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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 26-37 (2.März - 30. März)
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und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohn
Trägerlohn und Pvstaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.


Dienstag den 2. März

1869.

8 Ueber „die Adresse an den Papst"
bringt die Bad. Landeszeitung in Nr. 44 vom letzten Sonntag
einen Artikel, um dessen Abdruck sie „die Orts- und Wochenblätter
im Interesse der Volksaufklärung ersucht." Wir wollen, ebenfalls
„im Interesse der Volksaufklärung", das herrliche Product auch
den Lesern des Pfälzer Boten nicht vorenthalten, und dem wört-
lichen Text der edlen Base nur einige erläuternde Glossen bei-
fügen. Der für das geistige und leibliche Wohl der badischen
Katholiken besorgte Scribent hebt an:
„Soeben versendet Fürst Carl zu Löwenstein
„(die Gnädige vom Landgraben möge hier gleich bemerken, daß
„die Papstadresse nichts Fürstliches und nichts Badisches ist, sondern
„die Sache der Katholiken Deutschlands) an alle kathol.
„Pfarrämter des Landes eine gedruckte Papstadresse
„mit der Auflage für die Pfarrer, in den Gemein-
den möglichst vieleUnterschriften für die genannte
„Adresse zu sammeln und diese dann spätestens bis
„zum 10. März an das Ordinariat einzusenden."
Das Wort Auflage ist jedenfalls unglücklich, wenn nicht boshaft
gewählt; denn eine Auflage kann doch nur von einem Vorgesetzten
kommen, was Fürst Carl zu Löwenstein für die Pfarrämter weder
ist noch sein will. Auch auf die möglichst große Zahl der
Unterschriften kommt es nicht an, bei einer Aoresse der Katho-
liken Deutschlands an den Papst, der die Namen gewiß nicht
zählen wird (die Landes Zeitung mag es thun, um ihren Unmuth
abzukühlen — oder auch nicht); es liegt viel mehr daran, daß
die Kundgebung eine vollständig freiwillige sei, aus welcher das
Herz spricht, wie dies bekanntlich nicht bei allen Adressen und
Stimmabgaben der Fall ist, nicht einmal im freien Baden.
„DieAdresse verherrlicht mit überschwänglichen
„Lobsprüchen alle RegierungshandlungendesPapstes
„Pius IX. sammt und sonders, ohne den leisesten
„Tadel oder ohne Rücksicht darauf, daß so viele
„Tausende Katholiken in allen Ländern mit der
„heutigen jesuitischen Richtun g des Papstthums ganz
„und gar nicht einverstanden sind."
Gar zu schön! Hoffentlich wird einmal, wenn Excellenz
Jolly etwa das 25. Jahr am Ruder sitzt, und auch die Base noch
lebt, diese eine Adresse aufsetzen, worin Alles angeführt ist, was
man an seinem Regiment getadelt hat. Wir Katholiken baden
Gottlob! keinen Grund, Pius IX. zu tadeln, am wenigsten an
seinem 50jährigen Priesterjubiläum. Daß es auch Katholiken
gibt, die mit ihm unzufrieden sind, dazu kann wahrlich der Papst
nichts: er ist eben Papst und kein Freimaurer. „Es soll hier
„nur an die neueste schreckliche Blutthat des Stell-
vertreters „Christi", an Monti und Tognetti er-
innert werden." — Bravissimo! Diese „Erinnerung" zeigt
die Landeszeitung und den Adressenartikel im besten Lichte. Monn
und Tognetti waren mehrfache, schändliche Meuchelmörder (die
übrigens beide — was die Landeszeilung und Cons. nie berühr-
ten — ihre Unthaten noch bereuten und um Verzeihung flehten);
sie werden bestraft und das Residenzblatt nennt die Bestrafung
eine schreckliche Blutthat (war denn das Umbringen von
27 braven Soldaten ein gutes Werk?)! Würde die Alte ebenso
lamenüren, wenn Viktor Emanuel alle Jesuiten u. die andern „Schwar-
zen" aushängen würde? Es soll hier nur — so sagen jetzt wir
— an das „Schlagt ihn todt den Hund . .. ." erinnert werden,
was zur Genüge beweist, daß die Base wegen des Blutes allein
nicht so leicht einen Schrecken bekömmt. Oder wenn daher ihre
Thränen stammen, warum vergießt sie dieselben nicht über die
vor nicht so vielen Jahren im Lande Baden standrechtlich Er-
schossenen oder die Opfer von Sechsundsechzig? — Doch es kommt noch
immer schöner:
„Kein denkender selbstständiger katholischer
„Christ kann diese Adresse unterzeichnen, ohne sich
„z ugle ich zum Mits chuldigen jener unchrist lich-h im mel-
„s ehr eiend en That des Papstes zu machen." Daß die
Mitschuld sich tragen läßt, bedarf nicht des Weiteren. Auch alte-
riren wir uns nicht, wenn gewisse denkende d. i. freireligiöse
oder religionslose, und wenn selbstständige Katholiken d. i.
solche, deren Brodsack in Karlsruhe hängt, und die für jede kath.

Gesinnungsäußerung Maßregelung befürchten, die Adresse nicht
unterschreiben. Aber ....
„Weiter wird behauptet" — (von wem denn, Edle'?
was ist nicht schon Alles von Dir behauptet worden!) —, „wer
,jdie Adresse unterzeichne, verpflichte sich dadurch
„zur Entrichtung einer r egelm äßi g e n G eld st euer an
„den Papst, wofür der Umstand spricht, daß die
„Unterzeichner nicht blos um ihre Namen, sondern
„— und das scheint, wie immer, die Hauptsache zu
„sein — um Zahlung eines „außerordentlichen"
„Geldopfers für den Papst angesprochen werden."
Da schlag ein Rad —. Haben die päpstlichen Gerichtsvollzieher
noch kein Logis bei Macklot gemiethet? Wir meinten bisher im
Lande der Intelligenz und Aufklärung zu sein; und selbst der ge-
sunde Menschenverstand ist der Alten davongegangen! Wer etwas
unterzeichnet, der behauptet, der verspricht, nach unserm Verstände,
eben das was er unterzeichnet und nicht mehr; und der Papst
wird aus dieser Glückwunschadresse kein größeres Recht auf eine
Geldsteuer herleiten, als der excommunicirte Bürgermeister Stro-
meier aus den seinigen, die er wohl verwahren möge zum Tröste
in schlimmen Tagen. Wenn aber die Alte für dis Behauptung
oer regelmäßigen Geldsteuer einen Grund darin finden will, daß
die Unterzeichner der Avresse um ein „außerordentliches Geldopfer",
wie sie es nennt, angesprochen werden, so müssen wir sie vor
solchen Sprüngen warnen; sie könnte sonst selbst bei ihren Ge-
sinnungsgenossen den Credit verlieren. Wo haben Sie denn Ihre
Logik studirt, liebe Base? — Jedoch der Zweck heiligt auch einen
Sprung in der Logik:
„Wir fordern unsere katholischen Gesinnungs-
genossen auf, überall, so weit möglich (warum nicht:
„mit allen Mitteln?) ihre katholischen Mitbürger
„in den Gemeinden über den eigentlichen Zweck die-
ser Adresse aufzuklären und ihnen die Unterzeich-
nung derselben entschieden abzurathen, schon aus
„dem einzigen Um stände, weil, außer den Verferti-
gern dieser Adresse,Niemand weiß, was nochAlles
„hinter diesem ultramontanen Schriftstücke steckt,
„und was für allerlei mögliche Verpflichtungen für
„die Unterzeichner in der Folge daraus abgeleitet
„werden könnten. Drum: Nichtunterschreiben! sei
„das Losungswort." Mit dieser Aufforderung der besorgten
Base ist das Geschütz abgeschossen und — der höhere Blödsinn
fertig. Fürwahr die Landeszeitung muß ihre Leser und nament-
lich ihre „katholischen Gesinnungsgenossen" kennen, wenn sie ihnen
eine solche Kost bieten darf! Mögen diese „Gesinnungsge-
nossen" ja ihre Namen weglassen von der Adresse; der Papst
wird sie nicht vermissen und wir verzichten gerne auf ihre Ge-
sellschaft.
Aber ein doppelter Widerspruch ist uns unerklärlich, nämlich:
daß diese „Gesinnungsgenossen" über den eigentlichen Zweck
der Adresse erklären sollen, während doch die alte Lehrmeisterin
selbst in dem ganzen Schriftstück nicht gebracht hat, was der
eigentliche Zweck der Adresse ist, (oder soll's in dem „Wei-
ter wird behauptet" liegen? ha, ha!) und gleich nachher selbst
sagt, daß außer den Verfertigern der Adresse — und
dazu gehört doch weder sie noch die Gesinnungsgenogen — Nie-
mand weiß was dahintersteckt. Dann aber Ehrenmänner, welche
im Namen aller (sagen wir es dreist) wahren und auf-
richtigen Katholiken Deutschlands eine Adresse an das
Oberhaupt der katholischen Christenheit verfertigen, hinstellen zu
sehen als Leute, welchen nicht zu trauen ist, und welche etwas
zum Nachtheil der Unterzeichner im Hinterhalte haben, dies wäre
empörend, wenn die Sache nicht der baarste Unsinn und man
Aehnliches von der Landeszeilung nicht gewohnt wäre. Das Losungs-
wort der „Badischen": „Nichtunter s chrei be n", ist sicherlich
die beste Empfehlung der Adresse. — Dem edlen Blatte vom Land-
graben empfehlen wir noch zum Schluffe das jüngst erschienene
Schriftchen des P. Roh, „das alte Lied", worin gezeigt wird, daß
nicht die Jesuiten lehren, der Zweck heilige das Mittel, daß aber
ganz andere Leute dem weit schlimmeren Grundsatz huldigen: „So-
gar ein schlechter Zweck heiligt schlechte Mittel."
 
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