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.HZ 139.
Samstag den 27. November
1869.
Kammerverhandlungen.
* Karlsruhe, 16. Nov. (Fortsetzung und Schluß der De-
batte über die Civilehe.)
Abg. Eckhard sucht die Aeußerung Biffing's in Betreff der
Offenburger zu widerlegen und erklärt, daß Letztere noch manche
Forderung der Regierung gegenüber auf dem Herzen hätten, auf
welche diese einzugehen sehr gut thun werde. Das Volk wisse
freilich die Gabe, die man ihm heute bringe, noch nicht genügend
zu schätzen; das komme später. Nicht alle Rufe und Petitionen,
die von Außen kämen, weheten aus dem Kopfe der Petenten her,
was Redner an einem Beispiele zu erläutern sucht, indem ihm
einmal von einem angeblichen „schlichten Landmann" eine Schrift
von vielen Bogen gegen die Civilehe zugegangen sei, eine Abhand-
lung, die doch unmöglich der „Landmann" geschrieben haben könne.
Was das ,,rnulisr tuesut in seelosia" des Abg. Biffing betreffe,
so glaube er, es würden sehr viele Jungfrauen recht erfreut sein,
ihr stilles Ja vor dem Bürgermeister sprechen zu können. Dann
gibt Redner eine zweite Auflage (oder gar dritte?) seiner früheren
Aeußerungen über die bekannte Abhandlung von Alban Stolz und
das Bild über die Civilehe zum Besten und verweist die dort ge-
brauchten Ausdrücke in eine Categorie des Büdgets vom Handels-
ministerium. Redner erhebt seine Stimme zu einem herzhaften
Pfui! über diese Literatur, da er das Pfuirufen nicht dem Abg.
Lindau allein überlasten, sondern auch einmal anwenden wolle.
Redner erklärt, er habe von allen Seiten Aufforderungen erhalten,
sich nicht beirren zu lassen durch die Schwierigkeiten, welche seiner
Motion in den Weg gelegt würden, sondern unverdrossen an die-
ser Sache fort zu arbeiten, und heute hoffe er die Früchte davon
zu erndten. In Italien bestehe dis obligatorische Civilehe bereits;
in Oesterreich werde sie nicht mehr lange ausbleiben; in Preußen
sei sie freilich in die Ferne gerückt durch das Mühler'sche System,
das Redner stark angreift, um so bester sei es darum, wenn wir
mit einer solchen Gabe in den Nordbund einträten. Redner er-
geht sich dann in Tadel gegen die orthodox-protestanüsche Partei.
Ein Pfarrer Mann habe ihm ein Pamphlet gegen die Civilehe zu-
geschickt, daneben habe er die Schrift von Gneist, da könne nun
Jeder wählen, was seinem Verstand am besten zusage. — Der
Staat solle nichts nach der Kirche fragen bei der Civilehe, die
Kirche frage auch nichts nach ihm. Der Abg. Lender habe erzählt,
Pius VII. habe geweint, als Napoleon ihm die Zustimmung zur
Civilehe abgenöthigt habe. Der Papst habe aber unterschrie-
ben, und das sei die Hauptsache, — das Weinen habe er um-
sonst. Ein deutschem Kaiser habe auch einmal im Schloßhof zu
Canossa geweint, es habe ihn aber nichts genützt. — Die Civilehe
sei auf dem Lande falsch geschildert worden, die Regierung solle
sich darum nicht kümmern, sondern sie an Neujahr einführen. Er
freue sich, daß er (Eckhard) jetzt nicht mehr die Last auf feinen
Schultern allein trage, sondern daß die Regierung die Verant-
wortung jetzt m i t tragen müsse. Lender habe sich heftig gegen An-
dersdenkende geäußert.
Lender: Ich protestire!
Eckhard: Und doch sei es so! Auch er protestire gegen
Lender's Aeußerungen, er sei auch Katholik, wenn auch kein streng-
gläubiger. Er habe eine kirchliche Censur erhalten, das kümmere
ihn aber nicht: er glaube an eine sittliche WMordnung, deren
oberstes Prinzip die Liebe sei, und diese werde täglich von den
Geistlichen verletzt.
Nach Eckhard sprach der Abg. Roß Hirt, über dessen aus-
gezeichnete, juristisch tief durchdachte Rede wir keine Notizen haben,
da unser Berichterstatter während dieses Vortrages zum Luftfchöp-
fen eine kleine halbe Stunde Erholung nöthig hatte. Wir geden-
ken dieselbe nachträglich nach dem stenographischen Berichte wört-
lich zu bringen.
Nach dieser meisterhaften R^de wurde der Schluß der Debatte
beschlossen und jetzt nur noch dem Berichterstatter Kiefer das
Wort verliehen. Derselbe suchte auszuführen, daß die Gesetzvor-
lage über die obligatorische Civilehe nicht, wie der Abg. Biffing
meine, die Frucht eines Übereinkommens zwischen der Regierung
und einer Partei sei, sondern sie entspringe aus innerer Noth-
wendigkeit. Es sei falsch, wenn behauptet werde, nur die Kirche
beruhe auf sittlicher Grundlage; dasselbe sei beim Staat der Fall,
der gleichfalls den sittlichen Gehalt der Familie als sein Funda-
ment betrachte. Es sei unläugbar, daß die Kirche große Verdienste
Der schwarze Dämon.
Erzählung aus dem 8eemannste6en von Henry.
(Alte und Neue Welt.)
(Fortsetzung.)
„Rasch an Bord, Sir!" sagte der Kapitän. „Stellt den Schaden wieder
her, so gut als es geht, und behaltet die Fregatte in Sicht, so lange als
möglich. Solltet Ihr von uns getrennt werden, so segelt nach Jamaika. Vor-
wärts !" -
Ich brauche kaum beizufügen, daß alle Befehle mit Schnelligkeit ausgeführt
wurden. Die Kunde, daß der berüchtigte Pirat an unserer Leeseite sei, die
Möglichkeit, den „schwarzen Dämon" abzusangen, hatte größere Lebhaftigkeit
unter dem wohl disciplinirten Schiffsvolke hervorgebracht als der rauhe Com-
mandoruf unseres Obersteuermannes. Die Fregatte flog mit dem Winde da-
hin. In weniger als zehn Minuten, nachdem ich in das Boot gestiegen, war
ich an der Seite des fremden Schiffes, während der „Blitz" mit vollen Segeln
die Jagd auf den „Dämon" fortsetzte.
Als ich auf dem Deck des übel zugerichteten Schiffes stand, bot sich mir
ein gräßlicher Anblick dar. Waarenballen und erbrochene Kisten lagen überall
zerstreut und dazwischen und darauf schrecklich verstümmelte Leichen! Einige
Minuten stand ich da, beinahe ganz meiner Sinne beraubt. Ich war kein
Neuling mehr in Gefechten; ich hatte manchen blutigen Körper nach dem
Kampfe auf dem Verdeck liegen sehen, ohne zu schaudern. Doch die Unglück-
lichen vor mir waren durch die ruchlosen Mörderhände und nicht in ehrlichem
Kampfe mit tapfern Feinden gefallen. Meine Leute folgten mir dicht zusam-
mengedrängt.
Wir suchten nun zunächst einen Nothmast aufzustellen und das Takelwerk
""Doffern. Ich sandte den Zimmermann in das Zwischendeck hinunter, um
nach Werkzeugen und Segelwerk zu sehen, während ich die Arbeiten auf dem
Deck leitete.
Nach einer kleinen Weile kam er mit allen Zeichen des Entsetzens zurück.
„Sir, das ist schrecklicher Anblick in der Kajüte", sagte er schaudernd.
„Was hast Du gesehen, Jackson?" rief ich.
„Vier Personen liegen dort, denen die Kehle abgeschnitten ist, und nicht
weit davon horte ich eine Art von Seufzen oder Aechzen. Es wird vielleicht
ein Verwundeter in der Nähe verborgen sein."
In treuer Befolgung des richtigen, aber fürchterlichen Satzes: „Die Tob-
ten reden nicht mehr !" hatten die Piraten Alle an Bord des Schiffes zu
tobten gesucht und wir hatten bis jetzt nur Leichen getroffen.
„Du hast Recht", erwiederte ich, „es ist möglich, daß irgend ein armer
Unglücklicher noch lebt." Ich stieg, von Jackson begleitet, hinab. Der Vor-
platz der Kajüte war wie Las obere Deck mit einer Menge der verschiedenartig-
sten Dinge, welche die Räuber in der Eile der Flucht durch einander gewor-
fen, bedeckt und in gerader Linie neben einander, die Arme verschränkt, lagen
in einer tiefen Blutlache vier Körper, denen der Kopf vom Rumpfe getrennt
worden. Die Kajüte war geräumig und wohnlich, die Möbel jedoch durch
einander geworfen und mit Blut bespritzt. Die Kleidung der Ermordeten be-
wies, daß es Passagiere gewesen waren. In einem besondern Raume von der
Steuerbordseite der Kajüte lagen ein Mann und eine Frau ermordet, aus einem
Bettkissen daneben befand sich ein ungefähr drei Jahre altes Kind, ein Mäd-
chen, das mit durchschnittenem Halse dalag und dessen goldgelbe Locken sich in
seinem eigenen Blute badeten!
Wir standen, von dem fürchterlichen Schauspiele wie versteinert.
Auf einmal hörten wir ein kaum vernehmbares Stöhnen und Wimmern.
„Von dorther kömmt es, Sir!" sagte Jackson leise und ging nach dem
Steuerrad zu.
Ich eilte dahin, um zu lauschen, und wahrhaftig, ich vernahm Töne
ganz besonderer Art. Doch schien es mir zuerst, als würden sie bloß durch
die ächzende Bewegung des Steuerruders in den Ringen verursacht. Wir er-
brachen die kleine Thüre eines engen Schreins und entdeckten plötzlich den
obern Theil eines eng zusammengepreßten menschlichen Körpers. Bald hatten
wir das traurige Vergnügen, einen namenlos Unglücklichen aus seinem Kerker
zu befreien. Ich sage trauriges Vergnügen, denn er war so unmenschlich miß-
handelt worden, daß sein Anblick in der That Schauder erregte. Sein Gesicht
war so von Messerstichen zersetzt, daß man unmöglich seine Züge erkennen
konnte. Auch am Körper blutete er aus mehreren Wunden und seine Glieder
waren wie gebrochen und verrenkt, da ihn die Räuber mit Gewalt in den
engen Schrein hineingepreßt und die Thüre von außen verriegelt hatten. Der
Unglückliche hätte in dem engen Kasten ohne äußere Dazwischenkunft, in kürze-
ster Zeit ersticken müssen. Lange Zeit blieb er in bewußtlosem Zustande; doch
durch Anwendung einiger stärkenden Mittel und die Einwirkung der frischen
Luft gewann er wieder Leben. Er phantasirte von Blutvergießen und Mord
und ries die Namen Elise und Emma.
Trotz der kleinen Anzahl memer Mannschaft gelang es uns, die Takellage
des Schiffes so ziemlich auszubessern. Aber mittlerweile war uns die schnell
segelnde Fregatte außer Sicht gekommen. Der Wind ward schwächer und ich
ließ nun westwärts steuern, um das Vorgebirg St. Antonio am Westende von
Cuba zu umsegeln.
(Fortsetzung folgt.)