. v. Ungern schlürft den Kräuterwein bei
Freund Knies, Hr. Lamey ist von seinem Schnupfen wiederherge-

A Nach einem Fortbildungs-Abend.
Anterhallungen in der Herberge,

Die Gesellen: Gott grüß' dich Bruder Straubinger; freut uns, daß
wir dich fehen!
Bruder Straubinger: Guten Morgen Kinder!
Die Ges.: Welch' neumodischer Gruß, Bruder!
Br. Str.: Ganz nach neupreuhischem Schnitt, den ich mir famos ange-
wöhnt habe.
Die Ges.: Du kommst aus dem Mußpreußenthum io spe?
Br. Str.: Wie ihr seht Jungens!
Die Ges.: Was bringst du Neues mit? Ist die Brücke über den Main
bald fertig?
Br. St.: Die Brücke noch nicht, aber die Stütze dazu.
Die Ges.: Die obervormundschaftliche Genehmigung soll doch schon einge-
troffen sein?
Br. Str.: Auch noch nicht — fataler Weise — auf Seele — ist dazu bei
einer Versammlung in Offenburg unter den Maurern und
Handlangern eine Strike ausgebrochen.
Die Ges.: Um verdienten höheren Wochenlohn zu erzwingen?
vr. Str. So is es — Aber da muß auch der Bluntschli, der bekannt-
lich immer gern' die Leitung übernehmen möcht', just im Augen-
blick zu sehr beschäftigt sein mit die Vorbereitungen zum ökumeni-
schen Concil in Worms. — Gr versichert das römische zum Weichen
zu bringen, wenn er sich mit dem Schenkel dagegen stemmt.
Die Ges.: Sin Blitzkerl, der Bluntschli! — Nun, und da besagter
Brückenbau auf Staatskosten ausgeführt »erden soll, so werden
ihm auch etwelche Expropriationen vorangehen müssen.
Br. Str.: Sieh mal, wie ihr klug seid, Kinder — und weil das neue
Bauwesen den Staat sehr theuer zu stehen kommen kann, so wollen
die Großindustriellen unterdessen dem Nationalwohlstand aufhelfen
durch Abschaffung —
Die Ges.: Der stehenden Heere?
»r. Str.: Das weniger, aber durch Abschaffen der katholischen Feier-
tage !
Gin Altgeselle: Schwere Noth, was für Widersprüche! Dieselben Leute,
als sie damals in der PaulSkirche saßen, drangen auf Abkürzung
der Arbeitszeit.
Bruder Straubinger: In den Grundrechten? Na nu von die Rech-
ten wollen sie jetzt nichts mehr wissen, seitdem man ihnen begreif-
lich gemacht, daß Gewalt mehr «erth sei wie Recht.
G,n alter Fechtbruder: Demnach Hütten wir also unsere Haut vergeb-
lich zu Markt gelragen, anno acht- und neunundvierzig?

Br. Str.: Diese Frage kann ich dir nicht beantworten, Brüderchen ; lege
sie den Juristen vor, oder zie^e die Weltgeschichte zu Rath,
von welcher Einige behaupten, daß sie das Weltgericht sei.
Der Altgeselle: Von diesem Gerichte hab ich wohl schon in der Schule
gehört, aber von dem obersten Gerichte zu Mannheim sagte uns
dieser Tage ein wandernder Spezel, es hätte mithelfen sollen das
erzbischöfliche Palais zeitweilig von Freiburg nach Rastatt zu ver-
legen ?
Bruder Straubinger: Jott straf mir! das is wahr, — zum hochwürdig-
sten Empfang der Gäste hatte man schon das Haus neu eingerichtet,
nämlich die Hausordnung; — das is nu wieder alle nischt!
Der Altgeselle: Wo bleibt aber der Excommunicant?
Br. Straubinger: Der wird eben auscommunicirt haben!
Der Altgeselle: Nu, und die Beileidsadressen der Stroh- Pipmeier's?
Bruder Straubinger: Ei nu, von die könnte jetzt die zweite Auflage
veranstaltet werden!
Der Altgeselle: In England wird ein Minister, der an so häufigen
Durchfällen leidet, wegen angegriffener Gesundheit in den wohlver-
dienten Ruhestand versetzt werden.
Br. Straubinger: In England! I, da is das konstitutionelle Leben
noch nich so vorangeschritten — Wo haben die Fortschrittsmänner
und Cülturräthe?
Die Gesellen: Bruder Straubinger, du kommst doch aus dem badischen
hardwälderischen Centralpunkt. —Was für Fragen brennen denn da ?
Br. Str.: Außer der Wasserfrage ist es die Frauen frage —ein Import-
artikel, der bereits seine „orientirende Beleuchtung" gefunden hat
— denn da sie unsere Brüder in Abraham so flott emancipirt
haben, soll nun die Reihe an die Töchter Eoa's kommen.
Die Gesellen: Nach allen Rechten!
Bruder Straubinger: Wahrscheinlich auch mit Sitz und Stimme in
den Kammern: denn im mündlichen Verfahren sind sie bekannt-
lich schon lange voran, nur in puncto der Oeffentlichkeit mußten
sie wegen mangelnder Gleichstellung noch ein wenig hinter der
Gardine bleiben.
Die Gesellen: Nun und wir! Spricht man denn gar nicht von uns,
he? Allgemeine und direkte Abstimmung!
Bruder Straubinger: Die allgemeine Stimmung ! I die würde
nicht paffen zum jetzigen Kammerton, der bekanntlich seit der
neuesten Aera bedeutend herabgestimmt worden ist und nicht mehr
aus dem F F geht.
Der alte Fechtbruder: Und doch könnten die Saiten einmal über Nacht
reißen bei 'nem plötzlichen Umschlag der Witterung, oder wenn das
Instrument in Zug käme! — Bas Marianne, lang mir noch en
Schoppe Rothe!
 
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