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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

* Ein „schwarzes" Ministerium.
Die nationalliberalen Blätter, an ihrer Spitze die Landes-
zeitung, haben zu unzähligen Malen darauf hingewiesen, daß die
gefürchteten „Schwarzen" gar keine Leute hätten, um aus ihrer
Mitte ein Ministerium zu bilden. An dieser Annahme trug in-
dessen lediglich die übergroße Bescheidenheit der >,Schwarzen" die
Schuld, indem sie selbst im Jahre 1866, wie insbesondere der
Bote in einem vor Gericht gestellten und verurtheilten Artikel:
„Neue Zeiten — neue Männer" gethan, die Selbftverläugnung so
weit trieben, daß sie kein Ministerium von ihrer Farbe, sondern
lediglich ein solches von unparteiisch nach beiden Seiten hin han-
delnden Männern verlangten. Die Nalionalliberalen möchten den
Fortschritt in alleinigen Pacht nehmen, — eitle Täuschung, er
kommt auch den „Schwarzen" zu gut, und so sind denn diese in
der Erkenntniß fortgeschritten, daß sie alle Eigenschaften besitzen,
um ein Ministerium aus ihrer Mitte hervorgehen zu lassen. Hier-
bei vergegenwärtigen sie sich die jetzige Situation und werfen einen
Blick auf die Regierung der neuen Aera. Da finden sie denn,
daß das Regieren eigentlich so gar keine große Kunst ist; denn
wohin die Herren der neuen Aera Baden gebracht haben, dazu
gehört doch wahrhaftig nicht viel Regierungskunst! Oder sollten
die Jollyaner die aus Hellem Halse verlachte und durch die schwe-
ren Anklagen der bisherigen Parteigenossen noch heiterer gewor-
dene Phrase vom bestregierten Musterstaate diesseits des Oceans
noch ferner auf ihr Panier schreiben wollen? Wir zweifeln daran
trotz der grandiosen Leistungsfähigkeit der Leute im Posaunen-
blasen. Sind wir doch auf kirchlichem Gebiete in einem Zustand
der Zerrissenheit angelangt, der dem Lande unsägliche Wunden
schlägt, für den aber unter dem jetzigen Ministerium eine Heilung
gar nicht denkbar ist, während wir politisch aus dem Nullpunkt
stehen, sowohl was unsere Stellung Zu den übrigen deut-
schen Staaten betrifft, als was das öffentliche Leben im Lande
angeht, das so vollständig darniederliegt, daß fast Niemand mehr
sich um allgemeine Interessen bekümmern mag.
„Neue Zeiten — neue Männer!" Das halbe Dutzend Jolly-
aner hat keinen Boden im Volk, die Offenburger find abgenützt,
noch ehe ihre „Organisation" vollständig redigirt ist, Demokraten,
die übrigens in politischen Dingen auf ziemlich gleichem Stand-
punkte mit uns stehen, sind nur einige vorhanden, — also muß
man's einmal mit den „Schwarzen" versuchen. „Prüfet Alles und
das Beste behaltet;" — wir glauben, die „Schwarzen" würden die
Prüfung gut bestehen.
Denken wir uns also einige Männer aus unseren Reihen an

die Spitze der Regierung versetzt, — was würden sie da thun?
Da wäre denn auch eine Osterproclamation nothwendig, in welcher
wir vor allem zwei Sätze finden würden: 1) Wir wollen Frieden
haben nach Außen, und um ihn zu erhalten, wollen wir keme
„Ziele" anstrebeu, die uns zum Spielball und Tauschobjekte für
andere Mächte machen, wir wollen vielmehr, gestützt auf die Ge-
sinnungen des Volkes von 1859 und 1866, die Wiedervereinigung
und Versöhnung des gesammten Deutschlands anstreben, aber
keineswegs uns zum „Opfer" dem vergrößerten Preußen darbrin-
gen; 2) Wir wollen den Brieden im Land und darunter verstehen
wir zunächst das Aufhören der bis jetzt vorwiegend kirchlichen Po-
litik, welche, wie nun einmal die Dinge liegen, nicht mehr in ge-
waltsamem Verschmelzen des Kirchlichen und Staatlichen ihren Ab-
schluß finden kann, sondern einzig und allein im Gegentheil hie-
von, also in der weitest gehenden Trennung Beider, in der voll-
kommenen Freigcbung alles kirchlichen Lebens, so daß die feind-
lichen Berührungspunkte zwischen Kirche und Staat gänzlich Hin-
wegfallen.
Das Nächste wäre jedenfalls die Kammerauflösung und die
Einführung direkter und geheimer Wahlen, die allein den wahren
Volkswillen feststellen und ohne Zweifel ein Resultat herbeiführen
würden, das über die Denkweise ves Volkes keinen Zweifel lassen
würde. Die Steuern würden namhaft heruntergefttzt und einzelne
sehr lästige Abgaben, wie die Weinaccise, ganz aufgehoben wer-
den, was recht gut geschehen könnte, da ein strenges Sparsystem
zur Geltung käme, namentlich was das Militär betrifft, das auf
ein Minimum reducirt und in seiner Präsenzzeit verkürzt würde,
dann bei Besetzung von Lehrstühlen, die wir eher an den Wenigst-
nehmenden versteigern ließen, als daß wir den Volksgeldbeutel mit
der sehr unnützen Last von kostspieligen Luxus- und Paradepferden
behelligen möchten, und bei der Beamten- und Schreiberhierarchie,
die in ihrem jetzigen Bestand dem Lande eine ungeheuere Summe
kostet. Endlich würden wir es für unsere heilige Pflicht erkennen,
den Gemeinden die weitest gehende Selbstbestimmung zu geben, in-
dem wir sie von der Beamtenvormundschaft vollständig emancipiren
und von der im eigenen Innern schaltenden Tyrannei der großen
Ausschüsse befreien würden. Davon aber wollten wir nichts wissen,
daß, wie unsere Gegner mit ihren sog. Einwohnergemeinden beab-
sichtigen, ein jeder Lumpacivagabundus hereinwandern und an den
Gemeindegenüssen Theil nehmen könnte.
Das ist unser Programm, das sich von dem der Offenburger
nur darin unterscheidet, daß diese fragen: was will die Kammer?
— wir aber: was will das Volk?

Die Herbstfeier.
Eine Erzählung von L. M. F.
(Fortsetzung.)
Elisabeth zuckte unwillkürlich zusammen vor dem seltsamen Bilde. Indem
hörte man ein Paar Pferde im raschen Galopp vorübersprengen, und gleich
darauf kam der kleine Florentin lustig herein, und rief, in die Hände klopfend :
„Ach Mütterchen, ach Mütterchen, da jagten schöne grüne Reiter durch's Dorf!
Husaren sind's nicht, das halt' ich gleich von Anfang weg, und Kürassiere
noch weniger. Ich habe das Regiment noch in meinem ganzen Leben nicht
gesehen, aber herrlich sehen sie aus; das muß wahr sein! O Mutter thu'
doch nur.den Fensterladen auf! Dort von der Landstraße herunter kommen
ihrer noch viel mehr!"
Das Kind sprang wieder jubelnd aus der Thüre; voll banger Ahnung
öffnete Frau Elisabeth ihr Fensterlein, und blickte forschend in die nun still -
gewordene, mondhelle Nacht hinaus. Die alte Marthe lauschte neugierig hin-
ter ihr.
Auf hohen, schweren, dunkelfarbigen Rossen trabte ein zahlreiches Reiter-
geschwader vorüber, Einige von weißen Mänteln umflogen. Andere in grüner
fremdartiger Uniform.
„Nun da geht mir's, wie Euerm kleinen Florchensagte Frau Marthe.
»Das Regiment hab' ich in meinem Leben noch nicht gesehen."
„Es sind ja Feinde!" stammelte Elisabeth; „sind ja französische Jäger.
— (massours ä olleval!" —
„Daß Gott erbarm!" kreischte die hinausstürzende Marthe. „Nun ist
also unsre ganze Armee todtgeschossen! — Alles verloren! Alles verloren !
— Und der mir zu Hause steht da ein ganzer Teller mit Butter frei auf dem
Tische! — Alles verloren!" —
„Alles verloren!" seufzte Elisabeth .leise aus schwergepreßtem Herzen,
""r ist, als hätte sie recht. O mein edles, unglückliches Vaterland!"
— Welt beugte sie sich aus dem Fensterlein, und schaute den Fürdertrabenden
nach. —

„Ach Himmel", flüsterte sie dann, „und eben mußten reitende Jäger die
Ersten sein!" —
Von einer wehmüthigen Erinnerung ergriffen, brach sie in heiße Thränen
aus. Sie schloß Fenster und Hausthüre zu, und setzte sich dann weinend u.
betend auf eine Bank in des Stübchens entlegensten Winkel, um die erst vom
Schrecken zurückgedrängte Leidenswohlthat der Zähren in frommer Stille zu
genießen.
Nach einer Stunde etwa pochte es heftig gegen die Thüre des Häuschens ;
Pferde scharrten draußen, und ein unverständliches Gemurmel von mehreren
Stimmen ließ sich vernehmen. Voll starken Gottvertrauens nahm Elisabeth
die Lampe vom Tische und schritt aus dem Zimmer, wie sie meinte, den ein-
brechenden Feinden entgegen. Aber Florentin, der aus einzelnen Worten der
Mutter vernommen hatte, was vorgehe, und als eine muthige kleine Schild-
wacht auf dem Flure stand, kam beruhigend herzu, und sagte: „Noch hat es
nichts auf sich, Mütterchen. Es sind welche von unsern eignen Leuten. Hörte
ich doch eben erst ganz deutlich, wie Einer hereinrisf: dummer Bauer, mach'
auf!" — Lächelnd entgegnete Elisabeth: „Nun freilich, das war so hübsch,
als möglich!" Doch wirklich etwas beruhigt durch den seltsamen Trost öffnete
sie den obern Flügel der Hüttenthüre, und leuchtete hinaus.
Menschen und Pferde drängten sich zu einer verwirrten Gruppe in einan-
der ; ein junger Chirurg trat ungeduldig dazwischen hervor, ausrufend : „Nun
endlich wird's einmal!" Aber wie ihm die von Mond- und Lampenschimmer
seltsam beleuchtete Elisabeth in's Auge fiel, wich er fast scheu zurück, und
sagte: „Entschuldigen Sie meinen Ungestüm, Madame; wer konnte Ihres
Gleichen unter diesem Dache vermuthen! Sind Sie indeß wirklich die Haus-
wirthin, so hat uns ein guter Stern hierher geleitet. Wir bitten um Bei-
stand für den schwer verwundeten Obristen von Greifenhorst."
Elisabeth zuckte sichtbar zusammen; dann aber rief sie eifrig: „O von
Herzen gern! Von ganzer Seele gern!" Und das Thürlein vollends öffnend,
leuchtete sie den vier Dragonern, die den schon vom Wagen gehobenen Greis
hereintrugen, nach dem Zimmer voran.
(Fortsetzung folgt.)
 
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