Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

DOI Kapitel:
Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0389

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

/s» Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Ajm SHIZ Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeilr.

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und 8amstag.

97.

Katholische Volkspartei.
Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den Gryßherzog mit der
dringenden Bitte um Kammerauflösung sind abgegangen:
Von Ulm bei Lichtenau von 55 Staatsbürgern.
„ Oberbergen 74 „
Uebertrag von letzter Nummer 69,073 „
Uebertrag: 69,202 Staatsbürgern.

* Dl-, Schmieder, ein Vorkämpfer der
neuen Aera.
„Helf was helfen mag!" so schreit in Todesnöthen das saubere
Kleeblatt, das im ganzen Taubergrunde bis zur Vernichtung ge-
schlagen worden ist und dessen Wuth und Rachedurst jetzt keine
Gränzen mehr kennt. Alles Kothwersen auf die Geistlichen und
einzelne andere Persönlichkeiten im Taubergrunde ist ohne Wirkung
geblieben, ja, es hat das entgegengesetzte Ergebniß zur Folge ge-
habt, - es hat die Erbitterung gegen das größte aller Schmutz-
blätter im Amtsstädtchen an der Tauber nur noch zu helleren
Flammen angefacht, namentlich nachdem man so weit gegangen ist,
sogar einen in Jahren weit vorgeschrittenen Geistlichen gerade mit
Beziehung auf sein Alter dem schmähenden Hohne preiszugeben.
Neuestens hat denn auch dasselbe Amtmannsblättchen, das in
schändlichen Wuthausbrüchen von jeher Erstaunliches zu leisten
weiß, alle Schleichen seiner Cloake geöffnet, um den Inhalt auf
Dr. Vissing auszuspritzen, ja es hat sogar den Staub von den
Schulbänken aufgejagt, um ihn einem Manne von 37 Iah.en in
die Augen zu werfen! Bei Bauern und Geistlichen soll Dr. Vissing
denuncirt werden — der Zweck heiligt ja die Mittel, was will
man mehr? Solchen Menschen gegenüber nur ein Wort mehr zu
verlieren als nöthig ist, wäre eine Schmach, die man sich selbst
anthäte, und was insbesondere Dr. Vissing betrifft, so wissen die
Bauern sehr wohl, daß er sich stets als ihr Freund gezeigt und
mit ihnen überall lieber als mit dem Stadtvolke verkehrt, und dis
Geistlichen wissen, was er in der Presse wie im öffentlichen Auf-
treten für sie geleistet hat. Seitdem Dr. Vissing am politischen
Leben activen Antheil nimmt, hat er immer auf dem Platze ge-
standen, auf welchem er jetzt steht, — können das die Andern, kann
es Amtmann Schmieder von sich sagen? Von den wandernden Casi-
no's bis auf den heutigen Tag hat Dr. Vissing unter schwierigen
Verhältnissen und der größten Uneigennützigkeit bei seiner Fahne
gestritten, er hat, als er die Schwelle des kathol. Castno's über-
schritt, jeoe Brücks hintsr sich abgebrochen und alle Hoffnung drau-
ßen gelassen, die er für das Vorwärtskommen seiner Person in
diesem glücklichen Lande noch hätte hegen können; er hat selbst
Anerbietungen nach auswärts unberücksichtigt gelassen, um seinem
Kampfe gegen die badische Aera nicht entsagen zu müssen; er hat
den Schmerz ertragen, die Maßregelung seines Vaters mitanzu-
sehen, die erfolgt ist, weil er als Sohn so schlecht-ministeriell ge-
rathen war. Und da will jenes traurige Häuflein kommen, um
Steine auf die Gesinnung dessen zu werfen, der in den ge-
fährlichsten Stürmen das Programm der Freunde aufrecht erhal-
ten hat! Wie niedrig denken diese Leute von einem Wahlcollegium,
in solcher Weise auf dessen Entschlüsse einwirken zu können, nament-
lich wenn sie sich selbst im Spiegel betrachten und auf eigener
Stirne lesen können, meß' Geistes Kinder sie sind! Also lassen wir
ihnen den letzten Aufschrei ihrer Gemeinheit, dem ein Mann mit
Verachtung den Rücken kehrt, der ganz und rückhaltlos und
mit aller Kraft für seine Fahne einsteht, — es ist der letzte
Stich einer zum Tode verwundeten giftigen Schlange! —
Und wer ist die „Tauber"? Die „Tauber" ist ein Amts-
verkündigungsblatt, das in allem, was es thut und schreibt, vom
Amthause abhängig ist. Es war daher lächerlich vom Amtmann
Schmieder, im Pfälzer Boten zu erklären, er stehe in keinen Be-
ziehungen zu seinem eigenen Amtsblatte!! Es wäre das ungefähr
so, wie Dr. Vissing in dem Proceß mit diesem Herrn erläuterte,
wie wenn der Minister Jolly erklären wollte, er habe keine Be-
ziehungen zur Karlsruher Zeitung. Weiß ja doch zudem
jedes Kind, daß die Constanzer und die Kraichgauer Zeitung
von Amtswsgen Nasen erhielten, weil sie zur Zeit der Offen-
burgerei zu Kiefer statt zu Jolly standen! Herr Schmieder

1869,

wird also doch selbst nicht zu behaupten wagen, daß der
Buchdrucker Lang auf eigene Faust handeln dürfe! Nein, Herr
Schmieder hat Gefallen an dem Unflathe, den die „Tauber" pro-
ducirt, Herr Schmieder hat den Blasbalg in Händen, — brenne
fort, brenne fort, du lustiges Feuerchen vom Taubsrstrande! Wir
haben uns angeboten, es zu löschen, ehe es größere Dimensionen
annimmt, wir wollten dies thun im Interesse des Friedens von
Land und Leuten, die Akten sollten geschloffen werden, man sollte
sich nur noch als Partei, nicht als Personen bekämpfen, —
jetzt ist das rein unmöglich, und Ihr werdet uns, kleines Häuf-
chen wie Ihr seid, auf dem Platze finden! Wenn aber Eure
Stadt dabei nothleider, dann klaget getrost Euch selber an, wir
waschen unsere Hände in Unschuld! —
Wer die „Tauber" ist, wissen wir, — wer aber ist Dr.
Schmieder?
„Die Polizei ist die Seele des Staates", — das sind Worte,
welche ein junger Beamter nach der Unterdrückung des badischen
Aufstandes und unter dem schirmenden Dache des Standrechts im
Oberlands als sein Programm verkündete. Der junge Beamte
war Dr. Schmieder, der jetzt die Selbstverwaltung des Volkes durch-
führen soll! Obigem Grundsätze getreu war Schmieder einer der
thätigsten Beamten bei Auffindung und Bestrafung von Theil-
nehmern an dem Aufstande des verhängnißvollen Jahres 1849.
Sagen Sie einmal, Herr Schmieder, denken Sie nicht mehr an
Ihren Freund Gageur, der als Amtsrichter gestorben ist, und
schlägt das Herz Ihnen mcht etwas lauter, wenn Sie an ihn den-
ken müssen? Die Thätigkeit des Herrn Schmieder im reactionären
— man entschuldige den bezeichnenden Ausdruck — Fuhrwer-
ken ist damals in Oberländer Blättern, namentlich in dem Frei-
bürger Blatte, auf's Höchste gepriesen worden, — Vie Welt sagte,
er habe es selbst geschrieben, unv wie könnte das anders sein, da
gewiß doch sonst Niemand derartige Thaten verherrlichen wird!
Herr Schmieder war damals einer der eifrigsten Ultramontan-
Großdeutschen, — schwarzgelb-schwarz war die Farbe, die er ver-
ehrte. So kam es denn auch, daß er auf's Eifrigste für die Durch-
führung des Concordats thätig war und dieses als die rettende
That für Baden betrachtete d. h. so lange eben das Ministerium
am Ruder war, welches die Durchführung des Concordates sich
zur Aufgabe gemacht hatte. Als aber Stengel und Meysenbug
gestürzt waren, „ja, dann, Bauer, war's etwas ganz Anderes",
dann ging Herr Schmieder mit Sack und Pack in's andere Lager
über, getreu der Schilderung, welche Bluntschli über die Ministe-
riellen um jeden Preis der staunenden Welt entrollt hat. Daß
aber das Standrecht längst abgethan war, mußte Herr Schmieder
zu seinem Leidwesen an sich selbst erfahren; denn als er — der
Vezirksbeamte — in Waldshut an offener Tafel einem Angestell-
ten an Großherzogs Geburtstag eine Ohrfeige gab, wurde er nach
Tauberbischofsheim sehr gegen fernen Geschmack versetzt.
Hier bot sich nun für einen so strebsamen Beamten die beste
Gelegenheit, eine ebenso geräuschlose wie nachdrückliche Thätigkeit
zu entfalten, — lag das Städtchen ja doch vom großen Verkehr
entfernter und die Bauern der zahlreich Herumliegenden Dörfer
sind ja doch stets besonders begnadet von der liebenden Fürsorge
des Beamtenthums. So hörte man wenig mehr von den Thaten
des Dr. Schmieder, bis auf einmal die neueste Aera unter Mathy-
Jolly dem rührigen Manne sein ursprünglichstes Programm als
das entsprechendste in die Erinnerung zurückrufen mochte: „Die
Polizei ist die Seele des Staates!" Es war an einem trfiben
Decembertage, da fanden sich die Herren Lindau und Vissing mit
einigen eingeladenen Geistliche^ in Lauda zusammen, um dort
über Vereins- und Preßangelegenheiten zu conferiren. Es war
keine größere Versammlung, sondern nur eine Besprechung von
kaum zwei Dutzend Leuten beim Glase Wein, — und siehe da!
zum Erstaunen Aller erschien Herr Schmieder im Gefolge des Bür-
germeisters des Städtchens, um der Berathung, die er als V o lk s-
versammlung bezeichnete, beizuwohnen. Ader noch mehr. Als
die Anwesenden von Herrn Pfarrer Henninger eingeladen wurden,
ein Glas Wein in seinem Hause anzunehmen, erklärte Schmieder,
er werde auch mitgehen, und als man ihm bemerklich machte, er sei
nicht eingeladen, rief dieser freisinnige Beamte aus: „Und ich werde
mitgehen trotz alle dem!" Das war venu doch zu stark, — und
er lernte alsbald begreifen. Laßer es mchr mit Männern zu thun

Samstag den 21. August
 
Annotationen